26. Mai 2015

Grundlagenforschung der Raumfahrtmedizin verbessert Patientenversorgung bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen

Pulmonale Hypertonie ist eine Erkrankung, die zum Anstieg von Gefäßwiderstand führt und somit die körperliche Leistungsfähigkeit der Betroffenen stark einschränkt, zu Müdigkeit und Kreislaufstörungen führt. Die Grundlagenforschung des Instituts für Luft- und Raumfahrtmedizin des Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) hat dazu beigetragen, dass nun eine neue Medikamentenlinie zur Behandlung von Lungenhochdruck und weiteren Krankheitsbildern entwickelt werden konnte: Mit Hilfe der Forschung am DLR-Institut für Luft- und Raumfahrtmedizin konnte in einer Zusammenarbeit mit Bayer zwischen 1994 und 2000 der molekulare Wirkmechanismus neuartiger Substanzen entschlüsselt werden, die im menschlichen Körper ähnlich wie Stickstoffmonoxid (NO) wirken. Bayer entwickelte mit diesen Erkenntnissen eine neue Medikamentenlinie. Als erster Wirkstoff wurde Riociguat (Adempas®) zugelassen und ist nun seit einem Jahr auf dem Markt.

Frühe Erkenntnisse

NO-freisetzende Medikamente haben eine gefäßerweiternde Wirkung. Im Sprengstoff Nitroglycerin ist dieser Wirkstoff auch enthalten, weswegen er zum Beispiel auch als Akutmedikation bei der Behandlung von Krankheiten wie Angina pectoris eingesetzt wird. In den 1970er Jahren wurde festgestellt, dass NO-freisetzende Substanzen unter anderem zu einer Aktivierung eines speziellen Enzyms, einer sogenannten löslichen Guanylat-Zyklase, führen. Bei Reinigung dieses Enzyms entdeckten Prof. Rupert Gerzer, heute Leiter des DLR-Instituts für Luft- und Raumfahrtmedizin, und Kollegen dann, dass das Enzym nur dann durch NO aktiviert werden kann, wenn das Enzym eine braune Farbe aufwies: Wie sie feststellten, entfaltet NO seine Hauptwirkungen über eine Häm-abhängige Aktivierung des Enzyms. Häme sind Komplexverbindungen, die beispielsweise als Hämoglobin wichtig für die Sauerstoffaufnahme im Körper sind. In den 1980er Jahren konnte geklärt werden, dass NO auch ein körpereigenes Wirkprinzip ist und eine Vielfalt wichtiger Funktionen steuert. Die US-Amerikaner Furchgott, Murad und Ignarro wurden für diese Forschung 1998 mit dem Nobelpreis für Medizin ausgezeichnet.

Entwicklung über mehrere Jahre

Wegen der kurzen Halbwertszeit von NO wurden in der Folge Substanzen gesucht, die stabiler sind als NO, aber auch das entsprechende Enzym stimulieren. Eine solche Substanz wurde erstmals von einer taiwanesischen Arbeitsgruppe beschrieben. Das war auch der Startpunkt der Zusammenarbeit zwischen Bayer und dem DLR-Institut für Luft- und Raumfahrtmedizin. Nun ging es darum, wie diese neuen Substanzen das Enzym aktivieren und ob es noch weitere Substanzklassen gibt, die ebenfalls zu einer Aktivierung führen und deshalb Kandidaten für neue Medikamente sind. Das DLR-Institut stellte dabei das Wissen über die Reindarstellung der Häm-enthaltenden löslichen Guanylat-Zyklase sowie ein „Baculovirus-Expressionssystem“ zur Verfügung, ein biologisches System, das gezielt und kontrolliert Proteinbiosynthesen betreibt. Gemeinsam mit Bayer charakterisierten sie zudem den Mechanismus der Aktivierung durch die neuen Substanzklassen.

Mittels „High-throughput-Screening“ konnten tatsächlich neue Substanzen identifiziert werden, die sich wiederum zwei unterschiedlichen Wirkgruppen zuordnen lassen. Eine der beiden Wirkgruppen bindet direkt an das Häm, die andere führt zu einer Häm-unabhängigen Aktivierung des Enzyms. Nachdem nun der genaue Aktivierungsmechanismus der neuentdeckten Substanzklassen geklärt war, begann die Entwicklung neuer Medikamentengenerationen, deren erster Vertreter die Substanz Riociguat ist, die jetzt seit einem Jahr sehr erfolgreich auf dem Markt ist. Weitere Anwendungen bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen und anderen Indikationen sowie weitere neue Medikamente aus dieser Produktlinie sind in der Planung. Zum Erfahrungsaustausch und den aktuellen Daten und Fakten zu Adempas fand am Dienstag, 26. Mai 2015, eine Pressekonferenz im :envihab in Köln statt.

Kontakt

Fiona Lenz

Politikbeziehungen und Kommunikation

Prof. Rupert Gerzer

Institut für Luft- und Raumfahrtmedizin, Institutsleitung