12. April 2018 | Mission Mars Express

Ismenia Patera - Einschlagskrater oder Supervulkan?

  • Der Krater Ismenia Patera ist 75 Kilometer breit und liegt am Übergang vom südlichen Hochland zum nördlichen Tiefland auf dem Mars.
  • Zukünftige Missionen, die den Marsuntergrund mit neuen Messmethoden untersuchen, wie beispielsweise die NASA-Mission Insight, können hier weitere Erkenntnisse liefern.
  • Schwerpunkt(e): Raumfahrt, Planetenforschung

Bilder der vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) betriebenen, hochauflösenden Stereokamera HRSC an Bord der ESA-Raumsonde Mars Express zeigen die kollabierte Senke Ismenia Patera. Zur Entstehung dieser geologischen Struktur gibt es zwei Hypothesen: Entweder handelt es sich um einen Einschlagskrater oder um die Caldera (Spanisch für Kessel) eines Supervulkans auf dem Mars.

Ismenia Patera (Latein: patera - flache Schale) befindet sich in der Region Arabia Terra, am Übergang vom südlichen Hochland zum nördlichen Tiefland auf dem Mars. Im Inneren des 75 Kilometer breiten Kraters sind Hügel und mehrere hundert Meter hohe Tafelberge ringförmig um das Zentrum angeordnet (Bilder 1, 4 und 5). Bei näherer Betrachtung lassen sich am Rand von Ismenia Patera an einigen Stellen in den Krater hineinverlaufende kleine Rinnen erkennen, die durch hineinrinnendes Wasser oder Eis entstanden sind (Bild 2). Der Boden des Kraters ist bedeckt von Ablagerungen, deren Oberflächen Spuren von ehemals "fließendem" Eis zeigen. Wahrscheinlich wurden diese Muster durch Blockgletscher erzeugt. Das sind Eisströme, auf deren Oberfläche viel Schutt und Geröll transportiert wird. Auf der Erde gibt es in alpinen und polaren Regionen vergleichbare Phänomene: Das Eis eines Gletschers ist dabei vollständig von Geröll bedeckt, das von den umliegenden Berghängen auf das Eis gerutscht ist. Diese Eis-Geröllmasse bewegt sich langsam hangabwärts und hinterlässt diese Fließstrukturen.

Auffällige Gruppen kleiner Einschlagskrater, zum Beispiel im Zentrum von Ismenia Patera, wurden vermutlich durch einen Meteoriteneinschlag in der näheren Umgebung verursacht, der größere Gesteinsbrocken in Richtung des Kraterzentrums schleuderte, die wieder kleine Krater erzeugten.

Zur Entstehung des Kraters gibt es unterschiedliche Ansichten: Nach einer Hypothese wurde er durch einen Meteoriteneinschlag gebildet und später mit Ablagerungen und zeitweise auch mit Eis gefüllt. Schließlich kollabierte die Krateroberfläche, weil das im Untergrund vorhandene Eis schmolz und das Wasser verdampfte, und hinterließ eine zerklüftete, hügelige Landschaft. Eine andere Hypothese besagt, dass Ismenia Patera eine vulkanische Caldera ist, also ein Vulkankrater, der nach einem großen Ausbruch über einer entleerten Magmakammer entstand. Vulkane, die mit einem einzigen Ausbruch eine riesige Menge von Material fördern, werden als Supervulkane bezeichnet. Abgesehen von Ismenia Patera gibt es in Arabia Terra mit Siloe Patera und Eden Patera zwei weitere Kandidaten für Supervulkane. Auf der Erde gelten vulkanische Strukturen wie die Phlegräischen Felder bei Neapel, das Yellowstone-Gebiet oder der Taupo-See in Neuseeland als Supervulkane - mit durchaus großem Gefahrenpotenzial. Auf dem Mars hingegen ist heutzutage nicht mehr mit Vulkanausbrüchen zu rechnen.

Unter Marswissenschaftlern wird die Theorie der Supervulkane und der Existenz einer alten Vulkanprovinz in Arabia Terra noch kontrovers diskutiert. Für die Vulkankratertheorie spricht, dass die "Paterae" unregelmäßig geformte Kollapsstrukturen mit niedrigem Relief sind, zum Teil ohne erkennbares Auswurfmaterial und ohne hochstehenden Kraterrand, wie es für Einschlagskrater typisch wäre. Andererseits kann solch eine unregelmäßige Form auch durch sich überlagernde oder anderweitig veränderte Einschlagskrater entstehen. Zukünftige Messmethoden zur Untersuchung des Marsuntergrunds, um beispielsweise Hinweise auf die Existenz von Magmakammern unterhalb der Paterae zu liefern, könnten hier aufschlussreich sein. Hierzu zählen seismische Experimente, wie sie die am 5. Mai startende Landesonde InSight der NASA mitführen wird, oder aber auch Radarexperimente aus der Umlaufbahn.

  • Bildverarbeitung

    Die Aufnahmen mit der HRSC (High Resolution Stereo Camera) entstanden am 1. Januar 2018 während Orbit 17.723 von Mars Express. Die Bildauflösung beträgt 17 Meter pro Bildpunkt (Pixel). Die Bildmitte liegt bei etwa 2 Grad östlicher Länge und 39 Grad nördlicher Breite. Die Farbaufsicht (Bild 1) wurde aus dem senkrecht auf die Marsoberfläche gerichteten Nadirkanal und den Farbkanälen der HRSC erstellt, die perspektivische Schrägansicht (Bild 2) wurde aus den Stereokanälen der HRSC berechnet. Das Anaglyphenbild (Bild 4), das bei Betrachtung mit einer Rot-Blau- oder Rot-Grün-Brille einen dreidimensionalen Eindruck der Landschaft vermittelt, wurde aus dem Nadirkanal und einem Stereokanal abgeleitet. Die in Regenbogenfarben kodierte Aufsicht (Bild 5) beruht auf einem digitalen Geländemodell (DTM) der Region, von dem sich die Topographie der Landschaft ableiten lässt. Der Referenzkörper für das HRSC-DTM ist eine Äquipotentialfläche des Mars (Areoid). Mitarbeiter der Fachrichtung Planetologie und Fernerkundung der Freien Universität Berlin erstellten die hier gezeigten Bildprodukte. Die systematische Prozessierung der Daten erfolgt am DLR-Institut für Planetenforschung in Berlin-Adlershof.

  • Das HRSC-Experiment auf Mars Express

    Die High Resolution Stereo Camera wurde am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) entwickelt und in Kooperation mit industriellen Partnern gebaut (EADS Astrium, Lewicki Microelectronic GmbH und Jena-Optronik GmbH). Das Wissenschaftsteam unter Leitung des Principal Investigators (PI) Prof. Dr. Ralf Jaumann besteht aus 51 Co-Investigatoren, die aus 35 Institutionen und 11 Nationen stammen. Die Kamera wird vom DLR-Institut für Planetenforschung in Berlin-Adlershof betrieben.

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Tel: +49 2203 601-1852

Prof. Dr. Ralf Jaumann

Freie Universität Berlin
Institut für Geologische Wissenschaften
Planetologie und Fernerkundung
Malteserstr. 74-100, 12249 Berlin

Dr. Daniela Tirsch

Principal Investigator HRSC
Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)
Institut für Planetenforschung
Rutherfordstraße 2, 12489 Berlin

Ulrich Köhler

Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)
Institut für Planetenforschung
Rutherfordstraße 2, 12489 Berlin