26. November 2015

Ringen um mehr Bandbreite für die Erdbeobachtung

DLR bringt neue Radarmission auf der Weltfunkkonferenz voran

Mobil telefonieren, schnelles Surfen im Internet, aktuelle Wetterdaten und Navigationsprogramme, die immer und überall verfügbar sind - Satelliten machen dies möglich. Eine wesentliche Rolle spielen hier Bandbreiten und Frequenzen, die alle drei bis vier Jahre auf der Weltfunkkonferenz verhandelt werden. Derzeit findet diese Konferenz mit 3.800 Delegierten aus 193 Ländern in Genf statt - es ist die größte Weltfunkkonferenz, die es bisher gegeben hat. Dr. Ralf Ewald vom Raumfahrtmanagement des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) ist Frequenzkoordinator und verhandelt noch bis zum 27. November 2015 gemeinsam mit der deutschen Delegation die Bandbreiten und Frequenzspektren, die unter anderem Satellitenmissionen zukünftig zur Verfügung stehen. Hier wurde jetzt für eine neue deutsche Radarsatellitenmission im X-Band eine Einigung erzielt.

Interview von Martin Fleischmann

Was wird auf der Weltfunkkonferenz verhandelt?

Wir verhandeln in Genf Völkerrecht. Zwar unterliegt die Nutzung des Frequenzspektrums in Deutschland nationalem Recht und wird durch die Bundesnetzagentur festgelegt. Doch Funkwellen und Frequenznutzug kennen keine Grenzen. Sobald man mit dem Mobiltelefon im Ausland telefoniert, reden wir über grenzüberschreitende Frequenznutzung. Das gilt natürlich besonders für Satelliten, da sie ja permanent andere Staaten überfliegen. Sobald Funkwellen die Landesgrenzen überschreiten, ist die Internationale Kommunikationsunion ITU zuständig. Sie regelt alle "übernationalen" Angelegenheiten. Diese Regeln werden in einem völkerrechtlichen Vertrag festgelegt und dann meistens auch in nationales Recht überführt. Etwa drei bis vier Jahre tagt die Weltfunkkonferenz, um diesen völkerrechtlichen Vertrag - wenn notwendig - zu ändern. Um die jeweiligen Landesinteressen zu vertreten, sendet jedes Land eine Delegation zu dieser Konferenz. 70 deutsche Delegierte sind diesmal in Genf mit dabei - die stärkste deutsche Mannschaft, die jemals teilgenommen hat.

Das unterstreicht die Bedeutung dieses Funkgipfels. Warum sind diese Verhandlungen so wichtig?

Wir haben ein Problem: Jeder Dienst - ob Mobilfunk, Wissenschaft oder Satellitenkommunikation - braucht wegen der technischen Weiterentwicklung immer mehr Bandbreite. Das ist ein Grundsatz. Dummerweise ist aber das Frequenzspektrum, das man dafür nutzen kann, begrenzt. Daher verhandelt diese Delegation, die durch das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur angeführt und von der Bundesnetzagentur, Vertretern aus der Industrie - zum Beispiel Mobilfunkanbietern - sowie dem DLR unterstützt wird, um mehr Bandbreite und deren sinnvollen Einsatz. Das DLR vertritt dabei die Interessen der Bundesregierung bezüglich der wissenschaftlichen Satelliten-Funkdienste. Meine Aufgabe ist es, diese Themen aus deutscher Sicht umzusetzen, so dass der Vertragstext nachher mit unseren Interessen übereinstimmt.

Zudem wird ja ein sehr wichtiges Thema für das DLR verhandelt...

Ja, genau. Was als Tagesordnungspunkt 1.12 verhandelt wird, birgt Zündstoff. Banal gesagt geht es um mehr Bandbreite. DLR und Airbus Defence & Space wollen für die Erdbeobachtung im sogenannten X-Band - also da, wo wir die beiden Radarzwillinge TerraSAR-X - Deutschlands Radar-Auge im All und Broschüre: TanDEM-X – Die Erde in drei Dimensionen (2009) betreiben - die nächste Generation dieser SAR-Satelliten vorbereiten. Wir wollen Bilder in einer Auflösung erzeugen, die mit optischen Aufnahmen vergleichbar sind - also Aufnahmen in einer Größenordnung von weniger als 25 Zentimetern pro Bildpunkt. Die beste Auflösung von TerraSAR-X liegt bei einem ein Meter. Um diese Verbesserung zu erreichen, braucht man ein größeres Frequenzspektrum, da Auflösung gleichbedeutend mit Bandbreite ist. Das heißt, wir brauchen eine sehr große Bandbreite, um unsere Wunschauflösung zu erreichen. Völkerrechtlich vereinbart ist hierfür bisher mit 600 Megahertz nur die Hälfte der benötigten Bandbreite. Wir haben gerade, mit 1,2 Gigahertz, das Doppelte bekommen.

Warum war es so schwer, eine Lösung zu finden?

Durch unseren Vorstoß, über die beantragten 600 Megahertz insgesamt ein Frequenzband von 1,2 Gigahertz zu bekommen, geraten viele schon genutzte Anwendungen vermeintlich unter Druck. Das hat zunächst einige Länder dazu bewogen, unseren Vorschlag abzulehnen. Wir wollten wissen, wie groß dieser Druck ist und ob die Sorge berechtigt ist. Daher haben wir diese Frage in den letzten drei Jahren in Studien untersucht. Hier haben wir nun versucht, auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen. Andere Staaten, die sich ebenfalls für mehr Bandbreite in diesem Frequenzband einsetzen und stark an radargestützter Erdbeobachtung interessiert sind, haben uns geholfen. Diese Länder - zum Beispiel die ozeanischen Staaten - brauchen bessere Erdbeobachtungstechnologie, damit ihren Rettungskräften nach einer möglichen Flutkatastrophe aktuelles und hochaufgelöstes Kartenmaterial zur Verfügung steht. Wir haben tagelang in unzähligen multilateralen und bilateralen Besprechungen nach einer Lösung gesucht. Jetzt haben wir einen guten Kompromiss gefunden, dem alle 193 Mitgliedsstaaten - bei der Weltfunkkonferenz müssen alle Beschlüsse immer einstimmig gefällt werden - zugestimmt haben. Das Ergebnis: 600 Megahertz mehr an Bandbreite und die Option für eine X-Band-Erdbeobachtungsmission mit einer noch nie dagewesenen, nahezu optischen Auflösung.

Kontakt

Martin Fleischmann

Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)
Deutsche Raumfahrtagentur im DLR
Kommunikation & Presse
Königswinterer Str. 522-524, 53227 Bonn
Tel: +49 228 447-120

Dr. Ralf Ewald

Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)
Deutsche Raumfahrtagentur im DLR
Zivile Sicherheit und Regulierungsaufgaben
Königswinterer Straße 522-524, 53227 Bonn