28. Januar 2016

Sechs Kilometer tiefe Schluchten im "Labyrinth der Nacht"

Direkt westlich des gigantischen Grabensystems der Valles Marineris auf dem Mars schließt sich ein nicht minder beeindruckendes Gebiet an: das sogenannte Noctis Labyrinthus - das Labyrinth der Nacht. Es besteht aus einem Wirrwarr sich kreuzender Täler und bis zu sechs Kilometer tiefen Schluchten. Mit einer Ost-West-Ausdehnung von über 1200 Kilometern entspricht es in etwa der Länge des Rheins und könnte auf der Erde weit mehr als das Gebiet Deutschlands von den Alpen bis hin zur Nordsee bedecken. Die hier gezeigten Aufnahmen wurden im Juli 2015 von der vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) betriebenen, hochauflösenden Stereokamera HRSC aufgenommen und zeigen einen Teil am nordöstlichen Rand des Labyrinths.

In den Bildern 1, 2 und 4 sind zwischen den tief eingeschnittenen Gräben auch einige kleinere Seitentäler zu sehen. Dominiert wird das Gebiet aber von riesigen Tafelbergen, deren Plateaus die ursprüngliche Oberfläche des Marshochlands repräsentieren. Das Tal in der rechten Bildhälfte gehört mit einem Querschnitt von etwa 30 Kilometern zu den breitesten im gesamten Labyrinth. Andernorts verengen sich die Schluchten auf wenige Kilometer. Stünde ein Astronaut auf dem Grund dieser Täler, böte sich ihm mit den zu beiden Seiten kilometerhoch aufragenden Steilhängen eine spektakuläre Kulisse.

Die Entstehung dieses Schluchtensystems hängt mit der Aufwölbung der Marsoberfläche in der weiter westlich gelegenen Tharsis-Region zusammen. Hier führte intensiver Vulkanismus zu tektonischen Spannung in der Marskruste und damit zum Aufreißen großer Gebiete. Im Zuge dessen sackten Teile der Oberfläche zwischen den auseinander gerissenen Geländeblöcken ab. Auf der Tharsis-Aufwölbung befinden sich auch die größten Marsvulkane.

Den Hang aufwärts wandernde Dünenkämme

An vielen Stellen sind die steilen Talhänge und auch der Talboden von ausgedehnten Bergrutschmassen bedeckt. Andernorts, wie hier bei genauerer Betrachtung der Aufnahmen gut zu sehen, scheinen die Hänge vor allem von mächtigen Windablagerungen bedeckt zu sein. Die regelmäßigen linearen Strukturen an den Talhängen am rechten und linken Bildrand können als Dünenkämme interpretiert werden. An einigen Stellen wurden die Sande hangabwärts verfrachtet, während an anderen Stellen sogar ein hangaufwärts gerichteter Transport der Dünensande stattfand, wie an der Ausrichtung der Kämme abzulesen ist.

In jedem Fall sind diese vom Wind geschaffenen Oberflächenstrukturen nicht mehr aktiv: Dies verrät nicht nur die gleichmäßige Bedeckung mit dem rötlichen Marsstaub (aktive Dünen würden auf dem Mars eine schwärzlich-graue Farbe aufweisen, da sie meist aus alter vulkanischer Asche bestehen), sondern auch das Vorhandensein von einigen kleinen Einschlagskratern, wie sie zum Beispiel am unteren rechten Bildrand entdeckt werden können. Würde ein Meteorit auf einen aktiven Dünenkörper treffen, so würde in dem losen Feinmaterial kein Einschlagskrater entstehen können, da der lose Sand in die entstehende Vertiefung rieseln und sie somit sofort wieder verfüllen würde. Außerdem würde jede dabei zurückbleibende Vertiefung durch den vom Wind bewegten Sand alsbald wieder verwischt werden. Sind Dünen jedoch sehr alt und im Zuge dessen auch verfestigt, so kann es tatsächlich sein, dass Meteoriten kleinere Krater hinterlassen können. Würde man die Kratergrößen und deren Häufigkeiten genau messen, könnte man das ungefähre Alter der Sanddünen ermitteln. Die geringe Anzahl und Größe der Krater deuten hier auf ein relativ junges Alter der Dünen hin.

  • Bildverarbeitung

    Die Aufnahmen mit der HRSC (High Resolution Stereo Camera) entstanden am 15. Juli 2015 während Orbit 14.632 von Mars Express. Das Gebiet befindet sich bei 6 Grad südlicher Breite und 265 Grad östlicher Länge. Die Bildauflösung beträgt etwa 16 Meter pro Bildpunkt (Pixel). Die Farbdraufsicht (Bild 1) wurde aus dem senkrecht auf die Marsoberfläche gerichteten Nadirkanal und den Farbkanälen der HRSC erstellt; die perspektivische Schrägansicht (Bild 3) wurde aus den Stereokanälen der HRSC berechnet. Das Anaglyphenbild (Bild 4), das bei Betrachtung mit einer Rot-Blau- oder Rot-Grün-Brille einen dreidimensionalen Eindruck der Landschaft vermittelt, wurde aus dem Nadirkanal und einem Stereokanal abgeleitet. Die in Regenbogenfarben kodierte Draufsicht (Bild 2) beruht auf einem digitalen Geländemodell der Region, von dem sich die Topographie der Landschaft ableiten lässt.

  • Das HRSC-Experiment

    Die High Resolution Stereo Kamera wurde am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) entwickelt und in Kooperation mit industriellen Partnern gebaut (EADS Astrium, Lewicki Microelectronic GmbH und Jena-Optronik GmbH). Das Wissenschaftsteam unter Leitung des Principal Investigators (PI) Prof. Dr. Ralf Jaumann besteht aus 52 Co-Investigatoren, die aus 34 Institutionen und elf Nationen stammen. Die Kamera wird vom DLR-Institut für Planetenforschung in Berlin-Adlershof betrieben. Die hier gezeigten Darstellungen wurden von der Planetary Sciences Group an der Freien Universität Berlin erstellt.

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Kontakt

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Institut für Geologische Wissenschaften
Planetologie und Fernerkundung
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Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)
Institut für Planetenforschung
Rutherfordstraße 2, 12489 Berlin