Intelligente, nachhaltige, innovative und automatisierte Baggerarbeiten

AMISIA

Konzipiertes Baggerschiff in AMISIA
Credit:

MAREVAL AG

Für eine Exportnation wie Deutschland sind effiziente Umschlagsprozesse in den Seehäfen unerlässlich. Insbesondere die deutschen Nordseehäfen stehen im Wettbewerb mit großen europäischen Seehäfen wie Rotterdam oder Antwerpen. Gleichzeitig steht die maritime Industrie insgesamt vor der Herausforderung, Emissionen zu reduzieren und damit einen Beitrag zu den Klimazielen der Bundesregierung und dem Green Deal der Europäischen Union (EU) zu leisten. Ein effizientes und sicheres Verkehrsmanagement in den Häfen ist die Grundvoraussetzung dafür, dass die Schiffe sicher und pünktlich an ihren Liegeplätzen ankommen. Es ist wichtig, eine Mindesttiefe zu gewährleisten, für die die Betreiber der Hafeninfrastruktur verantwortlich sind.

Die Gewährleistung einer Mindesttiefe wird durch regelmäßiges Ausbaggern aller Hafenstandorte erreicht. Insbesondere die tidebeeinflussten Häfen in Norddeutschland sind von einem hohen Sand- und Schlickeintrag betroffen, so dass regelmäßige Baggerungen besonders wichtig sind. Die früher durchgeführten Vorratsbaggerungen entsprechen schon lange nicht mehr den ökologischen Grundsätzen und stehen daher nicht mehr im Mittelpunkt des Interesses. Speziell für den Emder Hafen, der sich durch einen hohen organischen Schlickanteil auszeichnet, hat sich das so genannte Rezirkulationsverfahren in der Praxis bewährt. Im Gegensatz zur herkömmlichen Entnahmemethode, bei der das Sediment entnommen und an einem anderen Ort verklappt werden muss, nutzt die Rezirkulationsmethode die mikrobiologische Zusammensetzung des Sediments. Flüssigschlamm (Schwebeschlammschicht) bildet sich aus suspendierten Sedimentformationen, die aufgrund ihres hohen organischen Gehalts ein geringes spezifisches Gewicht haben, wenn sie zu sedimentieren beginnen. Der Raum zwischen den einzelnen Partikeln ist mit mikrobiellem Schlamm gefüllt, der die Suspension stabilisiert. Die mikrobiellen Schlämme werden von Bakterien unter aeroben Bedingungen produziert. Der Flüssigschlamm, den ein Laderaumsaugbagger im Bereich der größten Dichte aufnimmt, wird daher in möglichst dünnen Schichten in der Masse dem Luftsauerstoff ausgesetzt, bevor er wieder freigesetzt wird. Um die Struktur nicht aufzubrechen, werden bestimmte Anforderungen an die verwendete Pumpentechnik gestellt. Der Bakterienschleim verbessert nicht nur den Auftrieb, sondern verringert auch die Reibung zwischen den Partikeln und fördert damit auch die Schiffbarkeit des flüssigen Schlammkörpers.

Für die Rückführung ist eine spezielle Baggertechnik erforderlich, die ressourcenschonend ist und aufgrund der örtlichen Bedingungen im Zusammenhang mit der Sedimentation kontinuierlich durchgeführt werden muss. Die spezielle Baggertechnik und das Wartungsvolumen erfordern den kontinuierlichen Einsatz eines Schiffes vor Ort. Es gibt nur sehr wenige Anbieter auf dem Markt, die Baggerdienste anbieten, was zu einem Oligopol führt. Darüber hinaus gibt es aufgrund der Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt einen zunehmenden Mangel an entsprechend qualifiziertem Personal, das die Schiffe im 24/7-Betrieb führen kann. Die hohen Vertragskosten spiegeln diese Situation wider und sind ein hoher Kostenfaktor für die Betreiber von Hafeninfrastruktur. In Zukunft werden die Kosten steigen, weil mehr Wasserfläche instand gehalten werden muss.

Das primäre Ziel des Projekts AMISIA, an dem das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) beteiligt ist, ist es, die nachhaltige Kosteneffizienz der Hafenunterhaltung zu stärken, indem die kostenintensiven Unterhaltungsbaggerungen weitgehend automatisiert werden. Der Kerngedanke des Projekts besteht darin, ein in drei Automatisierungsstufen automatisiertes Baggerschiff für den Rezirkulationsprozess zu entwerfen, zu verifizieren, zu validieren und zu testen, um die Automatisierungs- und Servicerisiken des Betriebs eines solchen Schiffes im Hafen zu bewerten.

In der AMISIA (Advanced Port Maintenance: Intelligent, Sustainable, Innovative and Automated Dredging) sind die von der IMO (Internationale Seeschifffahrts-Organisation) definierten Automatisierungsstufen: Stufe eins „Schiff mit automatisierten Prozessen und Entscheidungsunterstützung“, Stufe zwei „ferngesteuertes Schiff mit Seeleuten an Bord“ und Stufe drei „ferngesteuertes Schiff ohne Seeleute an Bord“. Auf Stufe eins wird das Schiff mit Hilfe von Assistenzsystemen (zum Beispiel Autopilot) gesteuert und überwacht. Bei Schiffen der Stufe zwei wird das Schiff von Land aus gesteuert, aber es befinden sich noch Seeleute an Bord. Neben der Fernsteuerung umfasst diese Stufe auch andere Automatisierungsfunktionen, wie das Erkennen, Auswerten und Reagieren auf potenziell gefährliche Schiffsbegegnungen. In Stufe zwei sind zum Beispiel An- und Ablegemanöver noch manuelle Aufgaben und müssen von Menschen durchgeführt werden. Stufe drei umfasst hochautomatisierte Schiffe, die autonom operieren, aber jederzeit von Menschen überwacht werden müssen.

Das technologische Automatisierungskonzept für die drei Automatisierungsstufen wird eine Komposition aus bestehenden Automatisierungstechnologien sein. Parallel dazu werden die Schiffskonstruktion und der Entwurf des automatisierten Kreislaufprozesses erfolgen. In enger Abstimmung damit wird ein V&V-Konzept für die drei Automatisierungsebenen entwickelt. Gleichzeitig wird eine Risikobewertung der Konzepte in Bezug auf die verschiedenen Automatisierungsstufen durchgeführt. Im Rahmen der Entwicklung eines Betriebs- und Geschäftskonzepts werden Fragen der Betriebs- und Missionsplanung sowie der daraus resultierenden Wirtschaftlichkeit für jede der drei Automatisierungsstufen behandelt.

Ein wesentlicher Bestandteil des Projekts ist die kontinuierliche Erprobung der Automatisierungskonzepte im Feld. Zu diesem Zweck wird ein Forschungsboot von eMIR mit den notwendigen Automatisierungstechnologien ausgestattet. Dadurch wird es möglich sein, bereits während des Projekts relevante Schwachstellen zu identifizieren und adäquat zu behandeln, was zu einer Anpassung des Konzepts führen wird. Gleichzeitig können die Betriebskonzepte getestet werden. Ziel ist es, jede der drei Automatisierungsebenen im Feld getestet zu haben und die sichere Funktion mit den entwickelten V&V-Methoden (Verifikations- und Validierungsmethoden) nachzuweisen.

Das Projekt AMISIA – Advanced Port Maintenance: Intelligent, Sustainable, Innovative and Automated Dredging

Weitere Projektbeteiligte

Kontakt

Matthias Steidel

Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)
Institut für Systems Engineering für zukünftige Mobilität
Escherweg 2, 26121 Oldenburg