25. Juni 2020

Herzlichen Glückwunsch, TanDEM-X! 10 Jahre 3D-Kartierung aus dem All

  • Mit seinem „Stereoblick“ ermöglicht das Duo der Radarsatelliten TerraSAR-X und TanDEM-X die Erstellung eines hochgenauen globalen Höhenmodells der gesamten Landmasse der Erde.
  • TanDEM-X ist eine einzigartige Plattform, um gezielt Veränderungen der Erdoberfläche mit Hilfe wiederholter Aufnahmen zu untersuchen. So wird beispielsweise das weltweit Abschmelzen von Gletschereismassen sichtbar und messbar.
  • Neben dem Monitoring von Eisschilden und Permafrost-Gebieten können großflächige Waldflächen kartiert werden, speziell zur Verfolgung von Rodungen. Außerdem erlaubt die Mission TanDEM-X die Beobachtung von urbanen Siedlungsgebieten und ihren Veränderungen.
  • Schwerpunkte: Raumfahrt, Erdbeobachtung, globaler Wandel, Umweltmonitoring

Vor zehn Jahren, am 21. Juni 2010, begann eine neue Ära in der Radarfernerkundung: Der Radarsatellit TanDEM-X wurde gestartet. Seitdem umkreist er im engen Formationsflug mit seinem drei Jahre älteren „Zwillingsbruder“ TerraSAR-X die Erde. Der Abstand zwischen den Satelliten variiert zwischen mehreren Kilometern und zeitweise nur 120 Metern. Das ermöglicht den Radarsensoren eine 3D-Sicht auf die Erde. Physikalisch korrekt spricht man von einem bistatischen Interferometer im All, das es erlaubt die Geländestruktur mit nur einem Überflug dreidimensional zu erfassen – eine in dieser Realisierung bislang weltweit einmalige Weltraummission.

Das primäre Missionsziel, die Erstellung eines hochgenauen globalen Höhenmodells der gesamten Landmasse der Erde wurde mit der Fertigstellung des sogenannten TanDEM-X-DEM (Digital Elevation Model) bereits Mitte 2016 erreicht. Das digitale Höhenmodell liefert präzise topographische Informationen und setzt durch seine hohe Genauigkeit und globale Homogenität einen neuen Standard. Das DEM-Produkt liegt in drei verschiedenen Auflösungsvarianten vor. Je nach Qualitätsanforderung wurden Höhenmesswerte für ein Raster von 12, 30 oder 90 Metern berechnet. Dabei ist der absolute Höhenfehler, die Ungenauigkeit einer Messung, von nur 1,3 Metern außerordentlich klein und übertrifft die ursprüngliche Anforderung von zehn Metern bei weitem.

Alle Höhendaten sind für die Wissenschaft im Rahmen eines Antragsverfahrens über das DLR zugänglich und werden von mehr als 4000 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus 97 Ländern genutzt. Der Schwerpunkt des wissenschaftlichen Interesses liegt naturgemäß bei den Erdwissenschaften wie der Geologie, Glaziologie, Ozeanografie oder Hydrologie. Aber auch Anwendungen zur Beobachtung von Vegetation, für den Umweltschutz, zur Landnutzung, Städte- und Infrastrukturplanung, Kartografie und für das Krisenmanagement greifen auf die umfangreichen Datensätze zu und werten sie nach ihren Bedürfnissen aus.  

Die Höhendaten der 90 Meter-Produktvariante sind für wissenschaftliche Zwecke frei verfügbar und können nach einfacher Registrierung ohne Antragsverfahren im heruntergeladen werden.

TanDEM-bietet außerdem die einzigartige Möglichkeit, Veränderungen der Erdoberfläche gezielt zu untersuchen. Dafür werden wiederholt Aufnahmen desselben Gebiets erstellt, die beispielsweise das Abschmelzen der Eismassen an den Polkappen sowie der Gletscher weltweit sichtbar und messbar machen.

Die interferometrischen Aufnahmen ermöglichen nicht nur die Erzeugung von hochgenauen Höhenmodellen, sondern enthalten auch Informationen, die eine detaillierte Unterscheidung von bewaldeten und freien Flächen erlauben. So entstand die globale TanDEM-X-Waldkarte. Wiederholte Aufnahmen können zur Überwachung des Regenwalds genutzt werden.

Die Beispiele zur Gletscherschmelze und Abholzung (Bilder 3, 4 und 5) zeigen, wie gut sich dynamische Veränderungen in unterschiedlichen Sphären der Erdoberfläche mit den Radarsatelliten TerraSAR-X und TanDEM-X beobachten lassen.

Ein interessantes Beispiel für die Veränderung der Topographie ist in der Gegend der Ölsandmine Aurora North Mine im kanadischen Alberta zwischen 2012 und 2016 zu sehen (Bild 6). Die Vergrößerung des Abbaugebiets um mehrere Hektar (grünes Gebiet in der Mitte) sowie der Abraumhalden (bräunliche Struktur unten rechts) ist ein Maß für die Produktivität der Mine – und der Veränderung der Umwelt.

Nach Abschluss der Aufnahmen für das globale Höhenmodell im Jahr 2016 wurde deshalb mit Aufnahmen für eine globale 3D-Veränderungskarte begonnen, die in Kürze abgeschlossen sind. Mit einer Höhengenauigkeit im Meterbereich wird 2022 die neue, globale 3D-Veränderungskarte nach einer aufwendigen, hochkomplexen Datenverarbeitung und Kalibrierung für wissenschaftliche und kommerzielle Anwendungen zur Verfügung stehen.

TanDEM-X und TerraSAR-X haben ihre erwartete Lebensdauer von den ursprünglich geplanten fünfeinhalb Jahren mittlerweile um mehr als das Doppelte überschritten. Beide Satelliten sind weiterhin voll funktionsfähig und haben noch Treibstoff für mehrere Jahre Betrieb im Orbit.

Künftig konzentriert sich die weitere Aufnahmeplanung auf das Monitoring von Eisschilden und Permafrost-Gebieten, großflächige Waldaufnahmen, speziell zur Verfolgung von Abholzung, sowie auf die Beobachtung von weltweit 2000 Städten zur fortlaufenden Kartierung urbaner Siedlungsgebiete.

Wie geht es weiter nach TanDEM-X?

Die einzigartigen Möglichkeiten der bistatischen Interferometrie mit Radarsensoren konnten mit TanDEM-X beeindruckend demonstriert werden. Der künftige Missionsvorschlag High Resolution Wide Swath, kurz HRWS, basiert auf vier Satelliten: einem Hauptsatelliten, der Radarsignale sendet und empfängt, sowie drei kleinen Begleitsatelliten, die nur die von der Erde reflektierten Signale empfangen. Diese Art des Formationsflugs bietet durch die unterschiedlichen Abstände zwischen den Satelliten unterschiedliche perspektivische Sichten auf die Erde und ermöglicht damit gleichzeitige Höhenmessungen mit unterschiedlicher Genauigkeit. Die Erzeugung der Höhenmodelle wird durch die Kombination der Messungen erheblich erleichtert und beschleunigt, sodass digitale Geländemodelle von jeder Region der Erde auf Anforderung nach kurzer Wartezeit geliefert werden können.

Als Nachfolgemission zu TanDEM-X hat das DLR in den letzten Jahren die bistatische L-Band-Mission Tandem-L entworfen, die in der Lage ist, die Landmasse der Erde im Wochenrhythmus abzubilden. Neben innovativer, hochleistungsfähiger Abbildungstechnik spielen hier die unterschiedlichen Wellenlängen der gesendeten Radarsignale eine entscheidende Rolle: Während die von TanDEM-X im sogenannten X-Band erzeugten Radarwellen mit einer Wellenlänge von etwa drei Zentimetern im Wesentlichen an der Oberfläche von Vegetation reflektiert werden, durchdringen L-Band-Signale mit etwa 25 Zentimetern Wellenlänge das gesamte Vegetationsvolumen bis zum darunterliegenden festen Boden.

Ein bistatisches L-Band-System ermöglicht damit eine tomographische Erfassung von Waldgebieten und die Abbildung der 3D-Struktur als Voraussetzung für eine präzise Bestimmung der globalen Biomasse und ihrer Veränderung, eine zentrale und bisher nur unzureichend bekannte Größe im Kohlenstoffkreislauf. Die Mission wird neue Maßstäbe in der Erdbeobachtung setzen, den globalen Wandel mit einer neuen Qualität beobachten und wichtige Handlungsempfehlungen ermöglichen.

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Institut für Hochfrequenztechnik und Radarsysteme
Satelliten-SAR-Systeme
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