Historie des Instituts

Spurensuche: Systemanalyse im DLR

Der Zeitgeist als Wegbereiter

In den frühen 1970er Jahren veröffentlichte der Club of Rome seine Studie „Die Grenzen des Wachstums“. Sie sollte die weltweite Energieforschung in zweierlei Hinsicht prägen: Zum einen prognostizierte sie die Endlichkeit vieler Rohstoffe, zum anderen war sie eine der ersten großen Studien, die auf Basis eines Computermodells erstellt wurde.

In der Folge wuchs das Interesse, mögliche Zukunftsszenarien zur Energieversorgung wissenschaftlich zu analysieren. Vor diesem Hintergrund wurde im März 1974 an der Deutschen Forschungs- und Versuchsanstalt für Luft- und Raumfahrt (DFVLR; damaliger Name des DLR) die Programmgruppe „Angewandte Systemanalyse“ gegründet. Eine der ersten Studien: „Nichtfossile, nichtnukleare Energiequellen für morgen“, beauftragt vom Bundesforschungsministerium.

Stuttgart, 1970er Jahre

Nur zwei Jahre später beschloss das DFVLR, einen neuen Forschungsbereich „Energetik“ an seinem Standort Stuttgart zu etablieren. Zugleich übernahm Dr. Joachim Nitsch die Leitung der dortigen „Studiengruppe Energiesysteme“. Der Systemanalytiker gilt heute als einer der prägendsten Vordenker seines Fachs und blieb bis zum Jahr 2005 Leiter der Gruppe, die sich ab 1992 als Abteilung „Systemanalyse und Technikbewertung“ am Institut für Technische Thermodynamik einen Namen machte.

Einen ersten wissenschaftlichen Meilenstein setzte die „Studiengruppe Energiesysteme“ mit der im Januar 1981 veröffentlichten vergleichenden Studie „Ausbau von Sekundärenergiesystemen in der Bundesrepublik Deutschland bis zum Jahr 2000“, die im Rahmen der Arbeitsgemeinschaft der Großforschungseinrichtungen (AGF) entstand. Erstmals wurden darin Aspekte wie mögliche Flexibilitäten in der Energieinfrastruktur und -verteilung umfassend in unterschiedlichen Entwicklungslinien analysiert. Das Team um Nitsch leitete die Studie, an der zahlreiche renommierte Forschungseinrichtungen und Industriekonzerne beteiligt waren.

Erneuerbare Energien rücken in den Fokus

Die Erstellung von Energieszenarien prägte in den 1980er- und 1990er-Jahren die Arbeiten, die bereits damals eng verbunden waren mit der technologischen Forschung am DFVLR. Die Teamstärke konsolidierte sich in dieser Zeit recht konstant bei rund acht Mitarbeitenden und wurde auch nicht entscheidend durch die Umgestaltung des DFVLR im Jahr 1991 beeinflusst, aus der unter anderem die Umbenennung ins heute geläufige „Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt“ hervorging.

Inhaltlich richtete sich der Blick der Systemanalyse jedoch zunehmend auf die erneuerbaren Energien. In dem 1990 erschienenen Buch „Energieversorgung der Zukunft“ wagte das Autorenteam um Nitsch erstmals eine analytische Vorausschau auf das Jahr 2050. Die Szenarien verfolgen dabei unter anderem auch die Verfügbarkeit von erneuerbaren Energien und Versorgungsinfrastrukturen. Eine der damaligen Kernaussagen ließ Politik und Medien aufhorchen: Eine Energieversorgung auf Basis erneuerbarer Energien ist bis zum Jahr 2050 realisierbar.

Politisch zunehmend relevant 

Ab den 2000er Jahren begleitete die DLR-Systemanalyse die politische Entwicklung mit zahlreichen Studien zur Nutzung der erneuerbaren Energien im Energieversorgungsystem. Viele der Studien wurden im direkten Auftrag unterschiedlicher Bundesministerien angefertigt. Um den immer komplexer werdenden Anforderungen an die Systemmodellierung gerecht zu werden, schufen Forschende aus der Abteilung um das Jahr 2010 herum die Grundlagen für die Modellierungswerkzeuge REMix und AMIRIS. Sie wurden seitdem kontinuierlich weiterentwickelt und dienen heute im DLR als unverzichtbare Basis für zahllose Projekte und Studien.

Verschmelzung

Ein grundlegender struktureller Wandel bahnte sich ab Mitte 2017 für die Stuttgarter Systemanalytiker an: Im DLR sollte der systemische Blick auf die fortschreitende Energiewende unter dem Dach eines neuzugründenden Instituts vertieft werden. Als geeigneter Baustein für das zukünftige „Institut für Vernetzte Energiesysteme“ wurde das Oldenburger „EWE-Forschungszentrum NEXT ENERGY“ ins Auge gefasst. Dessen Forschungsportfolio umfasste zu diesem Zeitpunkt jedoch bereits eine Abteilung Energiesystemanalyse, die mit ihren rund 40 Forschenden Mitte 2017 in leicht abgewandelter Form in das neue Institut überging.

Um Parallelstrukturen innerhalb des DLR zu vermeiden, wurde eine Bündelung der Oldenburger und der Stuttgarter Kompetenzen unter dem Dach des neuen Instituts vereinbart. Dieser Prozess wurde nach mehrjähriger Vorbereitung am 1. Januar 2021 in den heute bekannten Strukturen und unter Beibehaltung der Standorte Oldenburg und Stuttgart mit nunmehr rund 80 Mitarbeitenden in der Abteilung Energiesystemanalyse vollendet.

Kontakt

Heinke Meinen

Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)
Institut für Vernetzte Energiesysteme
Institutskommunikation