EASN 2025: Neue flugbetriebliche Konzepte

- Innovative Modelle zur Emissionsbewertung und Trajektorienoptimierung
- Forschung zu Auswirkungen von EU-Klimapolitik
- Neue Ansätze für energieeffizienten Flugbetrieb
Im Oktober 2025 fand in Madrid die 15. EASN International Conference statt. Organisiert vom European Aerospace Science Network (EASN) und der Universidad Politécnica de Madrid, brachte die Konferenz Wissenschaft, Industrie und Politik zusammen, um aktuelle Entwicklungen und Zukunftsperspektiven in der europäischen Luft- und Raumfahrt zu diskutieren. Das DLR-Institut für Luftverkehr präsentierte fundierte Analysen und praxisorientierte Konzepte, die wesentliche Impulse für die Weiterentwicklung einer klimaverträglichen Luftfahrt geben.
Optimierte Flugtrajektorien und Emissionsmodellierung mit pyTOM und GRIDcast
Ein Schwerpunkt der DLR-Beiträge lag auf der Optimierung von Flugtrajektorien sowie der Modellierung und Bewertung künftiger Emissionen des Luftverkehrs. Vorgestellt wurden zwei am Institut entwickelte Werkzeuge, die zur Analyse nachhaltiger Luftverkehrsszenarien beitragen:
Mit dem Python-basierten Optimierungstool pyTOM werden Flugtrajektorien in komplexen Verkehrssituationen unter multiplen Zielgrößen – wie Klimawirkung, Betriebskosten und Zeit – simuliert und optimiert1. Das Werkzeug ermöglicht es, großskalige Verkehrsszenarien effizient zu berechnen und zu analysieren sowie die Auswirkungen verschiedener Betriebsstrategien auf Klima und Effizienz zu bewerten.
Das Simulationswerkzeug GRIDcast dient der modellbasierten Abschätzung globaler Emissionsverteilungen2. Es verknüpft technologische, operationelle und marktbezogene Entwicklungen, um mögliche Transformationspfade des Luftverkehrs zu untersuchen. Das Tool erzeugt dafür innerhalb von Minuten globale 3D-Emissionskataster basierend auf dem vom Nutzer gewählten Szenario, welches unter anderem regionsspezifische Wachstumsraten und die Einführung nachhaltiger Antriebstechnologien berücksichtigt.
EU-Strategie für Nicht-CO2-Effekte im Luftverkehr
Seit Januar 2025 müssen Fluggesellschaften im Rahmen der EU-Nicht-CO2-MRV (Monitoring, Reporting and Verification) die Nicht-CO2-Emissionen ihrer Flüge überwachen und melden. Bis Dezember 2027 könnte die Europäische Kommission die Einbeziehung von Nicht-CO2-Effekten in den EU-ETS vorschlagen. In einem Vortrag hat das Team die Chancen, Herausforderungen und Risiken dieser Entwicklungen vorgestellt3.
Die Vermeidung von Nicht-CO2-Effekten bietet ein hohes Klimapotenzial bei geringen Kosten und kann durch politische Maßnahmen operative und technologische Minderungen beschleunigen. Sie eröffnet eine Chance, die Klimawirkungen des Luftverkehrs zu reduzieren und die Ziele des Pariser Abkommens zu unterstützen.
Gleichzeitig ist die Einbindung von Nicht-CO2-Effekten anspruchsvoll: Unsicherheiten in Wetter, Klimametriken und Modellen müssen berücksichtigt, bewährte CO2-Maßnahmen gegen unsichere Nicht-CO2-Maßnahmen abgewogen und Fehlanreize sowie mögliche Verlagerungseffekte (Leakage) bei regionaler Einführung vermieden werden. Da die Berechnung von Nicht-CO2-Effekten im Vergleich zu CO2 komplex ist und auf wissenschaftlichen Modellen basiert, ist eine schrittweise Einführung sinnvoll, um Vertrauen zu stärken und Stakeholder einzubinden.
Energieeffizienz durch kooperative Flugkonzepte
In einer Studie zum aerodynamischen Formationsflug (Wake Energy Retrieval) wurde untersucht, wie sich dieses Konzept in der Praxis umsetzen lässt4. Bei diesem Konzept nutzen nachfolgende Flugzeuge die Auftriebsenergie vorausfliegender Maschinen, um ihren eigenen Treibstoffverbrauch zu reduzieren. Die Untersuchung identifizierte operative Unsicherheiten in der Flugplanung und quantifizierte deren Einfluss auf die Erfolgsrate von Formationsbildungen. Durch gezielte Strategien zum Umgang mit diesen Unsicherheiten soll die praktische Realisierbarkeit von Formationsmissionen verbessert werden.
Das Forschungsteam zeigte, dass Maßnahmen wie flexible Startzeitverzögerungen der beteiligten Flugzeuge die Erfolgsraten signifikant erhöhen können. Weitere Forschung zur verbesserten Koordination zwischen Flugsicherung, Bodenbetrieb und Fluggesellschaften könnte zusätzlich erhebliche Effizienzpotenziale erschließen.
Luftqualität an europäischen Flughäfen unter verschärften EU-Grenzwerten
Im Rahmen der Poster-Session präsentierte das Institut eine Analyse zu Luftqualitätsentwicklungen an europäischen Flughäfen im Kontext der überarbeiteten EU-Luftqualitätsrichtlinie, die ab 2030 deutlich strengere Grenzwerte für Schadstoffe wie Stickstoffdioxid (NO2) vorsieht5. Basierend auf DLR-eigenen Verkehrsszenarien und Emissionsdaten wurde untersucht, wie viele Flughäfen aktuell und künftig die neuen NO2-Grenzwerte überschreiten könnten. Die Ergebnisse zeigen, dass derzeit etwa 15 Prozent der europäischen Flughäfen den künftigen NO2-Jahresmittelgrenzwert von 20 µg/m3 überschreiten. Je nach Szenario könnte dieser Anteil bis 2050 von sechs Prozent bis über 20 Prozent variieren – abhängig von technologischem Fortschritt und Einsatz nachhaltiger Treibstoffe.
1 M. Mendiguchía Meuser, T. Ehlers, A. Lau, B. Lührs, R. Grunau, R. Kanitz “pyTOM: A python-based Multicriterial Optimization Framework for Aircraft Trajectories in large Traffic Scenarios ”, Vortrag auf der 15. EASN International Conference 2025, Madrid, Spanien.
2 R. Grunau, M. Niklaß, B. Lührs “Efficient modeling of aircraft emission inventories for technology impact assessment in future markets”, Vortrag auf der 15. EASN International Conference 2025, Madrid, Spanien.
3 M. Niklaß, Z. Zengerling, K. Kölker, M. Mendiguchia Meuser, T. Ehlers, A. Lau, R. Eichinger, K. Dahlmann, S. Matthes, V. Grewe, F. Yin, A. Stefanidi, T. Roetger, F. Crova “Integrating climate policies into air transport operations: Challenges, Risks, and Impacts”, Vortrag auf der 15. EASN International Conference 2025, Madrid, Spanien.
4 M. Swaid, V. Gollnick “Strategic Fuel Planning for Aerodynamic Formation Flight: Quantifying Delay Flexibility for Rendezvous Success”, Vortrag auf der 15. EASN International Conference 2025, Madrid, Spanien.
5 N. Flüthmann, M. Gelhausen, A. Leipold, H. Pabst, S. Chatterjee “Air Traffic Scenarios and Emission Development in Context of the revised EU Air Quality Standards”, Poster auf der 15. EASN International Conference 2025, Madrid, Spanien.