23. März 2015

Florian Kock bringt neuen Antrieb für die Elektromobilität

Von Fabian Locher

Für manche ein Zungenbrecher, für Florian Kock hingegen Faszination und Gegenstand seiner täglichen Arbeit: Der Freikolbenlineargenerator FKLG. Florian Kock arbeitet am DLR-Institut für Fahrzeugkonzepte in Stuttgart an der Weiterentwicklung dieses neuen Motorenprinzips. Zusammen mit seinem Team forscht er an einer nachhaltigen und neuen Antriebsform für Hybridautos, die in zehn Jahren schon Standard sein könnte.

Schon während er an seiner Doktorarbeit schrieb, wurde Florian Kock zum Projektleiter. Bei der ihm eigenen Bescheidenheit klingt aber auch ein wenig Stolz durch: "Es geht wahrscheinlich nicht aus jeder Doktorarbeit hervor, dass man ein neuartiges Motorprinzip weltweit erstmalig realisiert", sagt Florian Kock schmunzelnd. Das Konzept eines freischwingenden Kolbens ist in Forscherkreisen bereits seit 1928 bekannt. Doch keiner schaffte es, die Theorie so in die Praxis umzusetzen, wie es sich das DLR vor zehn Jahren auf die Fahnen schrieb. Florian Kock ist seit 2010 dabei und arbeitet als Projektleiter mit vier Wissenschaftlern und etwa ebensovielen Werksstudenten zusammen. Nach mehreren Jahren intensiver Teamarbeit konnte das Team Anfang 2013 nachweisen, dass das Prinzip eines FKLG funktioniert ("Proof of Concept"). "Das war möglich, weil wir bei der Planung und dem Bau zum Glück die richtigen Prioritäten gesetzt haben", blickt Kock zurück.

Liebe zur Geschwindigkeit

Aber nicht nur beim DLR kommt Florian Kock gerne schnell voran. Im Sommer verbringt er seine Freizeit auf dem Renn- oder Motorrad. Geschwindigkeit fasziniert den gebürtigen Hamburger. Seine Doktorarbeit beim Verkehrsinstitut für Fahrzeugkonzepte hat ihn nach Stuttgart gezogen. Anfangs war die Sehnsucht nach dem Norden groß. Inzwischen hat er sich in Süddeutschland eingelebt. Florian Kock stellte schnell fest, dass es nicht weit in die Alpen ist - und entdeckte seine Leidenschaft fürs Snowboard fahren.

Zwischen Prüfstand und Computer

Der viele Sport ist auch eine willkommene Abwechslung zur Arbeit am Computer. Normalerweise besteht sein Tag zu 90 Prozent aus Computerarbeit und Meetings sowie zu zehn Prozent aus praktischer Arbeit am Prüfstand. "In der heißen Phase des ‚Proof of Concept‘ war ich aber wesentlich öfter am Prüfstand", erklärt er, während er den circa 30 Quadratmeter großen Prüfstandraum im Keller des Stuttgarter DLR-Instituts aufschließt. "Die Hardware haben wir komplett alleine aufgebaut." Sein Blick wandert über die metallene Abdeckung des FKLG. "Dass da auch mal was schief geht ist klar. Aber das ist auch das Besondere an unserem kleinen Team. Wenn es mal hektisch wird, packt jeder mit an."

Es ist ein sarggroßes Ungetüm aus Stahl, Kabeln und Drähten. Florian Kock kennt es wie seine Westentasche. "Ich hatte wahrscheinlich jede einzelne Schraube mindestens einmal in der Hand." Und das sind etliche. Der Prüfstand ist ein unwirtlicher Ort. Geräte surren, eine metallene Kälte liegt in der Luft. Florian Kock aber blickt fast liebevoll auf den Dschungel aus Kabeln, Schläuchen, Steuerungselektronik, runden und eckigen Behältern, Stahltrommeln und Werkzeugen. Dann festigt sich sein Blick: "Werkzeuge sollten hier eigentlich nicht herumliegen", stellt er fest. An einer Werkbank können vor Ort noch kleinere Sonderanfertigungen fertiggestellt, vormontiert oder gelötet werden. "Manchmal wird sie aber auch als Ablage missbraucht", sagt Kock mit einem Augenzwinkern, "das sehe ich aber nicht so gerne".

Reisen bildet

Als 2013 mit dem "Proof of Concept" gezeigt wurde, dass das Prinzip FKLG funktioniert, packte Florian Kock das Fernweh. Der Zeitpunkt war günstig: ein Meilenstein bei der FKLG-Projektleitung gerade erfolgreich abgeschlossen, die Dissertation war fertig zusammengeschrieben und die Institutsleitung bekräftigte ihn in seiner Entscheidung. Zunächst ging es an die Universität von Buenos Aires. Dort schärfte sich auch sein Blick auf unterschiedliche Standards im Forschungsbetrieb: "Zu sehen, wie dort geforscht wird, war eine extrem interessante Erfahrung. Mittel, mit denen wir hier in Deutschland beim DLR wie selbstverständlich arbeiten, sind dort einfach nicht existent. Das ist natürlich den Möglichkeiten des Landes geschuldet, aber seitdem sehe ich die Forschungssituation hier zuhause mit ganz anderen Augen."

Das Prinzip FKLG

Wieder zurück am Institut ist die Arbeit am Freikolbenlineargenerator-Projekt nicht weniger geworden. Schon der Name verrät das Programm - der Kolben im Lineargenerator bewegt sich tatsächlich frei. Das bedeutet, dass er sich nicht zwingend zwischen zwei mechanisch definierten Endpunkten bewegt (siehe Info-Kasten). "Das war von Anfang an eine der größten Herausforderungen", erklärt Kock. Denn dabei kann auch vieles schiefgehen. Wenn sich der Kolben auch nur ein Stückchen zu weit bewegt, schlägt er im Zylinderkopf am Ende der Apparatur ein und es entsteht ein riesiger Schaden. Das wäre nicht nur kostspielig, sondern auch gefährlich. Deshalb überwachen die Wissenschaftler die Tests mit dem FKLG aus einem separaten Steuerraum - hinter 3 cm dickem Panzerglas. Mindestens zwei DLR-Mitarbeiter schauen während dieser Testläufe gebannt auf die fünf installierten Monitore. Neben der Spannung, ob die Versuche wie geplant laufen, ist der FKLG zudem extrem laut. "Noch hört es sich an als ob man direkt neben einem Presslufthammer steht. Das ist auch einer der Punkte an denen wir gerade arbeiten", erläutert Florian Kock.

Ein anderer Punkt ist die schiere Größe. Zum jetzigen Zeitpunkt ist es schwer vorstellbar, dass der FKLG mal leise summend seinen Platz in einem Elektroauto einnehmen wird. Genau das ist nämlich das Ziel. Als Teil eines Hybridantriebs erzeugt der FKLG dort den Strom für den Antrieb, selbst dann, wenn die Batterien leer sind. Was sich nach einem bloßen Notfall-Aggregat anhört, ist in Wahrheit viel mehr als das. Während so ein Hybridauto kürzere Strecken bis zu fünfzig Kilometer, beispielsweise in der Innenstadt, rein elektrisch fahren kann, soll zukünftig bei längeren Strecken bis zu 600 Kilometer der FKLG-Range-Extender übernehmen (siehe Animation).

Der DLR-Freikolbenlineargenerator
Wissenschaftler des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Stuttgart haben ein grundsätzlich neues Antriebskonzept entwickelt, um die Reichweite von Elektrofahrzeugen zu vergrößern: Der Freikolbenlineargenerator (FKLG) ist ein Verbrennungsmotor, der Strom erzeugt. Dieser Strom treibt das Elektroauto an, wenn die Batterie leer ist. Im Gegensatz zu konventionellen Range-Extendern können im Freikolbenlineargenerator unterschiedliche Kraftstoffe zum Einsatz kommen.

Herausforderungen erkennen und bewältigen

Aber nicht nur der mechanische Aufbau war eine große Herausforderung. Denn Florian Kock leitet auch die Programmierung der Elektronik und Regelungstechnik. "Wir haben quasi die ‚elektronische Kurbelwelle‘ entwickelt. Was früher ein mechanisches Konstrukt war, haben wir als reine Software darstellen können." Dass das System funktioniert, ist seit über zwei Jahren erwiesen. Ein wichtiger Bestandteil des Erfolgs ist die eigens entwickelte Datenbanksoftware, in der alle Bauteile katalogisiert sind. "Dieses Tool ist extrem wichtig um bei kleineren Defekten nachvollziehen zu können, was, wann, wo und warum verbaut wurde", betont der Projektleiter.

Zusammen mit Freunden bewohnt Kock eine kleine Wohnung in der Stuttgarter Innenstadt. "Ich hätte auch kein Problem damit, nochmal die Stadt zu wechseln. Richtig sesshaft bin ich noch nicht. Ich fühle mich immer noch relativ frei", betont er lächelnd. Derzeit freut er sich jedoch, dass er in einer leitenden Funktion ein innovatives Antriebkonzept voranbringen kann. Nachdem sein Vorgänger mit Abschluss seiner Promotion das DLR-Institut verließ, bekam Florian Kock die Projektleitung anvertraut. "Das war anfangs natürlich der klassische Sprung ins kalte Wasser. Aber auch eine riesige Chance, die ich nicht missen möchte."

  • Der Freikolbenlineargenerator (FKLG) - Ein hochflexibler und hocheffizienter Energiewandler

    Die Batterien für elektrisch angetriebene Fahrzeuge weisen hohe Materialkosten und eine geringe Energiedichte auf. Um dennoch, ein Elektrofahrzeug mit geringem Gewicht und akzeptablen Herstellkosten anbieten zu können, ist die Verwendung einer Einheit aus Verbrennungsmotor und Generator zur Hybridisierung zielführend. Diese wandelt die im Kraftstoff gebundene chemische Energie in elektrische Energie, so dass der Elektromotor damit direkt angetrieben werden kann. In Verbindung mit einer kleineren Batterie ist es möglich, kurze Strecken rein elektrisch zu fahren. Für längere Strecken kann der FKLG als Stromerzeugungseinheit verwendet werden, um die Reichweite zu erhöhen. Bei einer Energiewandlungseinheit des Typs FKLG sind vor allem ein hoher Wirkungsgrad, ein gutes Vibrations- und Geräuschverhalten sowie eine kompakte Bauweise von Bedeutung. Der Freikolbenlineargenerator bietet in diesen Bereichen große Potentiale und wird am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) erforscht.

  • Funktionsweise

    Beim Freikolbenlineargenerator (FKLG) handelt es sich um eine besondere Ausprägung eines Freikolbenmotors. Freikolbenmotoren zeichnen sich durch eine frei schwingende Kolbeneinheit aus, deren Bewegung nicht durch einen Kurbeltrieb vorgegeben ist. Beim Freikolbenlineargenerator schwingt die Kolbeneinheit zwischen zwei Kompressionsräumen, wovon in einem ein Kraftstoff-Luft-Gemisch gezündet wird (Teilsystem Verbrennung) und in dem anderen ausschließlich Luft komprimiert und wieder expandiert wird (Teilsystem Gasfeder). Zwischen den beiden Kolben werden Permanentmagneten in die Kolbeneinheit integriert, die sich zwischen Spulenkörpern bewegen. Permanentmagneten und Spulenkörper bilden zusammen den Lineargenerator. Durch die entstehende lineare Bewegung kann die durch die Verbrennung zugeführte Energie im Lineargenerator elektrisch ausgekoppelt und dem Speicher oder Antriebsmotor zur Verfügung gestellt werden.

  • Eigenschaften

    • Variable Verdichtung

    • Variabler Hubraum

    • Linearbewegung

  • Potential

    • Hohe Wirkungsgrade

    • Hohe Leistungsdichte

    • Kompakte Bauweise

    • Flexfuel-Fähigkeit

    • Reibungsminimierung

    • Verschleißminimierung

    • Sehr gutes Geräusch- und Schwingungsverhalten

    • Wenige bewegte Teile

Kontakt

Denise Nüssle

Presseredaktion
Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)
Kommunikation und Presse
Pfaffenwaldring 38-40, 70569 Stuttgart
Tel: +49 711 6862-8086

Florian Kock

Projektleiter Freikolbenlineargenerator
Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)
Institut für Fahrzeugkonzepte
Institut für Fahrzeugkonzepte
Pfaffenwaldring 38-40, 70569 Stuttgart