Schnelllaufende Niederdruckturbine - MTU Aero Engines
Dass Forschung und Entwicklung die Grundvoraussetzung für eine effiziente und nachhaltige Luftfahrt der Zukunft sind, gehört bei der MTU Aero Engines in München zum kleinen Einmaleins. Und das LuFo-Programm hat dabei schon seit Langem einen festen Platz im Repertoire.
„Im Unternehmen greifen wir gern und regelmäßig darauf zurück“, sagt Roland Lederer. „Dabei nutzen wir das Programm nicht nur für die Entwicklung neuer Produkttechnologien, sondern auch für die Fertigung und Instandhaltung.“ Als ein Beispiel nennt er die neue Produktionshalle für Turbinenscheiben in München, die zu den modernsten der Welt zählt: In ihr stecken Fertigungstechnologien, die im Rahmen von LuFo entwickelt wurden.
Besonders stolz sei der Luft- und Raumfahrtingenieur, der im Rahmen des Technologiemanagements im Unternehmen auch für das Luftfahrtforschungsprogramm zuständig ist, aber auf ein ganz besonderes Projekt: die schnelllaufende Niederdruckturbine. „Die haben wir über mehrere LuFo-Projekte hinweg entwickelt“, erzählt er freudig. „Seit 2016 ist sie fester Bestandteil der Getriebefan-Triebwerksfamilie von Pratt & Whitney und fliegt zum Beispiel im Airbus A320neo.“

MTU Aero Engines
Auf den Luftstrom kommt es an
Um seine Freude zu verstehen, muss man einen Blick auf die Antriebe heutiger Verkehrsflugzeuge werfen. Bei vielen ist das Herzstück eine Fluggasturbine, die den Schub erzeugt. Ein Fan, der aussieht wie ein überdimensionales Schaufelrad, saugt dazu am vorderen Ende die Luft ins Triebwerk. Ein Teil davon wird verdichtet, zusammen mit dem Treibstoff in der Brennkammer verbrannt und treibt so Turbinen an. Die Abgase schießen dann mit hoher Geschwindigkeit am hinteren Ende des Triebwerks hinaus. Kernstrom wird das in Fachkreisen genannt. Ein anderer Teil der Luft strömt hingegen außen an der Brennkammer vorbei. Das ist der Mantel- oder Nebenstrom.
In modernen Verkehrsflugzeugen trägt der Kernstrom heute kaum noch zum Schub bei. Er dient vor allem dazu, die Niederdruckturbine anzutreiben. Die wiederum versetzt den großen Fan in Drehung, damit dieser möglichst viel Luft ansaugen und in den Nebenstrom leiten kann. Der Nebenstrom hingegen erzeugt durch die großen bewegten Luftmassen den größten Teil des Schubs. Das Geheimnis effizienter Antriebe liegt demnach im Nebenstrom. „Vereinfacht kann man sagen, dass sich die Effizienz von Fluggasturbinen mit größeren Nebenstromverhältnissen verbessert“, sagt Roland Lederer. Doch so einfach ist das gar nicht. Denn die kleine Niederdruckturbine soll möglichst schnell laufen, um hohe Leistungen bei gutem Wirkungsgrad zu erbringen. Der große Fan darf aber nicht zu hoch drehen, da die sehr hohen Blattspitzengeschwindigkeiten sonst zu hohen aerodynamischen Verlusten und auch zu hohen Lärmemissionen führen. Das Dilemma dabei: Fan und Niederdruckturbine sitzen auf der gleichen Welle. Gelöst wird es bisher dadurch, dass sich die Niederdruckturbine den niedrigeren Drehzahlen des Fans beugt. Das führt dann in der Regel zu langen, schweren Niederdruckturbinen mit sechs Stufen oder mehr.
Entkopplung für mehr Effizienz
„Gemeinsam mit unserem Partner sind wir einen anderen Weg gegangen“, sagt er. „Wir haben Fan- und Niederdruckturbinen-Drehzahl durch ein Getriebe entkoppelt.“ Die Idee habe es bereits in den 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts gegeben, meint er. Doch angesichts der damals niedrigen Treibstoffpreise sei diese nicht weiter verfolgt worden. In Zeiten aber, in denen Nachhaltigkeit ganz oben auf der Liste der Luftfahrtakteure steht, sieht das anders aus. Jetzt kann die entkoppelte Niederdruckturbine ihre Vorteile voll ausspielen. „Sie dreht nicht nur um den Faktor drei schneller als der Fan, sie kommt auch mit nur drei Stufen aus“, fasst der Luftfahrt- und Raumfahrtingenieur zusammen. „Das verringert ihr Gewicht merklich, steigert ihren Wirkungsgrad, senkt dadurch den Treibstoffverbrauch des Triebwerks und macht es auch noch leiser.“
Was sich so einfach anhört, hat die MTU-Entwickler aber gleich vor mehrere Herausforderungen gestellt. Denn wie so oft, steckt der Teufel im Detail. In diesem Fall waren das die Fliehkräfte, die eine schneller laufende Niederdruckturbine mit sich brachte. „Das Material, die Mechanik, die Spaltmaße – alles muss angepasst werden“, erzählt er. „Und natürlich mussten wir in verschiedensten Demonstrationen die Tauglichkeit unserer Entwicklungen unter Beweis stellen.“ Ein Schlüsselmoment für ihn war dabei der erste Test der Turbine auf dem Höhenprüfstand der Universität Stuttgart. Unter den verschiedenen Bedingungen, die dort simuliert werden können, mussten die MTU-Experten die Leistungsfähigkeit und den verbesserten Wirkungsgrad der Entwicklung unter Beweis stellen. Das gelang mit Bravour und hat sich letztendlich ausgezahlt. „Mit der schnelllaufenden Niederdruckturbine und einem Teil des Hochdruckverdichters steuert die MTU heute etwa 18 Prozent zum Getriebefan des A320neo bei“, freut sich Roland Lederer. „Und das LuFo-Programm hat einen großen Anteil daran.“
Text: Kai Dürfeld