2. Februar 2017 | Mission Mars Express

Der Nordpol des Mars als Klimaarchiv

  • Aus 32 Aufnahmen der HRSC-Kamera wurde ein Farbmosaik zusammengesetzt, das die gesamte Nordpoleiskappe des Mars zeigt.
  • Die Nordpolkappe besteht aus einem Gemisch aus Wassereis und Kohlendioxid-Eis; in das Kohlendioxid-Eis wurde durch die Marswinde auch Staub eingebracht, wodurch die spektakulären Farbwechsel zu erklären sind.
  • Die große Schlucht "Chasma Boreale" am Nordpol ermöglicht die Untersuchung der verschiedenen Schichten der Eiskappe und damit die Erforschung des Marsklimas.

Anfang 2017 ist es Winter in der Nordhemisphäre des Mars. Ein neu erstelltes Farbmosaik zeigt das ungewöhnliche, fast perfekt symmetrische Muster der elfhundert Kilometer durchmessenden Nordpoleiskappe des Mars. Die Untersuchung der Nordpolkappe soll dazu beitragen, mehr über die Entwicklung des Klimas unseres Nachbarplaneten zu erfahren. Das Farbmosaik besteht aus 32 Aufnahmestreifen, die bei ebenso vielen Überflügen der ESA-Raumsonde Mars Express mit der High Resolution Stereo Camera (HRSC) aufgenommen wurden. Das HRSC-Kameraexperiment wird seit nunmehr 13 Jahren vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) betrieben.

Die Nordpolkappe besteht aus einem Gemisch aus Wassereis und Eis aus Kohlendioxid, dem Hauptbestandteil der Marsatmosphäre. In das Kohlendioxid-Eis wurde durch die Marswinde auch Staub eingebracht, wodurch die spektakulären Farbwechsel zu erklären sind. Die Eiskappe bedeckt permanent eine Fläche von etwa einer Million Quadratkilometern und dehnt sich vom Nordpol nach Süden bis zum 80. Breitengrad aus. Damit ist sie etwa ein Viertel so groß wie die Sommereiskappe am Nordpol der Erde. Entdeckt wurde die markante Eiskappe des Mars 1672 vom holländischen Astronomen Christiaan Huygens. Bereits 1681 beobachtete Friedrich Wilhelm Herschel, dass sich beide Polkappen im Laufe der Mars-Jahreszeiten verändern.

Bei Temperaturen von unter minus 125 Grad "schneit" es Trockeneis

Das Volumen der Nordpoleiskappe wird auf 1,2 Millionen Kubikkilometer geschätzt. Das ist ungefähr die Hälfte der Masse der Grönlandeiskappe der Erde. Im Schnitt ist die Eiskappe etwa zwei Kilometer mächtig. Im Marswinter, der wegen der zweijährigen Umlaufzeit des Planeten doppelt so lange dauert wie auf der Erde und wegen der schräg stehenden Drehachse mit einer langen Polarnacht einhergeht, fallen die Temperaturen auf Werte von unter minus 125 Grad Celsius.

Dabei kondensiert ein beträchtlicher Teil aus der dünnen Marsatmosphäre des Kohlendioxids zu Eis (Schätzungen gehen von bis zu einem Drittel aus), kristallisiert in der Atmosphäre und rieselt dann auf die Oberfläche. Dadurch wächst die Wintereiskappe bis zum 68. Breitengrad an. Die zusätzliche Eisdecke ist allerdings nur einen oder zwei Meter dick. Beim Einsetzen des Frühlings sublimiert sie rasch - geht also vom festen direkt in den gasförmigen Zustand über. Durch die großen Temperaturunterschiede zwischen polaren und gemäßigten Breiten entwickeln sich auf dem Mars Stürme mit Geschwindigkeiten von bis zu 400 Kilometern pro Stunde.

Schluchten am Nordpol ermöglichen Untersuchung der Klimageschichte

Zu den charakteristischen Merkmalen der Nordpolkappe gehören dunkle Furchen, die sich spiralförmig entgegen des Uhrzeigersinns vom Polzentrum nach außen winden. Chasma Boreale, die "nördliche Schlucht", ist ein besonders auffälliger, bis zu zwei Kilometer tiefer Einschnitt bei zirka 300 Grad Ost, mit einer Länge von 500 Kilometern und einer Breite von bis zu 100 Kilometern. An den steilen Abhängen sind Schichtungen zu sehen, die, ähnlich Baumringen, den jahreszeitlichen Wechsel von Eisablagerung und Staubbedeckung durch die Marsstürme widerspiegeln. Von der Untersuchung dieser Schichtprofile erhoffen sich die Wissenschaftler Aufschlüsse über die Entwicklung des Marsklimas. Warum Chasma Boreale von den Kräften der Erosion gerade an dieser Stelle in die Eiskappe des Nordpols eingeschnitten wurde, ist nicht klar. Möglicherweise sind vorherrschende Windrichtungen die Ursache oder die Schlucht ist durch ein gigantisches Ausflussereignis eines Sees unterhalb der Eiskappe entstanden.

Die dreidimensionale Struktur der gesamten Nordpoleiskappe wurde unter anderem mit dem MARSIS-Radarexperiment auf Mars Express sowie mit dem SHARAD-Radar auf dem Mars Reconnaissance Orbiter der NASA untersucht. Sie haben gezeigt, dass die gesamte Eiskappe aus vielen einzelnen Eis- und Staublagen aufgebaut ist. Die geschichteten Nordpolablagerungen bilden ein wertvolles Archiv für das Marsklima der letzten Millionen Jahre. Einige Radardaten legen nahe, dass die spiralförmigen Einschnitte und Furchen durch Windtransport von Staub, der hier abgelagert wurde, geschaffen wurden.

  • Bildverarbeitung

    Das Mosaik wurde aus 32 einzelnen Orbitstreifen zusammengesetzt (1154, 1177, 1219, 1291, 1394, 1745, 3663, 3681, 3685, 3695, 5483, 5775, 5784, 5796, 5808, 5810, 5818, 5824, 5827, 5838, 5853, 5864, 5867, 5900, 5904, 5963, 6007, 6229, 8042, 8080, 8153, 8160). Der Bildausschnitt liegt bei 0 Grad bis 360 Grad östlicher Länge und etwa 78 Grad bis 90 Grad nördlicher Breite. Das Farbmosaik wurde aus den senkrecht auf die Marsoberfläche gerichteten Nadirkanälen und den Farbkanälen der HRSC erstellt. Die perspektivischen Schrägansichten wurde mithilfe von Höhendaten des Mars Orbiter Laser Altimeter (MOLA) Experiments an Bord der NASA-Raumsonde Mars Global Surveyor berechnet. Die Kontextkarte wurde in stereographischer Projektion erstellt und verwendet eine Marskugel als Referenzkörper für die Höhenwerte.

  • Das HRSC-Experiment auf Mars Express

    Die High Resolution Stereo Camera wurde am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) entwickelt und in Kooperation mit industriellen Partnern gebaut (EADS Astrium, Lewicki Microelectronic GmbH und Jena-Optronik GmbH). Das Wissenschaftsteam unter Leitung des Principal Investigators (PI) Prof. Dr. Ralf Jaumann besteht aus 51 Co-Investigatoren, die aus 34 Institutionen und 11 Nationen stammen. Die Kamera wird vom DLR-Institut für Planetenforschung in Berlin-Adlershof betrieben. Seit 2004 liefert die Kamera hochauflösende Bilder von dem Roten Planeten.

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Freie Universität Berlin
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Planetologie und Fernerkundung
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Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)
Institut für Planetenforschung
Rutherfordstraße 2, 12489 Berlin