Rosetta

Kometenforschung

Ihr Erscheinen ist unvorhersehbar und ihre Wiederkehr ungewiss. Wo kommen Kometen her? Gehören sie überhaupt zu unserem Sonnensystem? Gelehrte aller Epochen versuchten, diese Fragen zu beantworten.

Die Koma des Kometen

Die Koma ist die Atmosphäre der Kometen. Im Gegensatz zur Erdatmosphäre ist sie sehr dünn, vergleichbar mit Hochvakuum in irdischen Laboratorien. Außerdem ist sie nicht stabil.

Es werden ständig Moleküle und Staubteilchen aus dem Kometenkern nachgeliefert, die diesen mit hoher Geschwindigkeit verlassen und die dünne Koma bilden. Das führt im komplexen Wechselspiel mit der Strahlung der Sonne und dem Sonnenwind zur Bildung der Schweife. Die Zusammensetzung der Koma misst man von der Erde aus mit Spektrometern. Präziser können das aber Instrumente auf Raumsonden. Obwohl die Moleküle durch chemische und physikalische Prozesse in der Koma verändert werden, geben sie wichtige Hinweise auf die Bestandteile des Kerns. Durch den Vergleich mit Daten von interstellaren Molekülwolken, der Zusammensetzung der Erde und auch der Zusammensetzung von Sternen gewinnt man Hinweise auf die Entwicklung unseres Planetensystems. Besonders wichtig sind dabei die Mengenverhältnisse von Isotopen, wie das der beiden „Atomsorten“ Deuterium und Wasserstoff.

Sublimation, ein wesentliches Merkmal von Kometen
Gefrorene Substanzen an der Oberfläche gehen durch Sonneneinstrahlung direkt vom festen in den gasförmigen Zustand über. Die dabei entstehenden Gasmoleküle verlassen mit hoher Geschwindigkeit den Kern und bilden mit dem mitgerissenen Staub die dünne Koma. Sie können dort durch die solaren Photonen (Photodissoziation) oder durch Stöße untereinander in Tochtermoleküle gespalten werden. Bei ausreichend hoher Energieübertragung kommt es zur sogenannten Photoionisation: Die elektrisch geladenen Ionen werden von den geladenen Teilchen des Sonnenwindes wegtransportiert und bilden den Plasmaschweif. Die Abbildung gibt einen vereinfachten Überblick über diese Prozesse.

Vor der Rosetta-Mission waren etwa 30 sogenannte Elternmoleküle in der Kometenkoma bekannt. Oft werden deren Zerfallsprodukte, die Tochtermoleküle, gemessen. Diese geben Aufschluss über die ursprünglichen Verbindungen. Neben den Hauptbestandteilen Wasser, Kohlenmonoxid und Kohlendioxid wurden auch zahlreiche organische Substanzen gefunden. Es wird daher schon lange Zeit vermutet, dass Kometen bei Zusammenstößen mit der Erde wichtige Bausteine für das Leben auf unseren Planeten gebracht haben könnten.

Wie entstand das Sonnensystem?

Unser Planetensystem ist vor 4,56 Milliarden Jahren aus einer rotierenden Wasserstoff-Helium-Wolke und Staub entstanden. Gas und Staub stammten von einem oder mehreren zuvor explodierten Sternen. Hinweise auf das Alter des Sonnensystems geben Gesteinsproben von Meteoriten, genauer gesagt die in ihnen enthaltenen Zerfallsprodukte ihrer radioaktiven Elemente.

Unter der Wirkung der Schwerkraft begann sich die Wolke zusammenzuziehen, während die Zentrifugalkraft sie zu einer Scheibe verdichtete. Im Inneren der Scheibe bildete sich die Sonne. Sie vereint in sich mit 99,8 Prozent fast die gesamte Masse der Wolke. Die Temperatur der Scheibe nahm von innen nach außen ab, sodass sich in der Nähe der frühen Sonne zuerst Festkörper mit hoher Schmelztemperatur (Gestein, Eisen) und weiter außen Festkörper mit niedriger Schmelztemperatur (Wassereis, Ammoniak, Methan) bildeten. Die zunächst kleinen Festkörper ballten sich zu immer größeren Gebilden zusammen, den sogenannten Planetesimalen, und bildeten schließlich die Planeten und deren Monde. Im äußeren Bereich der Scheibe sammelten die felsigen und eisigen Protoplaneten der Riesenplaneten das verbliebene Gas ein und wuchsen zur heutigen Größe. In der inneren Zone der Scheibe gab es nur sehr wenig Gas. Dort bildeten sich die Gesteinsplaneten Merkur, Venus, Erde und Mars.

Kometenkerne und Asteroiden gelten als übrig gebliebene, nahezu ursprüngliche Planetesimale unterschiedlicher Größe. Sie sind Zeitzeugen der Entstehung des Sonnensystems. Das macht sie so überaus interessant für die Forscher.

Die frühe Erde: Ozeane und erstes Leben

Die Zustände auf der frühen Erde vor etwa 3,8 Milliarden Jahren liegen weitgehend im Dunkeln. Wir verfügen über keine Gesteinsproben aus dieser Zeit. Dennoch kann man sich aus der Untersuchung von Meteoriten und Gesteinen von Mond und Mars ein ungefähres Bild machen. Demnach war die ganz frühe Erde mit einem Ozean aus Magma bedeckt. Ihre damalige, sehr heiße Atmosphäre enthielt Gesteinsdampf, Wasserstoff und Helium. Diese ursprüngliche Atmosphäre ging der Erde verloren. Heftige Sonneneruptionen während der sogenannten T-Tauri-Phase, als der junge Stern noch kontrahierte und das thermonukleare Feuer in seinem Inneren zündete, trugen die ursprüngliche Atmosphäre davon.

Der Ursprung der sekundären, zunächst kohlendioxidreichen Atmosphäre und der Ozeane ist umstritten. Für manche Forscher stammt beides aus einem späten Bombardement der Erde mit wasserhaltigen Planetesimalen (Asteroiden und Kometenkerne) vor rund vier Milliarden Jahren. Andere argumentieren, dass die ursprünglichen Bausteine der Erde schon genug Wasser und Kohlendioxid enthielten und die Ozeane sowie die sekundäre Atmosphäre durch Vulkanismus entstanden.

Heute können wir sagen, dass das Wasser der Erde isotopenchemisch nicht zu dem Wassereis auf den meisten Kometen passt, was eher für die Theorie des Ausgasens, des Bombardements durch Asteroiden oder einer Mischung aus beidem spricht.

Nach der Entstehung des Lebens hat sich vor etwa 3-2,5 Milliarden Jahren die Zusammensetzung der Atmosphäre stark verändert. Das Kohlendioxid ist auf der Erde im Wesentlichen in Kalkstein gebunden und die Atmosphäre besteht heute hauptsächlich aus Stickstoff und biologisch produziertem Sauerstoff.

Die Kometenreservoirs

Wo sind Kometen entstanden? Wie haben sich ihre Bahnen im Laufe der Zeit entwickelt? Astronomen haben bisher drei Reservoirs in ganz unterschiedlichen Regionen gefunden.

Die hypothetische kugelförmige Oortsche Wolke (benannt nach Jan Hendrik Oort, 1900-1992) befindet sich am Rand unseres Sonnensystems in einer Entfernung von bis zu 100.000 Astronomischen Einheiten zur Sonne (1 AE = mittlerer Abstand zwischen Erde und Sonne, circa 150 Millionen Kilometer). Die vielen Billionen Kometen in dieser Wolke besitzen insgesamt ein Vielfaches der Masse der Erde. Der ringförmige Kuiper-Edgeworth-Gürtel (vorhergesagt von Gerard Peter Kuiper, 1905-1973 und Kenneth Essex Edgeworth, 1880-1972) schließt dagegen direkt an die äußeren Planeten an und enthält nur einen Bruchteil der Masse der Erde.

Auf Bahnen zwischen Mars und Jupiter befinden sich die meisten Asteroiden im Sonnensystem
Millionen Kleinplaneten bevölkern den Asteroiden- und den Kuiper-Edgeworth-Gürtel – weitere Milliarden Kometen die Oortsche Wolke am Rand des Sonnensystems. Asteroiden und Kometen gelangen häufig aufgrund von Bahnstörungen auf Umlaufbahnen, die dann Bahnen anderer Planeten kreuzen: Dann können diese kleinen Körper mit den Planeten kollidieren. Dabei entstehen Impaktkrater, die auf allen Planeten sichtbar sind.

Die Kometen aus beiden Reservoirs wurden schon bei der Entstehung des Sonnensystems am kalten äußeren Rand der protoplanetaren Scheibe geformt. Erst später wurden sie bei Bahnänderungen der großen Planeten durch deren Schwerkraft in ihre heutigen Positionen gebracht. Ein vor Kurzem entdecktes kleineres Reservoir wird von Kometen im Asteroiden-Hauptgürtel zwischen Mars und Jupiter gebildet. Sie sind in dieser relativ sonnennahen wärmeren Region entstanden und nur wenig aktiv.

Durch Schwerkraft-Einflüsse der großen Planeten, vor allem durch Neptun, beziehungsweise sogar durch Objekte der Milchstraße werden Kometen manchmal aus ihren Orbits gestoßen und gelangen dabei in die Nähe der Sonne und auch der Erde, wo sie aktiv und deshalb sichtbar werden. Je nach Herkunft haben sie verschiedene Bahnformen und Umlaufzeiten. Langperiodische Kometen mit Umlaufzeiten von mehr als 200 Jahren stammen vorwiegend aus der Oortschen Wolke.

Asteroiden und Kometen

Neben Kometenkernen gelten Asteroiden (Kleinplaneten) als unverändert erhalten gebliebene Zeugen der Entstehung des Sonnensystems. Die meisten Asteroiden befinden sich auf Umlaufbahnen zwischen Mars und Jupiter im „Asteroidengürtel“. Ihre Bahnen sind daher den jupiternahen Kometen benachbart. Darüber hinaus gibt es erdnahe Asteroiden, deren Bahnen die Erdbahn kreuzen und mit der Erde kollidieren können.

Die chemische Zusammensetzung der Asteroiden unterscheidet sich von jener der Kometenkerne dahingehend, dass erstere weniger flüchtige Elemente wie Wasser, Kohlenstoffoxide, Methan und Ammoniak und dafür mehr Metalle und Silikate enthalten. Die Übergänge können aber durchaus graduell sein. Darüber hinaus finden wir unter den Asteroiden Körper, die deutlich schneller – in einigen Millionen Jahren – gewachsen sind als Kometenkerne und dabei durch den Zerfall kurzlebiger radioaktiver Elemente bis zur Schmelztemperatur von Eisen aufgeheizt wurden. Solche Asteroiden sind differenziert und weisen, ähnlich wie die inneren Planeten, einen metallischen Kern und einen Silikat-Mantel auf. Einige davon sind durch Kollisionen zerstört worden, sodass wir Asteroiden kennen, die fast nur aus Eisen bestehen. Dagegen sind die uns bekannten Kometenkerne wesentlich langsamer gewachsen, in einigen zehn Millionen Jahren. Sie sind daher sehr kalt und ursprünglich geblieben und kaum in heftige oder zerstörende Kollisionen verwickelt gewesen.

Der Einschlag von Asteroiden und Kometen mit organischen Verbindungen wird vielfach in Zusammenhang mit der Entstehung des Lebens gebracht. Sie könnten die Bausteine für erste einfache Organismen auf der Erde gewesen sein.

Erste Raumsonden zu Kometen

Der Beginn des Raumfahrtzeitalters 1957 eröffnete der Erforschung des Sonnensystems neue Möglichkeiten. Bald schon wurden robotische Raumsonden zum Mond, zur Venus und zum Mars gesandt, um unsere kosmische Nachbarschaft aus der Nähe zu erkunden.

Auch der Besuch eines Kometen war ein Wunsch vieler Wissenschaftler. Nur sind diese im Vergleich zu den Planeten sehr klein. Eine Annäherung ist deshalb viel schwieriger. Außerdem wusste man nur von wenigen Kometen, wann sie sich das nächste Mal der Erde näherten. So war es ein Glücksfall, dass der Halleysche Komet 1986 wiederkehren sollte.

Gleich fünf Raumsonden wurden zum Rendezvous mit Halley auf den Weg gebracht: die sowjetischen Vega 1 und Vega 2, die japanischen Suisei und Sakigake sowie die europäische Sonde Giotto. Diese flog am 14. März 1986 mit 247.000 Kilometern pro Stunde in nur 600 Kilometer Entfernung an Halley vorbei und konnte dabei Messungen und Bilder von Kern und Koma machen. Kollisionen mit Staubteilchen zerstörten jedoch nach kurzer Zeit die meisten der Instrumente.

Giotto passierte 1992 noch den Kometen Grigg-Skjellerup. Bedeutende Ergebnisse lieferten dann drei NASA-Sonden: Deep Space 1 erreichte im Jahre 2001 den Kometen Borrelly. Drei Jahre später sammelte Stardust Staubteilchen aus der Koma von Wild 2. Spektakulär war die US-amerikanische Mission Deep Impact - die Sonde schoss am 4. Juli 2005 ein 372 Kilogramm schweres Projektil auf den Kometen Tempel 1 und hielt den Einschlag aus 8.600 Kilometer Entfernung mit Kameras und Messgeräten fest.

Künstlerische Darstellung der NASA-Sonde Deep Impact
Deep Impact wurde 2005 zum Kometen Tempel 1 geschickt, um ein fast 400 Kilogramm schweres Kupfergeschoss mit hoher Geschwindigkeit in den zwischen fünf und acht Kilometer großen Kometen zu schießen.
Credit:

NASA/JPL/UMD/Pat Rawlings

Die offenen Fragen

Kometen verkörpern ursprüngliche Materie des Sonnensystems. Sie sind Überbleibsel aus jener Zeit vor etwas mehr als 4,5 Milliarden Jahren, als im Umfeld der jungen Sonne die ersten Planeten entstanden. Wegen ihrer geringen Größe und ihrer Lage in kalten Regionen weit weg von der Sonne veränderten sie sich nur wenig. Die Planeten hingegen haben sich seit ihrer Entstehung stark gewandelt, vor allem die Erde lässt kaum noch Spuren aus ihrer frühesten Zeit erkennen. So ist nicht genau bekannt, ob das Wasser der Ozeane aus dem Inneren der Erde stammt oder von anderen Körpern wie vielleicht Kometen auf die Erde gelangte. Auch wissen wir bisher nicht, wie das Leben auf unserem Planeten entstanden ist.

Daher gelten Kometen als wichtige Zeitzeugen der frühen Entwicklung unseres Planetensystems. Um die großen Fragen zum Ursprung der Kometen und zur Entwicklung des Sonnensystems zu beantworten, wurde die Mission Rosetta geplant und beschlossen: Sie sollte mehrere wissenschaftliche Fragestellungen beantworten.

  • Wie ist der Kern des Kometen beschaffen, welche Form hat er und wie verändert er sich?
  • Aus welchen chemischen Elementen, Molekülen und Isotopen ist der Kern zusammengesetzt und welche Minerale befinden sich dort?
  • Welche physikalischen Eigenschaften wie Dichte, Festigkeit, Struktur und thermisches Verhalten hat der Kometenkern?
  • Wie entsteht die Aktivität der Kometen, die in Sonnennähe zur Entwicklung der Koma und der Schweife führt?
  • Wie sind Kometen entstanden – und wo? Gibt es Übereinstimmungen mit Stoffen aus dem interstellaren Raum?
  • Sind Kometen tatsächlich Zeugen der Geburt unseres Sonnensystems und was lernen wir von ihnen?

Zur Beantwortung dieser Fragen begleitete Rosetta über einen Zeitraum von zwei Jahren den Kometen 67P/Churyumov-Gerasimenko und untersuchte ihn – aus einigen Kilometern Entfernung mit dem Orbiter sowie direkt auf der Oberfläche mit dem Lander Philae.

Kontakt

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Kommunikation
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Dr. Ekkehard Kührt

Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)
Institut für Planetenforschung
Rutherfordstraße 2, 12489 Berlin

Dr. Stephan Ulamec

Wis­sen­schaft­li­cher Lei­ter MMX-Ro­ver
Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)
Raumflugbetrieb und Astronautentraining
Nutzerzentrum für Weltraumexperimente (MUSC)
Münchener Straße 20, 82234 Weßling