Virtualisierung, prädiktive Simulationen und Datenmanagement für digital integrierte Werkstoffe und Prozesse

Die Materialwissenschaften befinden sich inmitten eines großen Umbruchs zu einer “data-centric science”. Moderne KI-Methoden systematisieren immense Datenbanken von Materialeigenschaften in einer Weise, die den Suchraum und möglicherweise den Anwendungsraum neuer Werkstofflösungen in bisher beispielloser Weise eröffnet. Neben neuesten Entwicklungen im maschinellen Lernen – u.a. große Sprachmodelle – basiert diese digitale Transformation auf der Verfügbarkeit von Daten in einer Weise, die automatisiert verarbeitbar ist und den FAIR-Grundprinzipien – free, accessible, interoperable, reusable und letzten Endes “findable and AI-ready” genügt. Damit wird die KI-basierte Entdeckung neuer Materialien im autonom KI-gesteuerten Labor zur Realität.

KI-basierte Vorhersagen neuer Materialanwendungen sind nur so gut wie die zugrundeliegenden Daten. Die experimentellen Erhebung zuverlässiger und präziser Daten (zum Beispiel unter Schwerelosigkeitsbedingungen zur Erstellung von Modellen und Präzisierung von Simulationen oder/und durch KI-getriebene high-throughput Experimente im Labor), die Einbindung solcher Daten in Methoden der Materialsimulation und der Abgleich mit Experimenten ist dabei essentiell und methodischer Schwerpunkt des neuen Instituts.

Ein weiterer Aspekt ist, dass die heute technisch relevanten Werkstoffe aus mehr als 10 chemischen Elementen in unterschiedlichen Konzentrationen bestehen können und sind, allein für metallische Werkstoffe, das Ergebnis der Kombination von etwa 50-60 häufig verwendeten Elementen. Dies impliziert, dass deutlich mehr als 1010 Kombinationen möglich sind, deren Wechselwirkungen mit klassischen Computersystemen, inkl. High-Performance-Computing (HPC), nicht zu analysieren sind. In diesem Zusammenhang beginnt der Quantencomputer durch seine Leistungsfähigkeit als wesentliche Komponente für zukünftige Materialentwicklung in Wissenschaft und Industrie in Betracht zu kommen. Mit dessen Hilfe wird es möglich sein, Simulationen für Materialien durchzuführen, die mit heutigen Näherungen nicht zugänglich sind. In einem erweiterten Verständnis von Materialien kann für eine datengestützte Optimierung solcher Systeme hier eine wichtige Grundlage geschaffen werden, die über klassische Materialwissenschaft hinausgeht. Das Institut leitet und bearbeitet bereits zwei große Projekte innerhalb der QCI Initiative des DLR (QuantiCoM und QCMineral) mit Fokus auf der Simulation und Optimierung von Materialien mittels Quantum Computing und hybriden Quantum-Computing-HPC Ansätze. Diese Projekte bilden die Basis für einen weiteren Alleinstellungsmerkmal des neuen Instituts und ebnen den Weg für ein weiteres wichtiges Forschungsthema des Instituts im Bereich der prädiktiven Simulationen von Materialien und Prozesse.

Dabei stehen ganze Prozesse statt einzelner Eigenschaften im Vordergrund: Moderne werkstoffintensive Anwendungen und Herstellungsverfahren bedingen ein Verständnis, wie der Prozess die Eigenschaften des Materials in seiner speziellen Anwendung beeinflusst. Der bislang übliche bottom-up-Zugang mit Fokus auf der Optimierung von Materialien in isolierten Eigenschaften wird im neuen Institut ergänzt durch ein Systemverständnis, das von der Anwendung kommt und mit Hilfe von Simulationen und zurück zu den mikroskopischen Grundlagen führt. Das Institut zielt hier darauf ab, ein virtualisiertes Abbild einer ganzen Verarbeitungskette in der Simulation zu schaffen: skalen- und Methoden übergreifend, und eine Brücke schlagend von Simulationen im Bereich des D4 Ansatzes der Werkstoffentwicklung (sh. Abbildung).

Expertise des Instituts für Frontier Materials on Earth and in Space im Bereich mehrskaliger und multimodaler Simulation und Virtualisierung