18. Oktober 2022 | Mission Mars Express

Be­ein­dru­cken­des Ren­dez­vous von Mon­den im Son­nen­sys­tem

Be­ein­dru­cken­des Ren­dez­vous von Mon­den im Son­nen­sys­tem
Mars mit seinen beiden Monden Deimos (oben) und Phobos (unten)
Mars mit seinen beiden Monden Deimos (oben) und Phobos (unten)
Credit:

NASA/JAPL-Caltech/MSSS/University of Arizona/Montage: DLR

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  • Am 14. Februar 2022 schob sich der kleinere der beiden Marsmonde Deimos vor Jupiter und seine vier Galileischen Monde.
  • Am 30. März verdeckte der größere Marsmond Phobos dann Deimos.
  • Bilder des europäischen HRSC-Kamerasystems zeigen diese interessanten Konstellationen.
  • Schwerpunkte: Raumfahrt, Exploration des Sonnensystems, Mars, DLR-Stereokamera

Europas seit Januar 2004 erfolgreiche Marskamera HRSC auf dem Orbiter Mars Express hat nicht nur einen Blick für den ‚Roten Planeten‘, sondern beobachtet auch regelmäßig die beiden Marsmonde Phobos und Deimos sowie andere Körper unseres Sonnensystems, wenn sich interessante Konstellationen ergeben.

Am 14. Februar 2022 war eine dieser Gelegenheiten: Der kleinere der beiden Marsmonde, Deimos, schob sich – von der Mars Express-Sonde aus gesehen – vor Jupiter und seine vier Galileischen Monde. In der Animation sieht man, wie Deimos zuerst Europa und Ganymed, dann Jupiter, und zuletzt Io und Callisto verdeckt. Sie wurde aus 80 Bildern erstellt, die mit dem 985-mm-Teleobjektiv SRC (Super Resolution Channel) der High Resolution Stereo Kamera (HRSC) aufgenommen wurden.

Video: Bedeckung von Jupiter durch Deimos
Bedeckung des Jupiters und der Galileischen Monde – Io, Europa, Ganymed und Callisto – durch Deimos, aufgenommen in Orbit 22,859 am 14. Februar 2022. Die Entfernung von Mars Express zu Deimos beträgt 17.300 km, zu Jupiter 754 Millionen Kilometer.
Credit:

ESA/DLR/FU Berlin – CC BY-SA 3.0 IGO, K.-D. Matz

Eine solche Beobachtung ist sehr selten möglich, da sich Deimos dafür genau in der Bahnebene der Jupitermonde befinden muss. Ein wenig erleichtert wird das Zustandekommen der Konstellation durch den Umstand, dass beide Monde den Mars in der Äquatorebene des Planeten – und damit auch immer mal wieder in der Bahnebene des Jupiters und seiner Monde – umkreisen. Das ist vermutlich kein Zufall und ist ein wichtiges Kriterium bei der Beantwortung der Frage, welchen Ursprung die beiden Marsmonde haben. Seit Jahrzehnten wird diskutiert: Handelt es sich bei Phobos und Deimos um „eingefangene“ Asteroiden, wie ihre dunkle Oberfläche suggeriert – dann wären die beiden Umlaufbahnen in der Äquatorebene ein erstaunlicher Zufall. Handelt es sich aber um Felsbrocken, die aus dem Mars bei einem Einschlag herausgerissen wurden, wären diese Bahnen sehr viel wahrscheinlicher. Gegen diese Theorie spräche wiederum das extrem dunkle Material von Phobos und Deimos. Die japanisch-französisch-deutsche Mission MMX (Martian Moons eXploration) soll diese Frage ab 2025 beantworten.

Bahndaten der Marsmonde werden immer präziser

Die vier größten Monde des Jupiters sind in der Animation nur als kleine weiße Punkte zu erkennen. Ihr Abstand zur Kamera beträgt immerhin 745 Millionen Kilometer – das sind fünf astronomische Einheiten beziehungsweise der fünffache Abstand zwischen Erde und Sonne. Durch den Helligkeitsunterschied zu Deimos wären die Monde neben dem extrem hellen Jupiter auf den Bildern gar nicht zu erkennen gewesen, hätte man diese Bilder an den Positionen der Monde nicht separat kontrastverstärkt. Die Vertikalbewegungen von Deimos sind Schwankungen von Mars Express geschuldet: es handelt sich um Rotationsbewegungen des Satelliten in Richtung der zu beobachtenden Ziele durch das Nachpendeln seiner Solarzellen mit zwölf Metern Spannweite sowie der sieben und zwanzig Meter langen Radarantennen.

Solche Aufnahmen dienen einem wichtigen wissenschaftlichen Zweck: der genauen Bestimmung der Umlaufbahnen der Marsmonde. Durch die Gezeitenkräfte des Mars verändern sich deren Umlaufbahnen ständig. Phobos, gegenwärtig 6.000 Kilometer von der Marsoberfläche entfernt, bewegt sich in einer Spirale auf den Mars zu und wird ihm in 30.000 bis 40.000 Jahren so nahe kommen, dass er von Gezeitenkräften bei Erreichen des „Roche-Limits“ so starken Spannungen ausgesetzt sein wird, dass es den Mond zerreißen wird, er dabei zerbröselt und vielleicht einen Ring um den Marsäquator bilden wird.

Deimos‘ Umlaufbahn befindet sich 20.000 Kilometer über dem Marsäquator, wird jedoch immer größer, sodass der Mond dem Planeten verlorengehen wird. Eine ständige Neuberechnung der Bahnen beider Monde ist daher essenziell. Da man die Position von Jupiter und seinen Monden sehr genau kennt, kann man sie in diesen Bildern als Referenzkörper zur Lagebestimmung von Deimos nutzen. Hunderte von Aufnahmen der HRSC in den Jahren seit 2004 haben wesentlich dazu beigetragen, die Ephemeriden, also die Bahnen beider Planeten und ihrer Veränderung, als Funktion der Zeit zu berechnen.

Endlich Klarheit? Marsmonde-Mission MMX startet 2024

Ein anderes Beispiel für solche, auch ästhetisch wertvollen Astrometrieaufnahmen ist in der zweiten hier gezeigten Animation zu sehen: Der größere und innere Marsmond Phobos schiebt sich vor Deimos. Hierfür wurden 19 Bilder des Super Resolution Kanals SRC des HRSC-Kamerasystems aneinandergefügt, die am 30. März 2022 aufgenommen wurden. Der Abstand zu Phobos beträgt hier 12.261 Kilometer, der zu Deimos 27.907 Kilometer. Der Größenunterschied der beiden unregelmäßig geformten Körper ist aus dieser Perspektive nicht mehr ganz realistisch zu erkennen: Phobos hat entlang seiner größten Achse einen Durchmesser von etwa 27 Kilometern, Deimos von lediglich maximal 15 Kilometern.

Video: Bedeckung von Deimos durch Phobos
Bedeckung von Deimos durch Phobos in Orbit 23,258 am 30. März 2022. Die Entfernung von Mars Express zu Phobos beträgt 12.261 km, zu Deimos sind es 27.907 Kilometer.
Credit:

ESA/DLR/FU Berlin – CC BY-SA 3.0 IGO, K.-D. Matz

Die Berechnungen der Umlaufbahnen der Marsmonde ist von der Erde aus gesehen sehr schwierig. Der helle Mars überstrahlt die Monde, die sich obendrein sehr nah an ihrem Planeten befinden, so sehr, dass sie nur mit größeren Teleskopen zu beobachten sind. Eine Beobachtung per Marskamera mit dem Roten Planeten „im Rücken“ ist dementsprechend viel einfacher und erzielt weitaus genauere Ergebnisse. Nicht zuletzt für die Planung der MMX-Mission, die mit europäischer Beteiligung Mitte des Jahrzehnts einen Lander und einen mobilen Roboter auf Phobos absetzen wird, ist das Wissen um die exakte Position der Monde auf ihrer Bahn um den Mars von essenzieller Bedeutung.

Verwandte Links

Das HRSC-Experiment auf Mars Express

Die High Resolution Stereo Camera wurde am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) entwickelt und in Kooperation mit industriellen Partnern gebaut (EADS Astrium, Lewicki Microelectronic GmbH und Jena-Optronik GmbH). Das Wissenschaftsteam unter Leitung des Principal Investigators (PI) Dr. Thomas Roatsch vom DLR-Institut für Planetenforschung besteht aus 50 Co-Investigatoren, die aus 34 Institutionen und zehn Nationen stammen. Die Kamera wird vom DLR-Institut für Planetenforschung in Berlin-Adlershof betrieben.

Diese Bilder in hoher Auflösung und weitere Bilder der HRSC finden Sie in der Mars Express-Bildergalerie auf flickr.

Kontakt

Michael Müller

Redakteur
Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)
Kommunikation
Linder Höhe, 51147 Köln
Tel: +49 2203 601-3717

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Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)
Institut für Planetenforschung
Rutherfordstraße 2, 12489 Berlin

Dr. Daniela Tirsch

Principal Investigator HRSC
Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)
Institut für Planetenforschung
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Dr. Thomas Roatsch

Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)
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