Forschung für den "grünen" Raketentreibstoff: Symposium mit Experten aus Wissenschaft und Industrie beim DLR in Lampoldshausen
Auf 50 Jahre angewandte Forschung am Prüfstand M11 können die Wissenschaftler beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) am Standort Lampoldshausen zurückblicken. Der Prüfstandskomplex M11 des DLR wurde in den 1960er Jahren errichtet und steht seitdem für Forschungs- und Entwicklungsarbeiten im Bereich der Raketen- und Staustrahlantriebe zur Verfügung. Aber nicht nur um die Vergangenheit drehte sich das diesjährige Symposium, zu dem am 23. September 2016 rund 40 Gäste aus Wissenschaft, Industrie und der ESA - European Space Agencyins Test- und Forschungszentrum für Raumfahrtantriebe in Lampoldshausen gekommen waren. Im Fokus standen die Treibstoffe der Zukunft und die Meilensteine für ihre Entwicklung.
Umweltfreundlich, preisgünstig und leicht zu handhaben soll der Treibstoff für Raumfahrtantriebe werden. Gleichzeitig muss er vergleichbare oder sogar bessere Leistungsparameter aufweisen, um langfristig die konventionellen Treibstoffe wie Hydrazin ersetzen zu können. Diese sind über lange Zeiten lagerfähig und die entwickelten Triebwerke mit ihnen arbeiten auch in großen Einsatzzeiträumen unter Weltraumbedingungen zuverlässig. Sie haben jedoch den Nachteil, dass sie toxisch sind. Dadurch ist der Umgang mit diesen Stoffen am Boden, insbesondere während des Transports, der Betankung und der Startvorbereitungen, äußerst aufwendig und teuer.
In insgesamt 12 Fachvorträgen referierten Experten daher über nachhaltige Konzepte auf dem Gebiet der umweltverträglichen Treibstoffe. Prof. Dr. Stefan Schlechtriem, Direktor des Institut für Raumfahrtantriebe, sieht die Entwicklung und Herstellung sowie das Testen von fortschrittlichen Treibstoffen als große Herausforderung der gesamten Raumfahrtbranche: „Wir stehen heute vor der Aufgabe, unser Know-How und unsere Forschungsprüfstände sowie Labore zielgerichtet in die Entwicklung fortschrittlicher grüner Treibstoffe einzubringen. Dabei spielen effiziente wissenschafts- und industrieorientierte Kooperationen eine wichtige Rolle."
Fortschrittliche grüne Treibstoffe gewinnen an Bedeutung
Das DLR-Institut für Raumfahrtantriebe setzt sich intensiv mit neuartigen Treibstoffen auseinander: etwa im Horizon 2020 EU-Projekt Rheform. Innerhalb dieses Projektes werden Ammoniumdinitramid-haltige (ADN) Treibstoffe weiterentwickelt. Diese Treibstoffe sind wesentlich verträglicher für Mensch und Umwelt bei gleichzeitig höherer Leistung. Lampoldshäusener DLR-Wissenschaftler bringen dabei zusammen mit ihren Partnern ihre Kompetenzen ein, um solche Treibstoffe zu entwickeln, analysieren, bewerten und zu testen. Die Herstellung dieser weniger toxischen und dennoch leistungsstarken Treibstoffe ist sehr aufwendig, und die Verwendung für die Raumfahrtindustrie ist noch wenig erprobt. Das DLR sucht hier nach neuen Wegen und erforscht den gesamten Prozess von der Entwicklung über die Herstellung bis hin zu Tests der fortschrittlichen Treibstoffe. Das Wissenschaftlerteam untersucht zudem im physikalisch-chemischen Labor Analysemöglichkeiten, um Erkenntnisse über die Zusammensetzung von Treibstoffen, wie beispielsweise Dichte, Viskosität und auch Verunreinigungen zu erzielen. Anschließend erfolgt am Forschungsprüfstand M11 die Untersuchung des Verbrennungs-, Zünd-, Injektions- und Förderverhaltens von neuartigen Treibstoffen. Dabei geben moderne Mess- und Regelsysteme Aufschluss über das Verhalten der Treibstoffe unter experimentellen Bedingungen. Der Einsatz modernster Messtechnik wie High-Speed-Kameras, hochauflösender Druck-, Temperatur- und Schubsensoren ermöglicht eine zielgerichtete Analyse der verwendeten Treibstoffe, Injektoren und Brennkammern. Zusätzlich setzten die DLR-Forscher am Prüfstand optische Brennkammern zur visuellen Untersuchung der Verbrennungsprozesse ein und können auftretende Wärmelasten erkennen und anschließend auswerten.
Der Prüfstand M11 am Standort Lampoldshausen
Seit seiner Einweihung im Jahr 1966 hat sich der Prüfstand M11 inhaltlich und strukturell weiterentwickelt. In umfangreichen Forschungs- und Technologieentwicklungsarbeiten erzielten die DLR-Forscher innerhalb der letzten Jahrzehnte detaillierte Erkenntnisse zu den Strömungs-, Zünd- und Verbrennungsprozessen in Modellbrennkammern und ermittelten zudem physikalische und chemische Stoffeigenschaften verschiedenster Treibstoffe, insbesondere bei Hybrid- und Geltreibstoffen. Mit rund 20 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern arbeitet das Team der Abteilung Treibstoffe des DLR-Instituts für Raumfahrtantriebe in verschiedenen Forschungsprojekten, die sich mit gelförmigen und grünen Treibstoffen, Hybridantrieben sowie der Scramjet-Forschung beschäftigen. Damit sind sie heute ein wichtiger Partner für Industrieunternehmen, Institutionen und Forschungseinrichtungen in Europa und weltweit.