Forschung in und über dem Amazonas-Regenwald
- Forschungsflugzeug HALO fliegt über dem Amazonas.
- Chemische Prozesse und Wolkenkondensation über dem tropischen Regenwald stehen im Fokus der Forschungskampagne CAFE-Brazil.
- In „Helixflügen“ wird sich HALO aus niedrigen Höhen bis auf 15 Kilometer Höhe schrauben.
- Schwerpunkte: Erdbeobachtung, Klimawandel
Der Startschuss für das deutsch-brasilianische Forschungsprojekt CAFE Brazil (Chemistry of the Atmosphere: Field Experiment in Brazil) ist gefallen. Unter Leitung des Max-Planck-Instituts für Chemie sammelt seit gestern ein internationales Forschungsteam rund 60 Tage lang Daten zu den chemischen Prozessen in der weitgehend sauberen Atmosphäre über dem Amazonasregenwald in Brasilien. Das Verständnis der natürlichen chemischen Prozesse soll erklären helfen, wie sich zum Beispiel Luftverschmutzung auf die Atmosphäre auswirkt. Mit dabei das Forschungsflugzeug HALO. Neben Messungen per Flugzeug werden die Daten auch mit Hilfe von Ballons und Drohnen und an der deutsch-brasilianischen Forschungsstation ATTO vom Boden aus erhoben. An der großangelegten, flugzeuggestützten Mission sind neben dem Max-Planck-Institut für Chemie auch Forschende der Goethe-Universität Frankfurt, des Forschungszentrums Jülich, des Karlsruher Instituts für Technologie, des Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), der Universidade de São Paulo und des Instituto Nacional de Pesquisas Espaciais beteiligt.
Die CAFE-Brazil-Expedition führt 70 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler im Dezember und Januar nach Manaus. Der Flughafen der Hauptstadt des brasilianischen Bundesstaates Amazonas ist Start- und Landepunkt für die 20 geplanten Messflüge mit dem Forschungsflugzeug HALO (High Altitude and Long Range Research Aircraft). Das vom DLR betriebene Forschungsflugzeug HALO, eine Gulfstream G550, ist für große Höhen und lange Flugdistanzen geeignet und wird für wissenschaftliche Untersuchungen der Erdatmosphäre eingesetzt. Für die CAFE-Brazil-Mission hat das Forschungsteam HALO mit 19 Instrumenten bestückt, die dutzende Parameter messen werden, darunter Aerosole, flüchtige organische Verbindungen (VOCs), Schwefel- und Stickoxide, Kohlenstoffmonoxid, Methan, Ozon, freie Radikale und Wasser. „Der umfangreiche Einbau der Instrumente und Ausrüstung in HALO hat neun intensive Wochen im Hangar in Oberpfaffenhofen eingenommen“, sagt Thomas Sprünken von der DLR-Einrichtung Flugexperimente. „Jetzt freuen wir uns auf eine spannende Mission im Regenwald.“
„Wir erwarten neue Erkenntnisse zu den chemischen Abläufen in der Atmosphäre über dem tropischen Regenwald und auch über die Wechselwirkungen zwischen der Biosphäre und der Atmosphäre, um so die grundlegende Rolle des Regenwaldes im Erdsystem besser zu erklären“, sagt Prof. Jos Lelieveld, wissenschaftlicher Leiter der Forschungsexpedition und Direktor am Max-Planck-Institut für Chemie. Mit Spannung sieht auch Prof. Joachim Curtius, experimenteller Atmosphärenforscher an der Goethe-Universität in Frankfurt, den Forschungsflügen entgegen: „Wir sind froh, dass wir Teil dieses wichtigen Projekts sind und es nun endlich losgehen kann. Unser Fokus liegt auf der Entstehung von Partikeln aus Spurengasen, die der Wald ausstößt“. Eigentlich sollte CAFE-Brazil schon im Frühjahr 2020 an den Start gehen, musste aber wegen der Corona-Pandemie verschoben werden.
Messflüge in der Troposphäre
Die Flüge über dem Regenwald werden festgelegten Mustern folgen, um vertikale und horizontale Profile zu vermessen. Auf dem Plan stehen auch sogenannte Helixflüge, bei denen sich HALO aus niedrigen Höhen bis auf 15 Kilometer Höhe schraubt. Mit den Flugzeugmessungen wollen die Forschenden herausfinden, wie die atmosphärischen Oxidationsprozesse in der Troposphäre über dem Amazonasregenwald ablaufen und wie sie die Bildung und das Wachstum von Aerosolpartikeln steuern, die als Wolkenkondensationskerne von zentraler Bedeutung sind.
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler wollen auch die Antwort auf die Frage erhalten, warum die Eigenschaft der Atmosphäre, sich selbst zu reinigen, über dem Regenwald nicht leidet, obwohl ständig riesige Mengen an Hydroxyl-Radikalen verbraucht werden. Diese chemische Verbindung gilt als Waschmittel für die Atmosphäre, da sie Schadstoffe wie Methan oxidiert und wasserlösliche Reaktionsprodukte erzeugt, die mit dem Regen aus der Luft ausgewaschen werden.
Koordinierte Messungen am Forschungsturm ATTO
Untersuchungen an der Forschungsstation ATTO (Amazon Tall Tower Observatory), einem 325 Meter hohen Turm aus Stahl im nördlichen brasilianischen Amazonas-Regenwald und circa 150 Kilometer von Manaus entfernt, werden die Messungen mit HALO komplettieren. Neben Klimabeobachtungen in unterschiedlichen Höhen der Atmosphäre ermöglicht ATTO die Erforschung der Biosphäre Regenwald. Da auf dem Turm ein ähnlicher Instrumentensatz zum Einsatz kommt wie auf HALO, bietet dies die einmalige Gelegenheit, die Messungen im und direkt über dem Wald zu verknüpfen.
Die Datensätze, die die Forschenden in der weitgehend sauberen Luft über dem Amazonasregenwald gewinnen, wollen sie mit Ergebnissen vergleichen, die zum Teil aus früheren Messkampagnen stammen, unter marinen und verschmutzten Bedingungen ermittelt wurden und die ebenfalls die Luftverschmutzung zum Forschungsgegenstand hatten. Eine Vorgängerkampagne mit dem Forschungsflugzeug HALO war 2014 die Mission ACRIDICON (Aerosol, Cloud, Precipitation and Radiation Interactions and Dynamics of Convective Cloud Systems).
Der Amazonas-Regenwald hat weltweite ökologische Bedeutung – er produziert große Mengen an Sauerstoff, stabilisiert das globale Klima und beeinflusst den Wasser- und Kohlenstoffkreislauf. Er bildet große Mengen an VOCs wie Isopren. Aus ihnen wiederum entstehen Aerosolpartikel, die für die Bildung von Wolken und Niederschlag wichtig sind.