9. Mai 2022 | Nachhaltiger Schienenverkehr

Ausgedieselt? Studie zu emissionsfreien Antrieben für Rangierloks

  • DLR-Studie untersucht Einsatzpotenziale von Rangierloks mit emissionsfreien Antrieben.
  • Zu den untersuchten Dieselalternativen zählen Akku- und Wasserstoffantriebe, Verbrennungsmotoren für Wasserstoff und sogenannte Zwei-Kraft-Systeme.
  • Alternative Antriebe eignen sich vor allem für den reinen Rangierbetrieb. Bei Streckenfahrten mit schweren Zügen verringern hohe Dauerleistungen die Reichweite.
  • Schwerpunkte: Mobilität der Zukunft, Energie, Energiespeicher, Energieeffizienz, Wasserstoff, Klimawandel

In einer Studie hat das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) die Einsatzpotenziale von Rangierloks mit emissionsfreien Antrieben untersucht. Die Studie zeigt, welche klimafreundlichen Alternativen es zum Dieselantrieb gibt und wo sich diese am besten einsetzen lassen. Antriebe auf Basis von Akkus oder Brennstoffzellen eignen sich vor allem für den reinen Rangierbetrieb. Bei Fahrten mit schweren Zügen über längere Strecken stoßen die alternativen Technologien noch an ihre Grenzen.

Emissionsfreie Rangierloks und Dieselloks im Vergleich

Das DLR-Institut für Fahrzeugkonzepte hat dafür die Einsatzmöglichkeiten von emissionsfreien Rangierloks und Dieselloks verglichen. Die untersuchten Antriebstechnologien reichen von Akku- und Brennstoffzellenantrieben über Verbrennungsmotoren für Wasserstoff bis hin zu sogenannten Dual-Mode-Antrieben. Dies sind Elektrolokomotiven mit einem zweiten Antrieb, beispielsweise auf Basis von Brennstoffzellen oder Dieselmotoren. Auf elektrifizierten Strecken beziehen die Lokomotiven ihren Fahrstrom aus der Oberleitung. Auf Strecken ohne Oberleitung kommt der Zweitantrieb zum Einsatz.

Die Studie zeigt, Rangierloks mit Dieselantrieb lassen sich vielseitiger und länger einsetzen als Loks mit alternativen Antrieben. Dies liegt an der bisher größeren Reichweite der Dieselloks. Dieselkraftstoff hat eine höhere Energiedichte als Wasserstoff und Batterien. Dabei haben die DLR-Wissenschaftlerinnen und -Wissenschaftler zum einen technologische und betriebliche Anforderungen an die Fahrzeuge berücksichtigt, zum anderen die notwendige Tank- und Ladeinfrastruktur.

Elektrische Antriebe vor allem für Rangierbetrieb geeignet

„Rein elektrische Antriebe und Wasserstoffantriebe eignen sich aktuell vorwiegend für den Einsatz im reinen Rangierdienst, beispielsweise bei Werksbahnen. Kommen Streckenfahrten hinzu, erfordern vor allem schwere Güterzüge höhere Dauerleistungen. Dies schränkt die Reichweite ein“, erklärt Johannes Pagenkopf vom DLR-Institut für Fahrzeugkonzepte, Leiter der Studie.

Bei vergleichbarer Leistung und Reichweite sind emissionsfreie Antriebsysteme größer und schwerer als ein Dieselmotor mit Getriebe. Hinzu kommen zusätzliche Komponenten, wie beispielsweise Brennstoffzellen, Kühlanlagen oder Spannungswandler mit ausreichender Leistung. Andererseits sind der verfügbare Platz auf den Rangierloks und deren zulässiges Gewicht begrenzt. Die emissionsarmen Antriebe erfordern daher mehr Raum oder neue Konzepte im Lokomotivbau.

Rangierverkehr und Fahrdienste am Computer simuliert

„Mit Hilfe von Computersimulationen haben wir den Leistungs- und Energiebedarf der Rangierloks für unterschiedliche Einsatzszenarien berechnet. Damit konnten wir die alternativen Antriebssysteme auslegen. Dies umfasst die Energiespeicher und -wandler. Wie sich die Komponenten platz- und gewichtsparend auf den Lokomotiven anordnen lassen, haben wir ebenfalls berücksichtigt“, betont Pagenkopf. Dabei konnte das DLR-Team auf seine langjährigen Erfahrungen aus Entwicklungsprojekten für Schienenfahrzeuge zurückgreifen.

„Das Herausfordernde war, für die Simulationen realitätsnahe Eingabewerte zu finden. Das Nutzungsspektrum von Rangierloks ist sehr breit und anspruchsvoll. Es reicht vom leichten Rangiereinsatz bei Werksbahnen bis hin zu Übergabefahrten mit schweren Bau- und Güterzügen. Umfassende Statistiken dazu gibt es nicht“, erläutert Pagenkopf.

Umfrage liefert typische Einsatzszenarien

Daher haben die DLR-Wissenschaftlerinnen und -Wissenschaftler eine Umfrage unter Rangierlokbetreibern und Bahnunternehmen durchgeführt. Sie ermittelten Einsatzdauern, Laufleistungen, Anhängelasten sowie die nötigen Traktionsleistungen.

Daraus konnten sie drei charakteristische Einsatzprofile ableiten: Ein reiner Rangierdienst mit ständigem Richtungswechsel und kurzzeitig hohen Lastspitzen für die Antriebe. Als zweites ein gemischter Rangierverkehr mit einzelnen Fahrten im regionalen Güterverkehr. Beim dritten Szenario kommen leichte Zustellfahrten im Streckenverkehr hinzu.

Außerdem sind für die Betreiber kurze Tank- und Ladezeiten sowie eine hohe Verfügbarkeit und Ausfallsicherheit besonders wichtig.

Rangierlokomotiven im Schnitt über 40 Jahre alt

In Deutschland sind rund 2.800 Rangierlokomotiven unterwegs – fast alle mit Diesel. Die meisten davon sind recht betagt. Beispielsweise beträgt das Durchschnittsalter der Flotte von DB Cargo über 40 Jahre. Bei derart langen Nutzungsdauern sind klimafreundliche Antriebe besonders relevant, um CO2-Emissionen zu verringern.

Ein schneller Umstieg von Diesel auf emissionsfreie Antriebe ist bei Rangierloks in den nächsten zehn Jahren nicht zu erwarten, so die Studie. Steigende Kosten für Kraftstoffe und regulatorische Vorgaben könnten allerdings den Wechsel beschleunigen.

Trend zu Dieselhybrid

Aktuell zeichnet sich bei Rangierloks ein Trend zu Dieselhybriden ab. Diese besitzen einen Dieselgenerator und eine Batterie, die einen Elektromotor mit Strom versorgen.

Einige Elektro-Rangierloks mit zusätzlichem Akkumulator für Abschnitte ohne Oberleitung sind im europäischen Ausland bereits im Einsatz. In Deutschland sind in den nächsten Jahren ebenfalls Regeleinsätze solcher Loks geplant. Erste Rangierlokomotiven mit wasserstoffbasiertem Antrieb sind schon in der Testphase.

Das DLR-Institut für Fahrzeugkonzepte hat die Studie im Auftrag der NOW GmbH durchgeführt.

Kontakt

Dr. Jens Mende

Kommunikation Stuttgart und Ulm
Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)
Kommunikation
Pfaffenwaldring 38-40, 70569 Stuttgart
Tel: +49 711 6862-229

Johannes Pagenkopf

Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)
Institut für Fahrzeugkonzepte, Abteilung Fahrzeugsysteme und Technologiebewertung
Rutherfordstraße 2, 12489 Berlin-Adlershof