17. November 2015

Korrosion im Schnellverfahren: Mit einer speziellen Prüfanlage testen DLR-Forscher die Eigenschaften von Leichtbaustrukturen

Kälte, Regen, Schnee – der Winter stellt auch Fahrzeugkarosserien auf die Probe. Trifft ein Kratzer im Lack auf das typische Gemisch aus hoher Feuchtigkeit und Streusalz, kann sich dort Rost bilden. Wissenschaftler sprechen von einem Korrosionsprozess: eine elektrochemische Reaktion zwischen einem metallischen Werkstoff und seiner Umgebung. Sie beeinflusst die Eigenschaften des Werkstoffes oft negativ, führt beispielsweise zu einer geringeren Festigkeit. Am Institut für Fahrzeugkonzepte des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Stuttgart untersuchen Forscher mit Hilfe einer speziellen Prüfanlage, wie stark und an welchen Stellen Korrosion auftreten kann. Der Schwerpunkt liegt vor allem auf neuartigen Karosseriekonzepten aus Leichtbaumaterialien und Multi-Material-Kombinationen.

Im Fokus: Wie verhalten sich neuartige Werkstoffe und Materialkombinationen?

Um Fahrzeugkarosserien möglichst leicht zu bauen, setzt die Automobilindustrie verstärkt auf Legierungen aus Leichtmetallen wie Aluminium und Magnesium. Diese haben ein geringeres spezifisches Gewicht als Stahl, sind aber deutlich unedler und damit anfällig für Kontaktkorrosion. "Um neue, leichte Materialien und Materialkombinationen erfolgreich im Automobilbau einsetzen zu können, muss man auch deren Korrosionseigenschaften kennen und entsprechende Schutzmaßnahmen ergreifen", erklärt Carmen Scholz, die als wissenschaftliche Mitarbeiterin seit zwei Jahren in diesem Bereich forscht.

Korrosion tritt vermehrt an Kanten, Spalten oder Bereichen mit oberflächlicher Beschädigung auf, was alles typischerweise an mechanischen Fügestellen vorkommt. Eine weitere Form ist die Kontaktkorrosion: Hier kommen unterschiedliche Metalle miteinander in Berührung, wodurch das jeweils unedlere angegriffen wird. Auch im Bereich der kohlenstofffaserverstärkten Kunststoffe (CFK) ist Korrosion möglich: Kunststoff ist zwar an sich meist nicht leitfähig und reagiert folglich nicht. Die eingebetteten Kohlenstofffasern leiten allerdings extrem gut. Ragt eine Kohlenstofffaser aus der Kunststoffmatrix heraus und hat Kontakt mit Metall, kann letzteres korrodieren.

Spezielle Prüfanlage beschleunigt Korrosionsprozesse

Für ihre Arbeit setzen die DLR-Wissenschaftler eine spezielle Korrosionsprüfanlage ein. Mit ihrer Hilfe können sie unterschiedliche Umwelteinflüsse in sehr kurzer Zeit simulieren und so Entwicklungen nachstellen, die in Wirklichkeit mehrere Jahre dauern. Dazu geben die Forscher die zu untersuchenden Materialproben in eine isolierte Kammer – ähnlich einer großen Gefriertruhe. Diese lässt sich bis zu einer Temperatur von siebzig Grad Celsius aufheizen und bis auf minus vierzig Grad Celsius abkühlen. Gleichzeitig kann die Luftfeuchtigkeit eingestellt und in regelmäßigen Abständen Kochsalzlösung auf die Proben gesprüht werden, um den Effekt von Streusalz nachzuahmen.

"Wir testen die Proben nach der neusten Norm aus der Automobilbranche. Diese Norm bildet die Umgebungsbedingungen realitätsnah in einem relativ komplexen Zyklus nach, der insgesamt sechs Wochen dauert", beschreibt DLR-Forscherin Scholz das Verfahren. Während des Testzyklus werden die Proben regelmäßig für kurze Zeit aus der Kammer herausgenommen und Änderungen dokumentiert. Besonders interessant sind die mechanischen Eigenschaften der Proben vor Beginn und nach Ende des Versuchs: Neben mikroskopischen Analysen führen die Wissenschaftler Zugprüfungen und Dauerschwingversuche durch, die Auskunft über den Effekt von Korrosion auf die statische und Zeitfestigkeit geben.

Einfluss auf Konstruktion, Fügetechnik und Fertigung

Die Auswirkungen von Korrosion auf die mechanischen Eigenschaften von Multi-Material-Strukturen vorhersagen zu können, ist ein wichtiger Aspekt – gerade wenn es wie beim DLR-Metaprojekt "Next Generation Car (NGC)" darum geht, innovative Fahrzeugkonzepte zu entwickeln und dabei neuartige Bauweisen zu erproben: Dazu zählen zum Beispiel eine Stahl-Aluminium-Magnesium-Kombination oder sogenannte Sandwich-Materialien, die aus einer dünnen Deckschicht aus Aluminium bestehen und im Inneren einen Kunststoffschaumkern besitzen, bis hin zu faserverbundintensiven Bauweisen. "Die Erkenntnisse über das Korrosionsverhalten von Materialkombinationen fließen in den Entwurf zum Fahrzeugkonzept, die Konstruktion, die Auswahl der Fügetechnik und in das Fertigungskonzept ein", fasst Scholz zusammen.

Kontakt

Denise Nüssle

Presseredaktion
Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)
Kommunikation
Pfaffenwaldring 38-40, 70569 Stuttgart
Tel: +49 711 6862-8086

Carmen Scholz

Institut für Fahrzeugkonzepte
Institut für Fahrzeugkonzepte, Abteilung Leichtbau und Hybridbauweisen