3. August 2018
Internet-Webcams verbessern Solarprognosen

Mit öf­fent­lich zu­gäng­li­chen Ka­me­ras wol­len DLR-For­scher Strom­net­ze sta­bi­li­sie­ren

Kameras zur Wolkenbeobachtung
Ka­me­ras zur Wol­ken­be­ob­ach­tung
Bild 1/4, Credit: DLR.

Kameras zur Wolkenbeobachtung

Pas­cal Kuhn (r.) beim Auf­bau ei­ner pro­fes­sio­nel­len Wol­ken­ka­me­ra. In sei­nem ak­tu­el­len Pro­jekt greift er auf öf­fent­li­che Ka­me­ras zu­rück, die im In­ter­net in großen Men­gen und kos­ten­los ver­füg­bar sind.
Me­teo­ro­lo­gi­scher Schatz im In­ter­net
Bild 2/4, Credit: foto-webcam.eu.

Meteorologischer Schatz im Internet

Tau­sen­de Ka­me­ra­ein­stel­lun­gen wer­den kos­ten­los ins In­ter­net ge­stellt, wie bei­spiels­wei­se durch die Platt­form fo­to-web­cam.eu. Die­se zei­gen ei­nen Aus­schnitt von Him­mel und Er­de und ge­ben Auf­schluss über Be­wöl­kung, Schnee­be­de­ckung und an­de­res.
An­wen­dungs­be­reich: So­lar­kraft­wer­ke
Bild 3/4, Credit: DLR/Ernsting.

Anwendungsbereich: Solarkraftwerke

Vor­bei­zie­hen­de Wol­ken kön­nen Tei­le der So­lar­pro­duk­ti­on aus­fal­len las­sen. Mit Kuhns Tech­no­lo­gie sol­len die­se Schwan­kun­gen bei­spiels­wei­se für So­lar­turm­kraft­werk, wie es in Al­mería ei­nes gibt, noch ge­nau­er vor­her­ge­sagt wer­den.
Je grö­ßer die An­la­ge im Ver­gleich zum Netz…
Bild 4/4, Credit: DLR/Ernsting.

Je größer die Anlage im Vergleich zum Netz…

…de­sto schwe­rer ist es, trotz Schwan­kun­gen ei­nen sta­bi­len Be­trieb zu er­mög­li­chen. Kuhns Tech­no­lo­gie könn­te auch bei ei­ner in­tel­li­gen­te­ren Re­ge­lung des Strom­net­zes zwi­schen An­bie­tern und Ab­neh­mern hel­fen.
  • Minutengenaue Vorhersagen, wo wie viel Sonne scheint, helfen Betreibern von Solarkraftwerken und Stromnetzen, diese vorausschauend zu regeln.
  • Frei verfügbar zeigen Millionen Kameras im Internet live ihre Umwelt. Forscher des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) möchten aus ihnen in Echtzeit Wetterdaten bestimmen und damit Strahlungsprognosen verbessern.
  • Stromnetze können dadurch stabiler werden. Vor allem kleine Netze würden profitieren.
  • Schwerpunkt(e): Energie, Solarforschung, Digitalisierung, Big Data, Erdbeobachtung

Mit Schwankungen der Sonnenenergie umzugehen, ist eine der größten Herausforderungen auf dem Weg zu einer nachhaltigen Energieversorgung. Forscher des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) arbeiten an einer Technologie, die es ermöglichen soll, Energienetze mit hohem Solaranteil stabiler und effizienter zu betreiben. Die Idee der Wissenschaftler: Sind die Strahlungsprognosen genauer, also wann wie viel Sonne an einem Ort scheint, können die Betreiber von Stromnetzen und Solaranlagen früher reagieren. Kündigen sich beispielsweise in den kommenden drei Minuten Wolken und damit Leistungsabfälle an, könnten Reserveaggregate und -kraftwerke automatisch hochfahren und auf mehrere Sekunden genau einspringen.

Nicht immer genügen jedoch Wettersatelliten für solche genauen Kürzestfrist-Prognosen. Die europäischen Satelliten der Meteosat Second Generation beispielsweise aktualisieren im Bestfall in fünf-Minuten-Intervallen. In ihrer höchsten Auflösung entspricht ein Pixel etwa einem Quadratkilometer. Auch bewerten Satelliten Wettersituationen manchmal falsch: Schnee und Wolken beispielsweise können aus dem Weltall nahezu gleich aussehen. An solchen Stellen möchte ein DLR-Forscherteam um Pascal Kuhn die Satellitendaten mit zusätzlichen Informationen flankieren. "Das Internet hält einen wahren Datenschatz für die Meteorologie bereit", sagt Pascal Kuhn. "Die Menge der frei verfügbaren Kamerabilder steigt rasant an. Meteorologie-Netzwerke oder touristisch geprägte Regionen filmen mancherorts fast flächendeckend den Himmel und den Boden." Ein Algorithmus soll daraus relevante Daten ableiten und Fragen beantworten wie "Ist der Himmel bewölkt?", "Liegt Schnee?" oder "Bewegen sich die Wolken?".

So sollen Kürzest-Frist-Prognosen bei der Energiewende helfen

Verbesserte Strahlungsprognosen helfen, Stromproduktion und -verbrauch dynamischer zu regeln. Fällt die Leistung ab, können Reserve-Aggregate und Kraftwerke automatisch anlaufen und Ausfälle kompensieren. Werden Produktionsspitzen vorhergesagt, könnten Solarproduzenten ihre Produktion runterregeln oder flexible Verbraucher einspringen, wie Warmwasserspeicher, Kühlhäuser, ladende E-Autos oder Pumpspeicherkraftwerke. "Das Stromnetz würde dadurch intelligenter werden. Teilweise könnte auch der Bedarf an teuren Stromspeichern wie Akkus sinken", sagt Kuhn. "Da Vorhersagen deutlich günstiger sind als Stromspeicher, sind Innovationen in diesem Feld besonders wichtig."

Aus Testdatensätzen ermittelten die Forscher derzeit die relevanten Parameter, die aus den Kameras ausgewertet werden sollen und untersuchten Daten über einen längeren Zeitraum.

Um Millionen Fotos in Echtzeit auszuwerten, wollen die Forscher mit Kameraherstellern zusammenarbeiten

Die Forscher haben bereits eine erste Herausforderung gelöst. "Bei öffentlichen Kameras sind viele Parameter unbekannt, wie die Himmelsrichtung, in die sie zeigen. Wir haben jedoch gezeigt, dass robuste Algorithmen dennoch die relevanten Wetterdaten ableiten können", sagt Pascal Kuhn. In der Testphase arbeiten die Forscher mit Fotos der Plattform "fo­to-web­cam.eu". Darauf stellen Nutzer kostenlos hunderte Kameraeinstellungen vor allem aus dem Alpenraum ins Internet. Möglich wäre auch eine "Big-Data-Lösung":. "Moderne Überwachungskameras werden immer intelligenter, wir möchten deshalb namhafte Hersteller von Überwachungskameras für Kooperationen zu gewinnen. Wenn meteorologische Daten vor Ort in der Kamera bestimmt werden, müssen nicht viele Bilder, sondern nur kompakte Meta-Daten übertragen werden", so Kuhn.

Vor allem kleine Stromnetze auf Inseln oder in abgeschiedenen Regionen könnten profitieren

Vor allem für kleine Stromnetze, sogenannte Microgrids, mit hohem Solaranteil ist Kuhns Forschung wichtig. Microgrids finden sich beispielsweise auf Inseln und in abgeschiedenen Regionen. Da dort Schwankungen der Solarstromproduktion besonders stark ins Gewicht fallen, haben manche der Länder sogenannte Rampenbeschränkungen eingeführt. Die Abgabe durch Solarkraftwerke darf also nur um einen bestimmten Wert gegenüber der Vorminute schwanken. Auf Puerto Rico sind dies beispielsweise zehn Prozent. Wissen die Produzenten einige Minuten im Voraus von Wolken, können sie vorher ihre Abgabe drosseln oder Reserveaggregate hochfahren und die Vorgaben besser einhalten.

  • Das Projekt

    Die Idee von Pascal Kuhn wurde zusammen mit vier weiteren Projekten 2017 mit dem Innovationspreis des DLRs ausgezeichnet. Am Projekt arbeitet im Bereich der Kameras das DLR-Institut für Solarforschung in Almería. Die Integration der gewonnenen Daten in bestehende Satellitenvorhersagen geschieht am DLR-Institut für Vernetzte Energiesysteme in Oldenburg. Das Videomaterial für die Versuchsphase stellt die Internetplattform "Foto-webcam" zur Verfügung. Das Projekt läuft noch bis November 2019.

Kontakt
  • Denise Nüssle
    Pres­se­re­dak­ti­on
    Deut­sches Zen­trum für Luft- und Raum­fahrt (DLR)

    Kom­mu­ni­ka­ti­on und Pres­se
    Pfaffenwaldring 38-40
    70569 Stuttgart
    Kontaktieren
  • Florian Kammermeier
    Deut­sches Zen­trum für Luft- und Raum­fahrt (DLR)

    Po­li­tik­be­zie­hun­gen und Kom­mu­ni­ka­ti­on
    Telefon: +49 22 036013-805
    Linder Höhe
    51147 Köln
    Kontaktieren
  • Pascal Moritz Kuhn
    Deut­sches Zen­trum für Luft- und Raum­fahrt (DLR)
    In­sti­tut für So­lar­for­schung
    In­sti­tut für So­lar­for­schung
    Telefon: +49 22 036014-229

    Kontaktieren
Bilder zum Thema
Neueste Nachrichten

Hauptmenü