Im Projekt »For(s)tschritt«, welches durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) über eine Laufzeit von drei ein halb Jahren gefördert wurde (Projektträger: TÜV Rheinland Consulting GmbH), haben sich neun Partner aus Industrie und Wissenschaft zusammengeschlossen, um das Leichtbaupotenzial von Holz im Materialverbund mit metallischen Werkstoffen in tragenden Strukturen zu nutzen. Hierfür wurden neben der Charakterisierung holzbasierter Multimaterialsysteme zur Erstellung von Simulationsmodellen auch strukturrelevante Baugruppen für Schienen- und Straßenfahrzeuge als Demonstratoren gefertigt und geprüft.
Das DLR beschäftigte sich innerhalbe des Projektes mit der Konzeption, Konstruktion, Optimierung, Simulation, Prüfung und Validierung. Zielsetzung des Forschungsvorhabens war die Qualifizierung von buchenholzbasierten Multimaterialsystemen für den Einsatz in Fahrzeugstrukturen der Zukunft. So sollten ökonomisch und ökologisch attraktive Alternativen zu bestehenden Materiallösungen geschaffen werden.
Motivation für den Einsatz von Holz
Holz weist sehr gute spezifische mechanische Kennwerte auf und ist in Faserrichtung mit typischen technischen Werkstoffen wie Aluminium oder Magnesium vergleichbar. Zudem ist Holz ein nachwachsender Rohstoff der während seines Wachstums CO2 bindet. Durch den Einsatz von Buchenholz können kurze Transportwege und eine gute Verfügbarkeit innerhalb Europas gewährleistet werden.
Materialeinsatz im Projekt
Im Rahmen des Forschungsprojektes wurde der Einsatz von Buchenholzfurnieren näher untersucht. Dazu wurden verschiedene Konzepte erarbeitet, die von einem Einsatz des Materials zur Verstärkung dünner Bleche bis hin zu vollständig aus Holz gefertigten Strukturbauteilen, die nur lokal mit Blech verstärkt wurden, reichten. Insgesamt wurden drei unterschiedliche Referenzbaugruppen betrachtet – ein funktionsintegrierter Türaufprallträger für einen PKW, ein Türflügel für ein Schienenfahrzeug sowie ein Segment der Seitenwand eines Schienenfahrzeugs. Genauere Informationen zu Zusammensetzung des Projektkonsortiums finden Sie unter holz-im-auto.de
Herausforderungen beim Einsatz von Holz
Der Einsatz von Holz ist mit vielfältigen Herausforderungen verbunden. Dazu zählen bspw. streuende Materialkennwerte, die Abhängigkeit der Materialeigenschaften von Umgebungsbedingungen, wie etwa der Feuchte, und im speziellen die Simulation des Werkstoffs. Auch die Holz/Holz bzw. Stahl/Holz-Verklebung, die den hohen Anforderungen aus dem Automobilbau (z.B. KTL-Beschichtung, Prozesszeiten) und dem Schienenfahrzeugbau (z.B. Brandschutz) genügen müssen, standen im Fokus des Projektes. Durch konstruktive Maßnahmen und wissenschaftliche Untersuchungen von Wechselwirkungen wurden Lösungen erarbeitet und validiert. Hierfür wurde ein umfassendes Versuchsprogramm zur Charakterisierung holzbasierter Multimaterialsysteme durchgeführt. Des Weiteren wurde eine geeignete Simulationsmethodik entwickelt und die Materialmodelle mit den gewonnen Kennwerten bedatet. So konnte eine fundierte Basis für die Entwicklung der holzbasierten Konzepte geschaffen werden.
Funktionsintegrierter Türaufprallträger für einen PKW
Für das Referenzbauteil „funktionsintegrierter Türaufprallträger für einen PKW“ wurde beim Projektpartner Volkswagen eine vollständige Tür mit holzbasierter funktionsintegrierter Türinnenstruktur aufgebaut und am DLR einem Crashtest mit Pfahl unterzogen.
Die funktionsintegrierte Holzinnenstruktur ersetzt mehrere Stahlbauteile (Türaufprallträger, obere und untere Scharnierverstärkung sowie Türfeststellerverstärkung) und die zur Entdröhnung eingesetzten Bitumenmatten durch ein furnierholzbasiertes Bauteil. Durch eine gezielte Hybridisierung mit einem dünnen Stahlband wird die Crashperformance des Bauteils optimiert.
Durch ein spezielles Prüfstandkonzept konnten für den Crashtest die Deformationen an den Scharnieranbindungen, das Abgleiten der Tür an der B-Säule und die Anbindung am Türschloss vergleichbar zum Gesamtfahrzeugcrash abgebildet werden. Im Versuch trifft der Schlitten samt Pfahlaufbau mit einer Masse von 841 kg bei einer Geschwindigkeit von 8,31 m/s auf die Tür.
Es konnte gezeigt werden, dass die Intrusion des Pfahls bei der Tür mit holzbasierter funktionsintegrierter Türinnenstruktur nur knapp 2,6 % oberhalb der Referenztür lag. Dabei muss allerdings berücksichtigt werden, dass die Holz-Hybridtür gleichzeitig etwa 5,9 % mehr Energie absorbierte als die Referenz.
Die entwickelte holzbasierte Türinnenstruktur besteht zu knapp 90 % aus Furnierschichtholz und zeigt eindrucksvoll das Potential von Holz auch in sicherheitsrelevanten Baugruppen, die extrem hohen mechanischen Lasten ausgesetzt sind.
Referenzbaugruppe Schienenfahrzeug „Tür“
Für die Baugruppe Schienenfahrzeugtür wurde aufbauend auf der bereits bestehenden Bauweise ein modularer holzintensiver Ansatz realisiert. Einzelne Hutprofile die sowohl für flache, als auch leicht gekrümmte Strukturen eingesetzt werden können bilden den Kern der Struktur. Kombiniert werden diese Elemente mit sehr dünnen Aluminiumblechen (0,6 mm) die mit Holzfurnieren verstärkt wurden. Durch das entwickelte Konzept konnten deutlich einfachere und schmalere Aluminiumprofile eingesetzt werden. Die Holz-Bauteile können kostengünstig und mit einfachen Werkzeugen gefertigt werden. Zudem konnte die Dicke des Türflügels von 38 mm auf 32,6 mm reduziert werden. Insgesamt konnte eine Gewichtsreduktion von 15% und eine Substitution von Aluminiumbauteilen durch Holz erzielt werden. Das Konzept wurde in einem ersten Schritt für verschiedene Lastfälle wie „Misuse“ und Windlasten am DLR simuliert und anschließend als Prototyp bei der Firma Schaltbau Bode aufgebaut und erfolgreich auf einem Komponentenprüfstand getestet.
Eine der zentralen Fragestellungen bei der Konzeption und Auslegung war die Feuchtigkeitsaufnahme des Holzes im Betrieb. Hierfür wurde eigens ein Insitu-Messverfahren entwickelt und Anhand generischer Bauteile in einer Klimakammer ermittelt, wie sich die Feuchte im Bauteil verteilt. Es konnte gezeigt werden, dass sich auch bei hoher Temperatur und Luftfeuchtigkeit (+60°C und 80% rel. Feuchte) keine kritische Holzfeuchte einstellt. Auch Delaminationen oder sonstige Schädigungen des Verbundes konnten nach einer Vielzahl von Klimazyklen (20 Zyklen gemäß PV1200 von – 40°C bis +80°C) nicht beobachtet werden.
Referenzbaugruppe Schienenfahrzeug „Seitenwand“
Für die Referenzbaugruppe Schienenfahrzeug wurde ein Seitenwandsegment der Firma Alstom ausgewählt. Hierfür wurde der Ansatz eines homogenen Holzsandwichkerns mit metallischen Decklagen verfolgt. Durch Umformung des Furnierschichtverbundes und anschließendes Beplanken können auch komplexere Geometrien dargestellt werden.
Das entwickelte Seitenwandsegment wurde vollständig simuliert. Einer der kritischsten Lastfälle ist der sogenannte Doppel-Cantilever sitz. Hierfür wird ein Kragarm in der Seitenwand verschraubt und zwei Sitzplätze darauf befestigt. Durch statische und dynamische Lasten muss die Seitenwand sehr hohe Kräfte aufnehmen und ableiten. Zudem mussten auch geeignete Fügeverfahren ausgewählt und validiert werden. Innerhalb des Projektes war es möglich neben dem simulativen Nachweis durch das DLR auch den Nachweis auf dem Prüfstand bei der Firma Alstom zu erbringen, dass die zulässigen Verformungen nicht überschritten werden.
Neben der mechanischen Performance der jeweiligen Baugruppe spielt im Schienenfahrzeugsegment auch das Brandschutzverhalten eine sehr wichtige Rolle. Die Verbundmaterialien wurden daher gemäß DIN 45545 hinsichtlich des Brandschutzes getestet. Für die Anforderungssätze R1 und R7 (Strukturkomponenten innen/ außen und Abdeckungen) konnte der höchste Hazard Level (HL 3) erreicht werden.
Zusammenfassung
Im Rahmen des Projektes konnte Holz als Werkstoff in Schienen- und Straßenfahrzeugen für unterschiedliche Lastfälle und Anwendungen qualifiziert werden. Viele der anfänglichen Bedenken hinsichtlich Feuchtigkeitsaufnahme, thermischer Ausdehnung, Brandschutz oder Korrosionsverhalten konnten durch intelligente Konzepte und Zahlreiche Versuche ausgeräumt werden. So konnte selbst für eine hochkritische Sicherheitsrelevante Komponenten wie den Türaufprallträger die generelle Machbarkeit einer Holzbauweise nachgewiesen werden. Die umfangreichen Untersuchungen aller beteiligten Projektpartner können dem Abschlussbericht entnommen werden. Das DLR bedankt sich bei allen Projektpartnern für die gute Zusammenarbeit. Wenn Sie Interesse am Thema Holz in Fahrzeugstrukturen haben freuen wir uns über Ihre Anfrage.