6. August 2025

Resilienz im europäischen Stromsystem: DLR-Forschende zu Gast im Podcast „Energie aufs Ohr“

  • Im ausführlichen Gespräch erläutern Kristina Nienhaus und Felix Nitsch vom Institut für Vernetzte Energiesysteme, warum europäische Energienetze im Verbund unsere Stromversorgung kostengünstiger und resilienter machen.
  • Zur Sprache kommt unter anderem das Forschungsprojekt VERMEER, in dem Rückschlüsse aus vergangenen Extremwetterlagen auf die Gestaltung zukünftiger Energiesysteme untersucht wurden.
  • Die 37-minütige Podcast-Folge „Europas Stromnetze – Vernetzt, volatil, unentbehrlich“ ist am 5. August 2025 in der Reihe „Energie aufs Ohr“ der memodo GmbH veröffentlicht worden.
  • Schwerpunkte: Energie, Energieökonomik, Systemmodellierung, Klimawandel

In einer neuen Folge der Podcast-Reihe „Energie aufs Ohr“ erläutern Kristina Nienhaus und Felix Nitsch aus der Energieökonomik am Institut für Vernetzte Energiesysteme, warum europäische Energienetze im Verbund unsere Stromversorgung kostengünstiger und resilienter machen – und zwar auch bei Extremwetterverhältnissen. In der Folge „Europas Stromnetze – Vernetzt, volatil, unentbehrlich“ gehen sie dabei auch auf Erkenntnisse aus dem vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie geförderten Forschungsprojekt VERMEER ein, das Rückschlüsse aus vergangenen Extremwetterlagen auf die Gestaltung zukünftiger Energiesysteme in Deutschland und Mitteleuropa untersucht hatte.        

Die Ausgangslage: Im Jahr 2024 wurden in Europa knapp 50 Prozent des Strombedarfs durch erneuerbare Energien gedeckt. Das war ein neuer Rekord. Dabei wurde aus Photovoltaik mehr Strom produziert, als aus Kohle. Gleichzeitig ging die Stromerzeugung aus Gas das fünfte Jahr in Folge zurück. Dennoch herrscht großer Handlungsbedarf, das Stromangebot weiter auszubauen, weil durch die voranschreitende Sektorenkopplung nicht nur Strombedarf an sich gedeckt werden muss, sondern perspektivisch auch weitere energieintensive Sektoren wie Industrie, Wärme und Mobilität mitversorgt werden müssen.

Vor diesem Hintergrund plädieren Nienhaus und Nitsch dafür, eine bedarfsgerechtere Einspeisung anzureizen: Etwa für mehr PV-Anlagen in (unattraktiverer) Ost/West-Ausrichtung, damit nicht alle Anlagen nur vorwiegend mittags einspeisen. Stattdessen wäre es bedarfsgerecht, einen Teil der PV-Produktion in die Morgen- und Abendstunden zu verlagern, damit Angebot und Nachfrage über den Tag verteilt besser aufeinander abgestimmt sind.     

In Bezug auf die Resilienz des Energiesystems veranschaulichen Nienhaus und Nitsch, wie sich zwischen den europäischen Strommarktzonen ein reger Handel entwickelt hat. Diese Vernetzung wird immer wichtiger, um die natürlichen Schwankungen aus der Erzeugung erneuerbarer Energien auszugleichen. Auf den Punkt: Zwar können regionale Wetterverhältnisse durch den europäischen Verbund ausgeglichen werden, dennoch hat das Wetter massiven Einfluss auf das Energiesystem. Deshalb ist die Forschung an der Schnittstelle zwischen Energiesystemmodellierung und Wettermodellierung so wichtig.

Wie wir auf dieser Basis die Resilienz unserer Energiesysteme auf zukünftige Wetterextreme vorbereiten können, haben die Forschenden im Projekt VERMEER analysiert. Im Podcast erläutern sie, wie der Klimawandel bereits heute die Erzeugungsprofile von erneuerbaren Energien beeinflusst und warum historische Wetterdaten immer weniger „funktionieren“. Anders gesagt: Wir können nicht mehr von der Vergangenheit auf die Zukunft schließen. Jedoch ist es auch weiterhin wichtig, die Auswirkungen des Klimas auf das Energiesystem zu kennen, weil wir bereits heute die Versorgungssicherheit unseres zukünftigen Systems planen müssen.  

Konkret wurden im Projekt VERMEER verschiedene Extremwetter-Arten betrachtet und ihr Einfluss auf die Erzeugungsprofile von erneuerbaren Energien untersucht. Dafür wurden – so Nienhaus und Nitsch – Extremsituationen aus der Vergangenheit (zum Beispiel die Winter 1996/1997 und 2011/2012) anhand der Residuallast (der Teil des Energiebedarfs, der nicht durch Erneuerbare gedeckt werden kann) als Indikator für potenzielle Knappheiten ermittelt. In der Modellierung wurden diese Daten mit speziellen Klimaprojektionen kombiniert, die darstellen, wie sich Wetterereignisse bis zum Jahr 2100 entwickeln könnten.

Dabei kam unter anderem heraus, dass Windenergieanlagen in der zweiten Hälfte des 21. Jahrhunderts in den Monaten Juli und August weniger Erzeugung liefern werden. Dies müsse bei der Gestaltung künftiger Systeme berücksichtigt werden. Auch nimmt die Häufigkeit von Dunkelflaute-Ereignissen den VERMEER-Ergebnissen nach signifikant um 20 bis 24 Prozent zu.

Im Podcast erläutern Nienhaus und Nitsch, wie der europäische Stromhandel hier für Ausgleich zwischen Regionen und Wetterlagen sorgen kann. Dennoch betonen die DLR-Forschenden: Bei großflächigen Wetterereignissen, die Deutschland und die Nachbarländer gleichermaßen betreffen, reichen diese Maßnahmen allein nicht aus, weshalb in den Planungen Backup-Kraftwerke auch weiterhin eine wichtige Rolle spielen werden.

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Kontakt

Heinke Meinen

Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)
Institut für Vernetzte Energiesysteme
Institutskommunikation

Energieökonomik

Forschungsgruppe
Institut für Vernetzte Energiesysteme