3. Juli 2017 | DLR-Wissenschaftler führen Studie in 4554 Metern Höhe durch

Höhenluft in Schräglage

  • Mit einer Studie in Europas höchstgelegenem Gebäude, der Schutzhütte Regina Margherita, wollen Wissenschaftler des DLR herausfinden, ob das Schlafen mit erhöhtem Oberkörper eine Maßnahme gegen die Symptome der Höhenkrankheit ist.
  • Als Teilnehmer werden 140 Bergsteiger gesucht, die im August 2017 zur Berghütte in den Walliser Alpen aufsteigen.
  • Schwerpunkt(e): Raumfahrt; Medizin

Ein Keil-Kissen, auf dem der Oberkörper um 30 Grad erhöht liegt, könnte eine Lösung sein. Eine Lösung gegen Atemnot, Kopfschmerzen und Übelkeit, wenn Bergsteiger innerhalb kurzer Zeit in große Höhen aufgestiegen sind. Im August 2016 hatten Wissenschaftler des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) auf der italienischen Schutzhütte Regina Margherita in den Walliser Alpen an zehn ausgewählten Probanden erforscht, welche Mechanismen im menschlichen Körper die Höhenkrankheit auslösen. Nun, im August 2017, soll an einer großen Zahl Bergsteiger getestet werden, ob Schlafen mit erhöhtem Oberkörper eine einfache und wirksame Maßnahme gegen die Symptome der akuten Höhenkrankheit ist. "Die meisten Bergsteiger beugen der Höhenkrankheit mit Medikamenten vor - diese haben allerdings auch Nebenwirkungen", erläutert Studienleiter Dr. Ulrich Limper vom DLR-Institut für Luft- und Raumfahrtmedizin. "Die Hochlagerung ist bereits erfolgreich bei Patienten auf Intensivstationen und könnte auch beim Sauerstoffmangel in der Höhe effektiv sein."

Erhält der menschliche Körper zu wenig Sauerstoff, startet er automatisch ein Hilfsprogramm: Er erhöht die Durchblutung, um mit der größeren Menge Blut auch das Sauerstoffangebot zu steigern. Dafür weiten sich im Kopf die Arterien. "Allerdings scheint das Abflußystem nicht darauf ausgelegt zu sein, daher staut sich das Blut im Kopf." Das Ergebnis ist Bergsteigern aus eigener Erfahrung bekannt: Kopfschmerzen und Übelkeit, die durch diese Reizung der Gehirnstruktur ausgelöst werden.

Bergsteiger als Studien-Probanden

An der DLR-Studie, die vom 7. bis 20. August 2017 durchgeführt wird, können deshalb Bergsteiger teilnehmen, die mit höchstens einer Zwischenübernachtung zur Schutzhütte Regina Margherita, Europas höchstgelegenem Gebäude auf 4554 Metern Höhe über dem Meeresspiegel, aufsteigen. "Wir benötigen Teilnehmer, die Symptome der Höhenkrankheit zeigen", sagt DLR-Arzt Ulrich Limper. Dafür werden die potenziellen Probanden bereits an der Talstation in Alagna informiert sowie auf der Gnifetti-Hütte in 3647 Metern auf erste Anzeichen der Höhenkrankheit befragt.

Insgesamt 140 Bergsteiger wollen die DLR-Wissenschaftler in ihrer Studie untersuchen. Die Hälfte der Teilnehmer soll dabei die Übernachtung auf der Margherita-Hütte mit einem vom DLR gestellten, aufblasbaren Keil-Kissen verbringen, die andere Hälfte schläft wie gewohnt in horizontaler Position. Um den Aufwand für die Bergsteiger möglichst überschaubar zu halten, werden bei ihnen nach den beiden Übernachtungen auf der Gnifetti- und der Margherita-Hütte lediglich am Finger mit einem Messgerät die Sauerstoffsättigung sowie der Puls erfasst. Dazu kommen drei kurze standardisierte Fragebögen, die vor allem die Symptome der Höhenkrankheit, die Schlafqualität und die allgemeine Befindlichkeit abfragen.

Wassereinlagerungen im Gehirn

"Unsere erste Studie hat gezeigt, dass das Hirn ein wichtiges Organ ist, wenn es darum geht, Gegenmaßnahmen für die akute Höhenkrankheit zu suchen", sagt DLR-Forscher Dr. Ulrich Limper. Von den damals zehn Probanden wiesen alle nach dem zügigen Aufstieg Symptome der Höhenkrankheit auf - wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß. Mit anschließenden MRT-Aufnahmen konnte festgestellt werden, dass sich im Gehirn kleinere Schwellungen gebildet hatten. Diese entstanden unter anderem, weil die innere Schicht der Blutgefäße zuvor durch den Sauerstoffmangel beschädigt und durchlässiger für Flüssigkeit geworden war.

Die Hochlagerung beim Schlafen könnte dem entgegenwirken. Bewährt hat sie sich bereits im Mittelalter, als das Schlafen mit erhöhtem Oberkörper normal war. In den schlecht belüfteten Räumen waren chronische Lungenerkrankungen häufig - die erhöhte Position des Oberkörpers verschaffte Erleichterung. Ebenso gehört es in Krankenhäuser auf Intensivstationen heutzutage dazu, dass Patienten mit dem Oberkörper um etwa 30 Grad erhöht liegen. Dadurch wird das Blutvolumen in Kopf und Brustkorb verringert, die Atmung fällt leichter.

"Puffy face" und erhöhter Augeninnendruck

Astronauten haben ein ähnliches Problem wie die Bergsteiger mit ihrer Höhenkrankheit - wenn auch durch einen anderen Umstand verursacht: Durch die fehlende Schwerkraft, gegen die das Herz normalerweise arbeiten muss, wird vermehrt Blut in den Kopf gepumpt. Zu dem "Puffy face", dem rötlich-angeschwollenen Gesicht, in den ersten Tagen im All kommen Kopfschmerzen, Übelkeit und ein erhöhter Augeninnendruck hinzu. Sollten einmal Menschen in Habitaten auf anderen Himmelskörpern leben und forschen, wären sie auch dort einer Spezialatmosphäre mit niedrigem Druck und geringem Sauerstoff ausgesetzt. "Um den Nebenwirkungen dieser Bedingungen entgegenzuwirken, könnten dann die Ergebnisse der Höhenforschungsstudien hilfreich sein", sagt DLR-Arzt Dr. Ulrich Limper.

Bergsteiger, die im August 2017 zur Schutzhütte Regina Margherita aufsteigen und an der Studie teilnehmen möchten, können sich entweder vorab per Mail unter ams[at]dlr.de anmelden oder sich an der Talstation in Alagna sowie der Gnifetti-Hütte bei den DLR-Studienbetreuern melden.

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Kontakt

Dr. Ulrich Limper

Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)
Institut für Luft- und Raumfahrtmedizin
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Redaktion
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