23. September 2025

Neue Studie zur Vorhersagbarkeit der mittleren Atmosphäre

Während sich das Wetter am Boden prinzipiell bis zu zwei Wochen im Voraus vorhersagen lässt, ist dieser Vorhersagezeitraum im höheren Schichten der Atmosphäre etwa nur halb so lang. Ursache sind kleinskalige Wellen, die Störungen rasch nach oben transportieren. Hoffnung gibt es dennoch: Großskalige Strömungen bleiben auch in höheren Schichten bis zu drei Wochen vorhersagbar – mit dem potentiellem Nutzen, atmosphärisch bedingte Störungen die zu Signalproblemen für satellitengestützte Navigations- und Kommunikationstechnologien führen frühzeitig vorhersagen zu können.

Vorhersagbarkeit der Strömung in der Mesosphäre und unteren Thermosphäre
Schematische Darstellung der wichtigsten Prozesse, die die Vorhersagbarkeit der Strömung in der Mesosphäre/unteren Thermosphäre (MLT) in Abhängigkeit von der Vorhersagezeit beeinflussen. Graue Pfeile zeigen die Ausbreitung von Störungen („Fehlern“) durch kleinskalige Wellen, während orangefarbene Pfeile die besser vorhersagbaren großskaligen Strömungskomponenten hervorheben, die zu vorhersagbaren Zirkulationen in der MLT für Vorhersagezeiträume von bis zu 10–20 Tagen führen.

Die Atmosphäre ist ein komplexes und chaotisches System – somit lässt sich die atmosphärische Zirkulation von Natur aus nicht beliebig lange vorhersagen. Für das Wetter in Bodennähe, also in der Troposphäre, ist schon relativ gut erforscht, wie weit in die Zukunft Prognosen reichen können: etwa zehn Tage bis zwei Wochen. Weitaus weniger weiß man hingegen, wie gut sich die höheren Atmosphärenschichten vorhersagen lassen.

Dabei werden gerade diese Schichten immer wichtiger: In den letzten Jahren wurde deutlich, dass die atmosphärische Zirkulation in höheren Schichten einen Einfluss auf die Ionosphäre haben können – eine Region, die elektrisch geladene Teilchen enthält. Störungen in dieser Region können zu Signalproblemen für moderne satellitengestützte Navigations- und Kommunikationstechnologien führen. Umso bedeutsamer ist es, solche Störungen rechtzeitig vorhersagen zu können. Man geht davon aus, dass Vorhersagen des atmosphärischen Zustands und von atmosphärischen Wellen, die sich aus der unteren Atmosphäre nach oben ausbreiten, auch die Prognose von ionosphärischen Störungen verbessern können. Bisher war jedoch kaum bekannt, wie lange die Atmosphäre in der für diese Prozesse relevanten Höhenregion – der Mesosphäre bis unteren Thermosphäre (MLT), etwa 50 bis 120 Kilometer über der Erde – vorhersagbar bleibt.

Eine neue Studie des Instituts für Physik der Atmosphäre zeigt nun, dass die Atmosphäre in diesen Schichten erheblich kürzer vorhersagbar bleibt als in Bodennähe. Kleine Ungenauigkeiten in den Anfangsbedingungen wachsen hier besonders schnell an. Deshalb sind Vorhersagen nur für etwa 5 bis 6 Tage möglich – also rund halb so lange wie in der Troposphäre. Der Grund dafür liegt in kleinskaligen atmosphärischen Wellen, die sich von der Erdoberfläche bis in große Höhen ausbreiten, und dabei stark in ihrer Amplitude anwachsen. Sie können Störungen innerhalb weniger Stunden nach oben transportieren. Für Vorhersagemodelle bedeutet das: Nur wenn diese Wellen korrekt berücksichtigt werden, sind realistische Abschätzungen der Vorhersagbarkeit möglich.

Allerdings gibt es trotz der kurzen Vorhersagbarkeit von kleinskaligen Störungen Hoffnung für eine „Wettervorhersage“ in höheren Atmosphärenschichten: Auf größeren Skalen – also atmosphärische Zirkulationssysteme, die sich über mehrere Tausend Kilometer erstrecken – bleibt die Atmosphäre auch in 60 bis 100 km Höhe länger vorhersagbar. Solche großräumigen Strömungen lassen sich bis zu drei Wochen vorhersagen. Damit eröffnet sich die Möglichkeit, den Einfluss atmosphärischer Wellen auf ionosphärische Störungen potentiell einige Wochen im Voraus vorhersagen zu können.

Referenz

EOS Editor Highlight: https://eos.org/editor-highlights/quantifying-predictability-of-the-middle-atmosphere

Garny, H. (2025). Intrinsic predictability from the troposphere to the mesosphere/lower thermosphere (MLT). Journal of Geophysical Research: Atmospheres, 130, e2025JD043363. https://doi.org/10.1029/2025JD043363