Passive Fernerkundung

Die passive Fernerkundung vom Satelliten oder vom Boden aus nutzt die in der Atmosphäre oder an der Oberfläche der Erde gestreute bzw. reflektierte Solarstrahlung

oder die vom System Boden plus Atmosphäre emittierte thermische Strahlung. Am Institut für Physik der Atmosphäre beschäftigen wir uns vor allem mit der Fernerkundung von Wasser- und Eiswolken sowie von Kondensstreifen und Aerosolen (auch Vulkanasche). Ziel ist es, die Lebenszyklusprozesse und den Einfluss von Wolken und Aerosolen auf Wetter, Klima und Chemie besser zu verstehen. Im Zusammenhang mit der Fernerkundung von Vulkanasche soll insbesondere ein Beitrag zu einem effizienten Flugverkehrsmanagement geliefert werden.

Oben: Höhe der Wolkenobergrenze, gesamte optische Dicke der Wolken und Effektivradius, mitte: Flussdichte reflektierter solarer Strahlung am Oberrand der Atmosphäre, RGB Bild und Flussdichte emittierter Strahlung im thermalen Infrarot am Oberrand der Atmosphäre, unten: optische Dicke von Eiswolken und Obergrenze der Eiswolk

Wolken

Hinsichtlich der Wolken existieren verschiedene Algorithmen, sowohl zur Erkennung von Eis- und Wasserwolken als auch zur Ableitung ihrer klimarelevanten, d. h. makroskopischen, mikrophysikalischen und optischen Parameter.

Zur Erkennung von Wolken werden die Kanäle im thermalen Infrarot des Instrumentes SEVIRI auf dem geostationären Satelliten Meteosat genutzt. Die Algorithmen MeCiDA-2, APICS und COCS liefern Wolkenmasken für 24 Stunden am Tag mit einer zeitlichen Auflösung von 15 Minuten und sind darauf abgestimmt die Messungen der gesamten von SEVIRI sichtbaren Erdscheibe zu verarbeiten. Die Erkennungsalgorithmen nutzen zum einen Schwellwerttechniken, welche sich auf spektrale Signaturen und morphologische Wolkenstrukturen stützen (MECIDA-2), zum anderen handelt es sich um Neuronale Netze, welche mit koinzidenten Messungen des CALIOP (Cloud-Aerosol Lidar with Orthogonal Polarization) Instrumentes auf dem Satelliten CALIPSO trainiert worden sind (Verfahren COCS).

Zusätzlich zur Fernerkundung natürlicher Wolken werden auch die durch den Flugverkehr induzierten Kondensstreifen und die sich daraus entwickelnden Kondensstreifenzirren untersucht. Insbesondere von Interesse ist die Unterscheidung von natürlichen und  anthropogen verursachten Eiswolken. Hierzu wurde eine Methode namens ACTA entwickelt, welche sich auf zwei Sensoren stützt: mit dem Instrument MODIS auf den Satelliten Terra und Aqua werden lineare Kondensstreifen im Anfangszustand erkannt, mit dem Instrument SEVIRI lassen sich diese anschließend zeitlich verfolgen bis sie ihre Linienstruktur verlieren.

Der Algorithmus APICS zur Ableitung von Wolkenparametern, wie z. B. der Wolkenhöhe, dem Effektivradius oder der optische Dicke, wurde mit Hilfe von Strahlungstransport-Vorwärtsrechnungen (look-up-tables) entwickelt. Ergänzend wurden diesbezüglich auch Neuronale Netze trainiert, z. B. zur Ermittlung der optische Dicke von Eiswolken (COCS).

Strahlung

Die Strahlung am Oberrand der Atmosphäre steht in direkter Wechselwirkung mit den sich zeitlich und räumlich stark verändernden Wolken. Zur Untersuchung des Einflusses kleinskaliger Wolkenstrukturen (z. B. Cumuli, Eiswolken, Kondensstreifen) auf die Flussdichten reflektierter solarer und thermisch emittierter Strahlung wurde ein auf SEVIRI Messungen basierendes Verfahren namens RRUMS entwickelt. Im solaren Spektralbereich stützt sich dieses auf ein Neuronales Netz, welches mit Hilfe von Ergebnissen umfangreicher Strahlungstransportsimulationen trainiert wurde. Im thermalen Infrarot wird eine Linearkombination der Helligkeitstemperaturen von verschiedenen SEVIRI-Kanälen verwendet. RRUMS weist mit 3×3 km2 im Sub-Satellitenpunkt eine deutlich bessere räumliche Auflösung als CERES (20 km) oder GERB (45 km) auf, die zeitliche Auflösung von 15 bzw. 5 Minuten (rapid scan mode) ist signifikant besser als die von CERES auf einem polarumlaufenden Satelliten.

Vulkanasche

Der Ausbruch des Vulkans Eyjafjallajökull im Jahr 2010 und der des Grimsvöttn im Jahr 2011 führten zu empfindlichen Einschränkungen des Flugverkehrs in Europa.

In diesem Zusammenhang wurde ein neuer auf SEVIRI Messungen basierender Vulkanasche-Erkennungsalgorithmus namens VADUGS entwickelt. VADUGS identifiziert mit Asche belastete sowie aschefreie Regionen. Der Algorithmus basiert ebenfalls auf der Methode eines Neuronalen Netzes, welches mit Helligkeitstemperaturen aus Strahlungstransportsimulationen trainiert wurde, denen ein umfangreicher Datensatz verschiedener atmosphärischer Bedingungen als Funktion der geografischer Breite und der Jahreszeit zugrunde liegt.

Hauptwerkzeuge zur passiven Fernerkundung:

  • Ein- und dreidimensionale Strahlungstransportmodelle: libRadtran (1-d), MYSTIC (3-d), MOM (1-d)
  • MeCiDA 2: Meteosat Cirrus Detection Algorithm 2
  • ACTA: Automatic Contrail Detection Algorithm
  • APICS: Algorithm for the Physical Investigation of Clouds with SEVIRI
  • COCS: CALIOP and SEVIRI algorithm during day and night
  • RRUMS: Rapid Retrieval of Upwelling irradiances from MSG/SEVIRI
  • VADUGS: Volcanic Ash Detection Using Geostationary Satellites

Eine Validierung der genannten Fernerkundungsverfahren erfolgt neben der Nutzung von Daten verschiedener Messkampagnen mit den Forschungsflugzeugen HALO und Falcon auch  mit simulierten Satellitenstrahldichten aus 1-d Strahlungstransportmodellen (libRadtran) oder aus dem 3-dimensionalen Modell MYSTIC. Den Simulationen liegen wiederum realitätsnahe Wolkenfelder, z. b.  aus dem Vorhersagemodell COSMO-EU oder COSMO-DE des DWD zugrunde.

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