31. Januar 2025 | Studie im Projekt Hi-Drive

Sichere Interaktion zwischen Fußgängerinnen, Fußgängern und automatisierten Fahrzeugen – DLR erforscht neue Kommunikationsstrategien

  • DLR erforschte mithilfe virtueller Realität Interaktionen von Menschen zu Fuß mit automatisierten Fahrzeugen unterschiedlicher Größe.
  • Dynamische Lichtsignale mittels externer Mensch-Maschine-Schnittstellen fördern Vertrauen und Sicherheit, während große Fahrzeuge als bedrohlicher empfunden werden.
  • Schwerpunkte: Automatisierung, Mensch-Maschine-Kommunikation, Verkehrssicherheit

Automatisierte Fahrzeuge sind keine Zukunftsvision mehr – sie stehen kurz davor, ein alltäglicher Bestandteil unseres Straßenverkehrs zu werden. Doch wie kommunizieren diese Fahrzeuge mit zu Fuß Gehenden, wenn keine Fahrerin oder kein Fahrer mehr hinter dem Steuer sitzt? Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) hat im Frühjahr 2023 dazu eine Studie durchgeführt, die sich mit dem Zusammenspiel von Fahrzeuggröße, Lichtsignalen mittels externer Mensch-Maschine-Schnittstellen (external human-machine interfaces oder kurz eHMIs) und der Fahrzeugkinematik und dem Einfluss auf das Erleben und Verhalten von Menschen zu Fuß beschäftigt. Dabei wurde unter anderem untersucht, wie sich die objektive sowie die subjektiv empfundene Sicherheit von zu Fuß Gehenden bei unterschiedlichen Voraussetzungen verändert.

Wie kommunizieren Fahrzeuge ohne Fahrer oder Fahrerin?

Wenn ein Auto ohne Fahrerin oder Fahrer unterwegs ist, fällt die übliche nonverbale Kommunikation weg. Beispielsweise ein kurzer Blickkontakt oder ein Nicken, das signalisiert: „Sie können gehen.“ Hier kommen die eHMIs ins Spiel, die mittels von Lichtsignalen kommunizieren, zum Beispiel den Automationszustand. Diese sollen zu Fuß Gehenden anzeigen, dass es sich bei dem Fahrzeug um ein automatisiertes Fahrzeug handelt oder etwa die Intention des Fahrzeugs anzuhalten. Die DLR-Studie hat untersucht, wie solche eHMIs gestaltet sein müssen, um Vertrauen und Sicherheit zu fördern – insbesondere bei Fahrzeugen unterschiedlicher Größe, vom Kleinwagen bis zum Bus.

Virtuelle Realität: Ein Test unter realistischen Bedingungen

In einem virtuellen Verkehrsszenario konnten Probandinnen und Probanden in einer immersiven Umgebung ausprobieren, wie sie mit automatisierten Fahrzeugen interagieren. Hierfür wurden VR-Brillen eingesetzt, die die Teilnehmenden in die Versuchsumgebung (siehe Bild 1) eintauchen ließen. Ziel des Versuches war es nun, zu erfahren, wie die Teilnehmenden in der Situation auf unterschiedliche Gegebenheiten reagierten (wann sie sich für eine Überquerung der Straße entschieden) und wie sicher sie sich jeweils fühlten. Sie standen dabei vor der Aufgabe, zu entscheiden, wann sie sicher die Straße in Richtung ihres Ziels „U-Bahn-Haltestelle“ überqueren können, wenn von links ein automatisiertes Fahrzeug mit unterschiedlichen Voraussetzungen angefahren kommt. Anhand eines Handcontrollers gaben die Probanden und Probandinnen an, wann sie die Straße überqueren würden.

Bild 1: Vogelperspektive der Versuchsumgebung (Probandinnen und Probanden sahen die Situation aus der egozentrischen Perspektive).

Als Fahrzeuge wurden Kleinwagen und Busse eingesetzt, die verschiedene Lichtsignale (eHMI) zeigten, wenn sie abbremsten:

Statisches eHMI: Ein dauerhaft leuchtendes Lichtband, das unterhalb der Windschutzscheibe angebracht war. Das leuchtende Lichtband signalisierte, dass sich das Fahrzeug im automatisierten Zustand befindet (siehe Bild 2).
Dynamisches eHMI: Ein pulsierendes Licht, das die Absicht des Fahrzeugs verdeutlicht, Vorfahrt zu gewähren.
Kein Signal: Das Fahrzeug kommuniziert nur durch sein Fahrverhalten.

Bild 2: Lichtsignale an den Fahrzeugen im Versuch.

Was hat die Studie gezeigt?

Die Ergebnisse sind eindeutig:

  1. Dynamische eHMIs fördern Vertrauen und Sicherheit
    Wenn Fahrzeuge mit pulsierenden Lichtsignalen ihre Absichten kommunizieren, fühlen sich zu Fuß Gehende sicherer und beginnen früher mit dem Überqueren der Straße. Dies gilt für beide Fahrzeuggrößen.
  2. Größere Fahrzeuge wirken bedrohlicher
    Busse wurden als gefährlicher empfunden. Zu Fuß Gehende zeigten bei großen Fahrzeugen mit statischem eHMI ein höheres Vertrauen als ohne eHMI, während sie bei PKWs ein höheres Vertrauen empfanden ohne eHMI im Vergleich zu einem statischem eHMI.
  3. Mismatch führt zu Unsicherheit
    Wenn ein Fahrzeug beispielsweise anzeigt, dass es anhalten wird, aber weiterfährt, fühlen sich zu Fuß Gehende verunsichert. Dieses Missverhältnis wurde besonders negativ bewertet.

Warum sind die Ergebnisse wichtig?

Die Einführung von hochautomatisierten Fahrzeugen erfordert klare und verständliche Kommunikationsmethoden. Gerade in Städten, wo Fußgängerinnen und Fußgänger täglich mit automatisierten Fahrzeugen interagieren werden, sind Lösungen wie dynamische eHMIs und die Abstimmung mit der Fahrzeugkinematik entscheidend für eine sichere und effiziente Verkehrsumgebung und dabei abhängig von deren Größe.

Was kommt als Nächstes?

Die Ergebnisse der VR-Studie liefern wichtige Erkenntnisse für die iterative Entwicklung von Interaktionskonzepten für automatisierter Fahrzeuge. Auf Basis dieser Ergebnisse plant das DLR, eHMIs in komplexeren, realitätsnahen Szenarien mit mehreren Verkehrsteilnehmenden und automatisierten Fahrzeugen zu untersuchen.

Ziel ist es, die Sicherheit und das Vertrauen in automatisierte Fahrzeuge durch Realfahrzeugstudien mit DLR Forschungsfahrzeugen und eigenen eHMI Prototypen weiter zu untersuchen und so den Weg für eine sichere, gemeinsame Mobilität der Zukunft zu ebnen.

Kontakt

Sten Ruppe

Kommissarischer Abteilungsleiter
Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)
Institut für Verkehrssystemtechnik
Kooperative Systeme
Rutherfordstr. 2, 12489 Berlin