10. April 2025 | Projekt VIRLWINT

Wie klingt die urbane Luftfahrt? Fandesign und aeroakustische Messungen

Drei akustisch unterschiedliche Fandesigns für das verteilte Antriebssystem des VIRLWINT tilt-duct Vehikels verfügbar.

Die Zukunft von Flugzeugen mit verteilten Antrieben hängt maßgeblich davon ab, wie ihr Antriebslärm von Menschen wahrgenommen wird. Besonders in städtischen Gebieten könnte ihre Akzeptanz davon abhängen, wie laut oder störend ihre Antriebe empfunden werden. Daher untersuchen wir am Institut für Antriebstechnik die aerodynamischen Schallquellen und ihre akustischen Auswirkungen, um eine lärmarme Antriebsauslegung zu ermöglichen und die Integration dieser Flugzeuge in den urbanen Luftraum zu erleichtern.

Aktuelle Forschungsergebnisse zeigen, dass, neben der Sicherheit, vor allem der Lärm, der durch das zusätzliche Flugaufkommen verursacht wird, eine wesentliche Herausforderung darstellt. Das Antriebsgeräusch trägt maßgeblich zur Gesamtschallabstrahlung der Flugzeuge bei. Darüber hinaus werden sich die Lärmwahrnehmung und die Lärmbelästigung von verteilten Antriebssystemen von denen herkömmlicher Flugzeuge unterscheiden sowie zu einem größeren Anteil von psychoakustischen Faktoren abhängen, wie beispielsweise dem Empfinden von Fluktuationen und Schärfe in den Geräuschen. Die Antriebsgeräusche und ihre subjektive Wahrnehmung werden daher ein Schlüsselfaktor für den Erfolg von Flugzeugen für die urbane Luftmobilität (UAM) und die Akzeptanz dieser Flugzeuge in der Gesellschaft sein. Am Institut für Antriebstechnik untersuchen wir deshalb akustische Effekte, die ein lärmarmes Antriebsdesign ermöglichen.

Herausforderung tonales Geräusch bei Fanstufen mit weniger Stator- als Rotorschaufeln

Fanstufen werden typischerweise mit mehr Stator- als Rotorschaufeln ausgestattet. Ausschlaggebend für diese Konstruktionsentscheidung ist die Akustik, da das Verhältnis zwischen den Rotor- und Statorschaufeln die Geräuschentstehung in Fanstufen erheblich beeinflusst. Mit einer deutlich größeren Anzahl von Statorschaufeln im Vergleich zum Rotor wird die Entstehung tonaler Geräusche designbedingt verringert. Im Gegensatz dazu können Fanstufen auch mit weniger Stator- als Rotorschaufeln ausgestattet werden. Dies hat den Vorteil, dass neben Herstellungs- und Wartungskosten auch der Breitbandschall sinkt. Allerdings resultiert für die Geräuschentstehung ein Nachteil, da für diese Fans ein besonders tonales Geräusch erwartet wird und diese in der Regel als unangenehm und störend empfunden werden. Gelingt es aber die tonale Geräuschentstehung zu reduzieren, könnten Fanstufen mit weniger Stator- als Rotorschaufeln eine aussichtsreiche Antriebsmöglichkeit fur UAM-Flugzeuge darstellen.

CRAFT-Fanstufe mit weniger Stator- als Rotorschaufeln
Unsere Experten der Triebwerksakustik haben einen Rotor mit 31 Schaufeln (links) und Stator mit 10 Schaufeln (rechts) ausgelegt. Beides wurde vom DLR Systemhaus Technik gefertigt.

Schallreduktion wenn angeregte akustische Moden parallel zum Stator-Vorderkantenwinkel verlaufen

Zum Einen entsteht eine tonale Schallreduktion, wenn sich die angeregten akustischen Moden bezüglich der Kanalachse in einem Winkel ausbreiten, der möglichst parallel zum Vorderkantenwinkel des Stators ist. Dies kann durch eine geeignete Wahl der Rotor- und Statorschaufelzahlen erreicht werden. Damit der Effekt auch auf andere Fanstufen übertragen werden kann, haben wir eine Auslegungsregel entwickelt und validiert. Zum Anderen kann für langsam drehende Fanstufen ein so genanntes ”inverse cut-off“ erzielt werden. Dies bedeutet, dass die Schaufelzahlen so gewählt werden, dass die Anregung des dominanten Fantons vollständig unterdrückt wird. Da dieser Effekt von der Drehgeschwindigkeit des Rotors abhängt, haben wir eine Auslegungsregel abgeleitet, mit der die maximal zulässige Drehgeschwindigkeit ermittelt werden kann.

Effekte durch Experimente an zwei Fanstufen validiert

Im Projekt VIRLWINT demonstrieren wir die Anwendung beider Effekte an zwei Fanstufen, die jeweils weniger Statorschaufeln als Rotorschaufeln besitzen. In Zusammenarbeit mit Systemhaus Technik haben wir die neuen Bauteile gefertigt: Einen als Blisk gefertigten Rotor mit 31 Schaufeln sowie einen Stator mit 10 Schaufeln. In der Abteilung Triebwerksakustik am Institut für Antriebstechnik können auf dem CRAFT-Prüfstand solche Fanstufen, unter repräsentativen Betriebsbedingungen für einen Einsatz in der urbanen Luftmobilität, experimentell untersucht werden. Kürzlich haben wir mit der Integration der neuen Bauteile in den Prüfstand sowie dem erfolgreichen Erstlauf der ersten Fanstufe einen wichtigen Meilenstein erreicht.

Experimentelle Untersuchung der neuen Fanstufen
Am CRAFT-Prüfstand können die neuen Fanstufen, unter repräsentativen Betriebsbedingungen für einen Einsatz in der urbanen Luftmobilität, experimentell untersucht werden. CRAFT steht für Co-/Counter Rotating Acoustic Fan Test rig. Dieser Fan-Prüfstand wird am Institut für Antriebstechnik betrieben.

Um die Schallfelder im Kanal möglichst vollständig zu erfassen, werden 169 Mikrofone stromauf und stromab des Fans so montiert, dass die Membran der Mirkofone bündig mit der Kanalwand ausgerichtet ist. So wird sichergestellt, dass die Mikrofone keine Störung in der aerodynamischen Strömung verursachen. Die Mikrofone sind im Ein- und Auslass ringförmig angeordnet. Dies erlaubt eine eingehende Analyse der Rauschanteile des Triebwerksgeräusches in Form von akustischen Moden. Für die Bestimmung der tonalen Schallmoden sind zusätzlich Mikrofone in einer Linie in einem drehbaren Kanalabschnitt angeordnet. Auf diese Weise wird das Schallfeld an 1.770 Positionen im Einlass sowie an 1.298 Positionen im Auslass schrittweise abgetastet. Um verschiedene Einbausituation zu simulieren, können im Einlauf des Prüfstands verschiedene Zäune und Lochbleche montiert werden. Dadurch kann eine Einbettung der Triebwerke im Flugzeugrumpf, verteilte Antriebe auf den Tragflügeln, oder eine ungestörte Strömung nachempfunden werden. Zur Vertiefung unseres Verständnisses über die Schallquellen und deren Zusammenhang mit den Strömungsbedingungen, werden neben der Akustik auch die Geschwindigkeitsprofile und die Turbulenzverteilung im Kanal mit Hitzdrähten und Totaldruckrechen erfasst.

Mikrofonlinie im drehbaren Kanalsegment des CRAFT-Einlasses
Zur Bestimmung der Schallmoden wird die Schalldruckverteilung an der Kanalwand mittels Drehung der Mikrofonlinie in Umfangsrichtung abgetastet.

Messdaten für die akustische und psychoakustische Bewertung von Flugzeugen mit verteilten Antrieben

Unser Ziel ist es, mithilfe der Messdaten die Geräuschpegel verteilter Antriebe und ihre psychoakustische Wirkung zu bewerten. Dazu wurde im Forschungsprojekt VIRLWINT ein UAM-Konzeptflugzeug entwickelt, welches von 26 ummantelten Fanstufen angetrieben wird. Jeder Fan hat einen Durchmesser von 46 cm und wird durch die am CRAFT-Prüfstand gewonnen Messdaten repräsentiert. Drei Fandesigns stehen dazu für Messungen am CRAFT-Prüfstand zur Verfügung: Ein Referenzfan (baseline genannt) sowie die zwei neuen Fanstufen mit weniger Stator- als Rotorschaufeln (low-broadband und low-tone genannt).

Um die Vergleichbarkeit der Fanstufen zu gewährleisten, wurden diese in einem Optimierungsprozess so ausgelegt, dass die aerodynamischen Eigenschaften der Fans nahezu identisch sind. Dazu zählen beispielsweise der Wirkungsgrad, das Druckverhältnis und der resultierende Schub.

Designregel für lärmarme Antriebe in der urbanen Luftmobilität
VIRLWINT tilt-duct Vehikel angetrieben von 26 Fans
Drei akustisch unterschiedliche Fandesigns für das verteilte Antriebssystem des VIRLWINT tilt-duct Vehikels verfügbar.

Durch verschiedene Ausgestaltung der tonalen Schallreduktionsmechanismen konnten Fandesigns mit unterschiedlichen akustischen Geräuschsignaturen erzeugt werden. Die folgende Abbildung zeigt die tonale Schallabstrahlung des aus 26 Fans bestehenden verteilten Antriebssystems in Abhängigkeit des Fandesigns, dargestellt auf einer Hemisphäre mit einem Radius von 100 m. Das mit dem baseline Fan ausgestattete Antriebssystem strahlt tonalen Schall bezüglich der Flugrichtung nach hinten ab. Im Falle des low-broadband Designs wurde die tonale Schallabstrahlung gezielt so beeinflusst, dass der tonale Schall vorrangig nach vorne abgestrahlt wird. Für eine Person am Boden bedeutet dies, dass in ersterem Fall die Töne vor allem nachdem das Flugzeug vorbei geflogen ist zu hören sind, wohingegen die Töne in zweiterem Fall bereits vor dem Vorbeiflug hörbar sind.

Tonal Richtcharakteristiken
Tonale Richtcharakteristiken des verteilten Antriebssystems
Die Abbildung zeigt die tonale Schallabstrahlung des aus 26 Fans bestehenden verteilten Antriebssystems in Abhängigkeit des Fandesigns, dargestellt auf einer Hemisphäre mit einem Radius von 100 m.

Für das low-tone Fandesign wurden beide tonalen Schallreduktionsmechanismen in einer Fanstufe kombiniert. Dadurch konnte die tonale Schallanregung stark reduziert werden. Für den Höreindruck bedeutet dies ein eher zischendes und rauschendes Geräusch anstelle eines eher tonhaltigen.

Die Wirkung und Akzeptanz dieser unterschiedlichen Geräuschcharakteristiken auf am Boden befindliche Personen wird in zukunftigen Hörstudien mit Proband/innen bewertet. Hierfür werden möglichst realistische Hörerlebnisse benötigt. Mit diesem Ziel werden die am CRAFT-Prüfstand gemessenen Fangeräusche in zwei Schritten aufbereitet. Im ersten Schritt wird ein virtueller Überflug des Flugzeugs simuliert und dabei die Ausbreitung des Schalls in der Atmosphäe bis zum menschlichen Gehör als Spektrogramm berechnet. Dieses wird im zweiten Schritt auralisiert, das heißt in eine Audiodatei überführt, die den Testpersonen in einem Testraum über Lautsprecher vorgespielt wird. Die Testpersonen sollen dann eine Aussage darüber treffen, wie sie die Geräusche empfinden. Die Hörversuche sind für das nächste Jahr am DLR-Institut für Luft- und Raumfahrtmedizin geplant.