11. April 2017 | DLR-Vorstand für Energie und Verkehr Prof. Karsten Lemmer

"Wir entwickeln Lösungen für eine zukunftsfähige Energieversorgung und Mobilität"

Auf der Hannover Messe Industrie vom 24. bis zum 29. April 2017 spielt das Thema Energie 4.0 eine wichtige Rolle. Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) präsentiert sich dort wieder mit seiner Energieforschung. Prof. Karsten Lemmer, Vorstand für Energie und Verkehr im DLR, ist verantwortlich für die strategische Ausrichtung und Weiterentwicklung der Forschungsarbeiten in diesen gesellschaftlich so relevanten Bereichen. Im DLR forschen rund 1200 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit unterschiedlichsten Kompetenzen an umweltfreundlichen, effizienten und kostengünstigen Technologien für ein zukunftsfähiges Energiesystem und eine nachhaltige Mobilität. Im Interview erläutert Prof. Lemmer, welche Themen die Forschung in den Bereichen Energie und Verkehr im DLR in Zukunft prägen werden.

Herr Lemmer, wo sehen Sie die Herausforderungen für die Energie- und Verkehrsforschung?

Ob es uns bewusst ist oder nicht: Energie und Verkehr sind für unser tägliches Leben unverzichtbar. Entsprechend wichtig ist es, dass Forschung hier zu einer ständigen wirksamen Verbesserung beiträgt, bei großen herausfordernden Themen wie auch mit kleinen Bausteinen. Darüber hinaus müssen wir die Bereiche Energie und Verkehr stärker zusammen denken und verbinden. Sektorkopplung ist hier das Stichwort. Gerade das DLR hat hier enorm viel Potential - wir werden einzigartige Chancen und Alleinstellungsmerkmale erschließen, indem wir unsere Kräfte noch stärker übergreifend bündeln. Überall wird im DLR unterschiedlichstes Know-how zusammengebracht - Ingenieure, Informatiker, Psychologen, Soziologen, Mediziner, Physiker und andere arbeiten je nach Fragestellung gemeinsam an Lösungen. Ich freue mich darauf, diese Zusammenarbeit im DLR - auch über die Bereiche Energie und Verkehr hinaus - noch weiter zu intensivieren.

Können Sie uns Beispiele nennen?

Wenn wir das Wissen aus Energie und Verkehr enger verzahnen, können wir neue Themen mit geballter Kompetenz erschließen und bearbeiten. Zum Beispiel muss der vom Verkehr verursachte CO2-Ausstoß wirksam reduziert werden. Das wird in dem nötigen Umfang nur gelingen, wenn wir Elektromobilität und die Nutzung regenerativer Kraftstoffe mit Anpassungen des Fahrzeugantriebs, automatisiertem Fahren und intelligentem Verkehrsmanagement kombinieren. Dazu müssen wir unsere Kompetenzen aus der Energie- und aus der Verkehrsforschung zusammenbringen.

Wo sehen Sie die wichtigen Themen in der Energieforschung?

Mit seiner Energieforschung trägt das DLR maßgeblich zur Energiewende bei. Erneuerbare alternative Energieträger müssen die fossilen Energieressourcen ersetzen, damit wir langfristig unseren Energiebedarf decken und gleichzeitig Beeinträchtigungen von Umwelt und Gesundheit minimieren können. Gleichzeitig ist eine Energieversorgung mit fluktuierenden Energieträgern wie Sonne und Wind nur mit leistungsfähigen Speicherkonzepten realisierbar. Mit seinen Studien zum Energiesystem und der Entwicklung von Alternativen zur konventionellen Stromerzeugung hat das DLR in den 80er und 90er Jahren den Weg für die heute hochaktuellen Diskussionen zur Energiewende mitbereitet. Jetzt brauchen wir verlässliche Studien und wirtschaftliche Technologien, wie wir ein Energiesystem mit einem hohen Anteil erneuerbarer Energien belastbar realisieren können.

Das DLR arbeitet an Technologien für eine flexible, robuste und umweltfreundliche Stromerzeugung. Dies darf nicht isoliert erfolgen, sondern muss als Gesamtsystem betrachtet werden. Mit systemanalytischen Studien ermitteln wir gesellschaftlich und energiepolitisch tragfähige Handlungsoptionen und geben national wie international wichtige Denkanstöße. Die Energiewende ist aber nicht nur eine Stromwende. Deshalb entwickeln DLR-Forscher kostengünstige Speichertechniken und effiziente Energiewandler. Zudem besteht ein enormer Bedarf an Verfahren zur effizienten und kostengünstigen Erzeugung nachhaltiger Brennstoffe. Das wird auch unser Schwerpunkt auf dem DLR-Stand auf der Hannover Messe 2017 sein. Hier zeigt sich auch wieder, wie eng Energie mit Verkehr verbunden ist.

Was sind die Schwerpunkte, die Sie in der Verkehrsforschung setzen werden?

Zwei hochaktuelle Themen, die das DLR im Verkehrsbereich von Anfang an maßgeblich mitgestaltet, sind das automatisierte Fahren und die Entwicklung von alternativen Antriebstechnologien. Zum automatisierten Fahren wirkt das DLR an mehreren europäischen und nationalen Projekten mit und demonstrierte bereits eigene Entwicklungen, wie zum Beispiel das vollautomatische, vernetzte Parken. Automatisiertes Fahren wird zumindest in Teilbereichen in naher Zukunft Realität. Zum Beispiel können unsere Autos in Parkhäusern bald ohne Fahrer parken, auf Autobahnen wird das Auto viele der ermüdenden Fahraufgaben übernehmen. Bei allen Entwicklungen, die hier anstehen, ist eines wichtig ist: Die Technik soll den Menschen unterstützen. Und so müssen wir sie gestalten, damit die gravierenden Veränderungen akzeptiert und nachgefragt werden. Ich sehe die Entwicklungen im Verkehrssektor insgesamt sehr positiv. Neben dem automatisierten Fahren können durch die zunehmende Digitalisierung auch Verkehrsmittel immer besser vernetzt werden. Reisenden ermöglicht das zukünftig ganz neue nutzergerechte Mobilitätsangebote. Auch hier wird das DLR von einzelnen ganz konkreten Apps bis hin zu Studien zu den Auswirkungen auf unser Mobilitätsverhalten die Veränderungen mitgestalten.

Aber damit wird der Verkehr ja nicht unbedingt umweltfreundlicher…

Das ist richtig, Umwelt- und Klimaschutz sind weitere wichtige Aufgaben, besonders im Verkehrsbereich. Etwa 20 Prozent der in Deutschland verursachten Treibhausgase kommen aus dem Verkehrssektor. Für den Klimaschutz national wie auch weltweit sind daher alternative Antriebstechnologien ein wichtiger Schlüssel. Ob Elektroantrieb oder Brennstoffzelle, Treibstoffe aus biogenen Quellen, Power-to-Gas/-Liquid, Wasserstoff oder Solar Fuels - vielversprechende technologische Ansätze als Alternativen zu Benzin und Diesel gibt es allemal. Das DLR nimmt sich der Aufgabe an, sinnvolle Ansätze weiterzuentwickeln, bis sie sich auf dem Markt behaupten können. Wichtige Kriterien hierfür sind zum Beispiel eine höhere Reichweite von Elektrofahrzeugen, eine bessere Haltbarkeit von Brennstoffzellen und die effiziente und umweltschonende Herstellung von alternativen Treibstoffen.

Wenn es schon heute ein Auto gebe, das Sie und ihre Familie im Alltag autonom ans Ziel bringen könnte, würden Sie gerne einsteigen?

Wenn ich bei langen Autobahnfahrten oder im Berufsverkehr nicht selber fahren müsste, sondern stattdessen die Zeit individuell anders nutzen könnte z.B. zum Lesen oder zum Schreiben einer E-Mail, wäre das schön. Die Entwicklung ist hier zwar schon sehr weit, aber das Auto muss in jeder erdenklichen Situation richtig reagieren und der Fahrer muss ihm vollends vertrauen können. Daran arbeiten wir noch mit Tests und Zulassungsbedingungen. Dann steige ich auch gerne und mit gutem Gefühl mit meiner Familie ein.

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