DLR Magazin 151 - page 10-11

Kraftwerke
Monsunwind
mit Seesalz aus
dem Süden
Saharawind mit
Staub aus dem
Norden
Schiffsverkehr
Ölplattformen
Veraltete Motoren
von Straßenfahr-
zeugen
ATMOSPHÄRENFORSCHUNG
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Komplexes Gemisch in mehreren Wolkenschichten
Blick auf die Wetterkarte: Das Satellitenbild zeigt eine dicke Wolken-
schicht über der Elfenbeinküste, Ghana, Benin, Togo und Nigeria.
Was aus dem Weltall nicht zu sehen ist: Unterhalb dieser obersten
Schicht befinden sich noch weitere Wolkendecken. Dünne Stratus-
wolken formieren sich regelmäßig in nur 200 bis 600 Meter Höhe
über der westafrikanischen Küste. Diese Wolkenschicht eignet sich
gut, um den Einfluss von Partikeln in der Atmosphäre, sogenannter
Aerosole, auf die klimarelevanten Eigenschaften der Wolken zu un-
tersuchen. Die Aerosole können dabei sowohl natürlichen Ursprungs
sein, zum Beispiel Salz aus dem Meer oder Sandstaub aus der Wüste,
als auch vom Menschen verursacht worden sein, beispielsweise durch
Holzkohlefeuer oder städtische Abgase.
Eine der herausforderndsten Fragestellungen der Atmosphärenfor-
schung ist es, herauszufinden, wie diese Aerosole auf die Wolkenbil-
dung und deren Strahlungseigenschaften wirken. Fest steht: Sie sind
relevant für das Klima. Sie breiten sich in der Atmosphäre aus und
beeinflussen Wolken in unterschiedlichen Höhen. Auch der Luft- und
Schiffsverkehr produziert Aerosole. Gerade der Einfluss von schwefel-
haltigen Aerosolen, die sich aus dem Schwefel im Treibstoff bilden, ist
noch weitgehend unverstanden. Nach Modellrechnungen entfalten
diese Sulfataerosole eine kühlende Wirkung auf die Atmosphäre und
wirken somit der Erderwärmung entgegen. „Mit unseren Messflügen
in Westafrika können wir den Einfluss von Aerosolen auf die Wolken-
eigenschaften hervorragend studieren. So tragen wir zum Verständnis
dieses Prozesses bei und haben eine Grundlage für die Entwicklung
belastbarer Modelle“, erklärt Dr. Hans Schlager, Projektleiter der DLR-
Messkampagne im EU-Projekt DACCIWA (Dynamics-Aerosol-Che-
mistry-Cloud Interactions in West Africa).
Um den hochkomplexen Wechselbeziehungen zwischen Aerosolen
und Wolkeneigenschaften auf die Spur zu kommen, nutzen die Wis-
senschaftler den Umstand, dass sich entlang der westafrikanischen
Küste Gebiete mit hoher und niedriger Aerosolbelastung und Bereiche
mit vom Menschen verursachten und natürlichen Aerosolen abwech-
seln. So können die Eigenschaften der Stratuswolken, die sich entlang
der gesamten Küste Westafrikas bilden, in Bezug zu den unterschied­
lichen Aerosolen gesetzt werden. Vorab berechnen die Wissenschaftler
mit Strömungsmodellen die Ausbreitung der Abgase von den verschie-
denen Quellen, die sich wie eine Fahne bis zu 300 Kilometer weit über
das westafrikanische Festland erstrecken. Die Abgasfahnen der großen
Küstenstädte Accra, Abidjan, Lomé und Cotonou ziehen von der Küste
her übers Festland, hinweg über Wälder, Agrarflächen bis in die Sahel-
zone.
Wolkenjagd und Abgasfahnen
An Bord des Forschungsflugzeugs Falcon 20E flogen die Wissen-
schaftler von Juni bis Juli 2016 zahlreiche Messflüge. Die Piloten der
DLR-Einrichtung Flugexperimente aus Oberpfaffenhofen steuerten
Die Falcon kann bis zu 1.100 Kilogramm Nutzlast an wissenschaftlichen Instrumen-
ten aufnehmen. Für die Messflüge über Westafrika war die Kabine dicht bepackt.
Die unter den Flügeln der Falcon installierten Mess-Sonden ermitteln zum einen Partikel-Anzahlkonzentrationen, Flüssig- und Eiswassergehalte und den Grad der Lichtab-
schwächung in den Wolken. Zum anderen werden Aerosolpartikel erfasst, woraus die Wissenschaftler, in Kombination mit den Daten weiterer Partikelmessgeräte an
Bord, die mikrophysikalischen und optischen Eigenschaften von Aerosolen und Wolken ableiten.
Vorhersage der Emissionsfahne von Lomé für den Messflug am 13. Juli 2016
und Falcon-Messroute. Farbkodiert dargestellt sind die Konzentrationswerte
eines speziellen Gases, das vor dem Messflug in Lomé freigesetzt wurde, um
die Abgasfahne verfolgen zu können.
Über den Städten der westafrikanischen Küste bilden sich regelmäßig in niedriger Höhe Wolkenschichten.
Deren Einfluss auf Wetter und Klima ist Gegenstand des EU-Forschungsprojekts DACCIWA.
DAS PROJEKT DACCIWA
Koordiniert vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT) untersuchen
Forscher im EU-Projekt DACCIWA (Dynamics-Aerosol-Chemistry-
Cloud Interactions in West Africa) die Zusammenhänge zwischen
Wettereinflüssen, Klimawandel und Luftverschmutzung an der
westafrikanischen Küste. In koordinierten Boden- und Flugzeug-
messungen erforschen die Wissenschaftler dabei erstmals die gesam-
te Kette der Auswirkungen von natürlichen und menschengemach-
ten Emissionen auf die Atmosphäre. Von Juni bis Juli 2016 waren
sie dazu mit drei Forschungsflugzeugen vor Ort. Zudem bauten sie
drei instrumentierte Bodenstationen im Landesinneren auf. Von dort
starteten die Wissenschaftler der Projektpartner mehrmals am Tag
Wetterballons und unbemannte Kleinflugzeuge, um Messungen
Bild: DLR/Valerian Hahn
Bild: DLR/Valerian Hahn
Bild: DLR/Valerian Hahn
durchzuführen. Außerdem erstellten unter anderem die KIT-
Kollegen ein Kataster der urbanen Emissionen und werteten
Gesundheitsdaten aus. Das insgesamt fünf Jahre dauernde
Projekt schafft damit die Grundlage für präzisere Klima-,
Wetter- und Luftqualitätsmodelle, die eine nachhaltigere
Entwicklungspolitik ermöglichen. Die Europäische Union
fördert das Projekt im 7. Rahmenprogramm mit rund
8,75 Millionen Euro. Insgesamt sind 16 internationale
Forschungseinrichtungen aus Deutschland, der Schweiz,
Frankreich, Großbritannien, Ghana, Nigeria sowie weitere
afrikanische Partner aus Benin und der Elfenbeinküste an
dem Projekt beteiligt.
EMISSIONSCOCKTAIL ÜBER TOGO
Verbrennen land-
wirtschaftlicher
Abfälle
Holzkohlefeuer
und brennender
Stadtmüll
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ATMOSPHÄRENFORSCHUNG
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