7. November 2025 | Expertise für die Transformation des Energiesystems

DLR-Studie untersucht Defossilisierung der weltweiten Stahlindustrie

Eisen- und Stahlproduktion im Fokus (Symbolbild)
Stahl wird in Hochöfen hergestellt. Als Energieträger kommt vor allem Koks, eine spezielle Art von Kohle zum Einsatz. Der Ausstoß von CO2 bei der Stahlproduktion ist entsprechend hoch: Pro Tonne Stahl entstehen zwischen 1,6 und 2,2 Tonnen CO2.
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  • Mit Hilfe von Szenarien hat das DLR untersucht, wie Treibhausgasemissionen der weltweiten Eisen- und Stahlproduktion reduziert werden können.
  • Dabei betrachtete es folgende Technologieoptionen: das Abscheiden und Speichern von CO2 (CCS), den Einsatz von Wasserstoff sowie die strombasierte Herstellung von Eisen.
  • Die Ergebnisse zeigen: die Emissionsreduktion durch CCS für kohlebasierte Anlagen ist für das Einhalten der Klimaziele langfristig unzureichend.
  • Wasserstoffbasierte und elektrifizierte Technologien unter Einsatz von grünem Strom stellen hingegen die Schlüsseltechnologien dar.
  • Schwerpunkte: Energie, Wasserstoff, Stahlproduktion

Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) hat in einer Studie untersucht, wie die weltweite Stahlindustrie ihren CO2-Ausstoß deutlich verringern kann. Das ist ein wichtiger Ansatzpunkt im Kampf gegen die globale Erwärmung. Denn die Herstellung von Eisen und Stahl verursacht rund neun Prozent der weltweiten Treibhausgas-Emissionen. In ihrer Studie analysierten die Forschenden des DLR-Instituts für Vernetzte Energiesysteme mit mehreren Szenarien, wie sich die Einführung neuer Technologien auf die Treibhausgasemission der weltweiten Eisen- und Stahlproduktion auswirken kann. Drei Technologien stehen dabei im Mittelpunkt: das Abscheiden und Speichern von CO2 (englisch: Carbon Capture and Storage, CCS), der Einsatz von Wasserstoff sowie die strombasierte Herstellung von Eisen.

„Die Studie zeigt, dass zeitnah umfassende und tiefgreifende Maßnahmen – flankiert von politischen Rahmenbedingungen auf internationaler Ebene – notwendig sind. Nur so kann die Defossilisierung der Stahlbranche ausreichend vorangetrieben und gleichzeitig die Wettbewerbsfähigkeit in Deutschland und Europa berücksichtigt werden. Elementare Voraussetzung ist zudem der schnelle und massive Ausbau der Stromerzeugung aus erneuerbaren Quellen“, fasst die DLR-Bereichsvorständin Energie und Verkehr Prof. Meike Jipp zusammen. „Dies auch vor dem Hintergrund, dass aufgrund des EU-Emissionshandels die Kosten für den Ausstoß von CO2 in Zukunft sukzessive steigen und dadurch die bisherigen Herstellungsverfahren verteuern werden. Deshalb gilt es, jetzt Anreize für neue Technologien zu setzen und diese umzusetzen.“

Abscheiden und Speichern von CO2 reicht nicht aus

Stahl wird in Hochöfen hergestellt. Als Energieträger kommt vor allem Koks, eine spezielle Art von Kohle zum Einsatz. Der Ausstoß von CO2 bei der Stahlproduktion ist entsprechend hoch: Pro Tonne Stahl entstehen zwischen 1,6 und 2,2 Tonnen CO2. Rüstet man bestehende Hochöfen mit Technologien nach, die das CO2 abscheiden und speichern, kann der CO2-Ausstoß spürbar gesenkt werden. „Unsere Analyse zeigt, dass diese Technologien die Emissionen kurzfristig reduzieren können, weil CCS die Nachrüstung moderner bestehender Anlagen ermöglicht. Langfristig ist das Emissionsreduktionspotenzial von CCS jedoch unzureichend“, bilanziert DLR-Forscherin Carina Harpprecht. Sie hat mit Kolleginnen und Kollegen der Abteilung Energiesystemanalyse die DLR-Studie erstellt. „Die Elektrifizierung des Produktionsprozesses ist die Schlüsselstrategie, um Emissionen weitreichend zu senken“, erklärt Harpprecht weiter.

Die Herstellung von Eisen mit nachhaltig erzeugtem „grünen“ Wasserstoff gilt technologisch als vielversprechend. Der Wasserstoff ersetzt dabei das kohlenstoffhaltige Koks. Folglich entstehen fast keine CO2-Emissionen mehr bei der Eisenherstellung. Eine weitere Alternative ist noch wenig ausgereift: die Elektrolyse des Rohstoffs Eisenerz direkt mit Strom, auch als „Electrowinning“ bezeichnet. Sie hat den Vorteil, dass der Strom direkt zum Einsatz kommt. Denn nutzt man Strom, um zunächst Wasserstoff mittels Wasserelektrolyse zu erzeugen, ist die Energieeffizienz geringer und somit der CO2-Fußabdruck der Eisen- und Stahlproduktion potenziell höher.

Szenarien zeigen: Klimaziele stellen Stahlindustrie vor große Herausforderungen

2020 produzierte die weltweite Stahlindustrie bereits jährlich rund 1.600 Millionen Tonnen Rohstahl. Bis 2060 könnte die Stahlproduktion weltweit auf über 2.600 Millionen Tonnen jährlich wachsen. Angesichts dieser Entwicklung können die globalen jährlichen Treibhausgas-Emissionen bis 2060 im besten Fall nur um bis zu 67 Prozent reduziert werden (von 3,4 Gigatonnen CO2-Äquivalente pro Jahr in 2020 auf 1,2 Gigatonnen in 2060). Restemissionen stammen vor allem aus CCS-Technologien, die sich im kostenoptimierenden Szenario durchsetzen und deren langfristiges Emissionsreduktionspotenzial jedoch unzureichend ist.

„Damit führt kein Szenario zum Ziel – sprich unter dem in dieser Studie für die weltweite Stahlbranche angesetzten Budget an CO2-Emissionen zu bleiben, um den Temperaturanstieg auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen“, erläutert DLR-Expertin Carina Harpprecht. „Auch in der Stahlindustrie zeigt sich, wie wichtig die kommenden zehn Jahre für den Klimaschutz sein werden – und wie wenig Zeit bleibt, um neue Technologien weiterzuentwickeln und umzusetzen. Die hohen Investitionssummen in der Stahlindustrie und die noch lange Lebensdauer bestehender Hochöfen, potenziell kombiniert mit CCS, stellen große Herausforderungen dar.“

Würde man die Primärproduktion von Stahl auf nachhaltig gewonnenen Wasserstoff umstellen, könnten die kumulierten Treibhausgas-Emissionen der Stahlindustrie bis 2060 schätzungsweise um weitere 15 Prozent reduziert werden. Dies wäre jedoch immer noch nicht ausreichend für die Einhaltung des CO2-Budgets für das 1,5 Grad-Ziel in diesem Szenariorahmen. Der Sektor muss also eine schnellere und drastischere Defossilisierung und Emissionsreduzierung erreichen, die über die in den betrachteten globalen Szenarien projizierten Werte hinausgeht. Ein effizienter Hebel hierfür wäre es, die Erzeugung von Primärstahl zu senken und gleichzeitig stärker auf die Wiederverwertung von Stahl zu setzen.

CO2-arme Stahlindustrie benötigt viel erneuerbaren Strom

Ob Wasserstoff oder Electrowinning – die technologischen Alternativen für weniger Emissionen in der Stahlproduktion erhöhen den Bedarf an Strom aus erneuerbaren Quellen massiv: Schätzungsweise könnte der Strombedarf der deutschen Stahlindustrie im Jahr 2050 um bis zu fünfzehnmal so hoch sein wie heute, laut einer DLR-Studie über die deutsche Stahlindustrie.

Weiterführende Links

Aus dem DLR: Technologie und Know-how für die Stahlherstellung mit Wasserstoff

Um bei der Stahlproduktion Koks durch Wasserstoff zu ersetzen, benötigt es noch weitere Forschungsarbeiten. Im Mittelpunkt stehen Technologien für die sogenannte Direktreduktion. Bei diesem komplexen chemischen Prozess reagiert – grob vereinfacht – der Wasserstoff mit Eisenoxid zu Wasserdampf und Eisen, als Ausgangsprodukt für Stahl. Das Verfahren der Direktreduktion ist auch mit Erdgas möglich und wird bereits industriell erprobt. Für „grünen“ Stahl und erheblich weniger CO2-Emissionen besteht die Herausforderung darin, Erdgas durch Wasserstoff aus erneuerbaren Quellen zu ersetzen. Allerdings wird grüner Wasserstoff auf absehbare Zeit teurer bleiben als fossile Alternativen. Deshalb arbeitet das DLR-Institut für CO2-arme Industrieprozesse daran, Prozesse und Anlagen optimal auszulegen und effizient zu betreiben. Aktuell baut das DLR dazu einen Demonstrationsreaktor im Labormaßstab auf und entwickelt numerische Modelle. Diese Arbeiten sind wichtig, um mehrere Herausforderungen zu meistern: Denn Wasserstoff aus erneuerbaren, aber stark schwankenden Ressourcen wie Wind- oder Sonnenenergie wird zunächst nicht so zuverlässig verfügbar sein wie fossiles Erdgas. Zudem untersuchen die Forschenden im DLR auch erneuerbare Kohlenstoffquellen und die Verwendung von minderwertigen Eisenerzen in der Stahlherstellung.

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