16. Juli 2016

Happy Birthday, Falcon! Interview mit DLR-Testpilot zum 40. Geburtstag des Forschungsflugzeugs

Das Forschungsflugzeug Falcon des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt feiert in diesem Jahr sein 40-jähriges Dienstjubiläum. Im Interview erklärt DLR-Testpilot Philipp Weber, was die Falcon so attraktiv macht und wie es war, 2010 nach einem Vulkanausbruch das einzige Flugzeug über Europa zu sein.

Die Falcon ist heute vor 40 Jahren ihre erste Reise angetreten. Vom französischen Flugzeugbauer Dassault, ging es zum DLR-Flugbetrieb nach Oberpfaffenhofen. Wie kommt es, dass das Flugzeug auch heute noch für die Forschung genutzt wird?

Die Falcon ist zwar 40 Jahre alt, hat aber für ein 40 Jahre altes Flugzeug nur sehr wenige Flugstunden auf dem Buckel - aktuell etwas über 9.000. Geteilt durch 40 ist das sehr wenig für ein Flugzeug. Nun führen wir ja keine Linienflüge durch, sondern betreiben mit der Falcon ausschließlich Forschung. Das heißt wir fliegen nicht jeden Tag. Zwischen den Flugkampagnen haben wir deshalb auch wesentlich mehr Zeit für die Wartung und Pflege, die zudem intensiver betrieben werden kann. Das sind einige Gründe warum die gesamte Forschungsflotte des DLR in einem exzellenten Zustand ist.

Was macht die Falcon so attraktiv?

Das Design ist ja von Ende der 50er, Anfang der 60er Jahre. Anders als heute, baute man Flugzeuge damals ohne hochpräzise Computerberechnungen, die es ermöglichen, jedes Gramm Gewicht zu sparen. Also legte man die Flugzeuge großzügiger aus und baute eher stabil.

Das heißt die Falcon ist robuster als heutige Flugzeuge?

Die Falcon ist fast wie ein Panzer. Sie ist eigentlich nicht kaputt zu kriegen - zumindest nicht die Struktur. Das erlaubt es uns zum Beispiel, sehr nah hinter anderen Flugzeugen herzufliegen ohne dabei Angst haben zu müssen, dass die Flugzeugstruktur einen Schaden davon trägt. Trotzdem wird das Flugzeug nach einem solchen Flug jedes Mal einer peniblen Nachflugkontrolle durch unsere Techniker unterzogen. Das ist es eigentlich, was die Falcon ausmacht: Man setzt sich rein und fühlt sich sicher - auch wenn die Mission mal etwas abenteuerlich ist.

Wann sind Sie das erste Mal mit der Falcon geflogen - und wie aufgeregt waren Sie?

Das war 2008 und aufgeregt war ich eigentlich gar nicht. Anders als bei der Führerscheinprüfung, die man zwar in einem Golf macht, man dann aber auch einen Sportwagen fahren darf, muss man beim Fliegen für jeden Flugzeugtypen eine extra Ausbildung machen. Dafür lernt man mehrere Wochen in Vollzeit in einer Simulatorschule das Flugzeug kennen. So kennt man den Flieger schon recht gut, bevor man überhaupt das erste Mal im echten Cockpit sitzt. Ich war aber trotzdem sehr gespannt auf meinen ersten Flug mit der Falcon - ich saß davor ja noch nie in einem Jet. Vor der Falcon bin ich bereits acht Jahre lang beim DLR die DO 228 und die Caravan geflogen.

Wie haben Sie sich geschlagen?

Erstmal fliegt man nur Platzrunden und übt mehrfach das Starten und Landen. Ich war überrascht, wie einfach sie sich fliegt. Ich glaube, meine erste Landung mit der Falcon war auch acht Jahre später noch eine meiner sanftesten Landungen meiner Karriere. Es war fast spektakulär unspektakulär.

Fliegt sie sich heute noch genauso?

Ohne Unterschied. Die Falcon ist einfach ein tolles Flugzeug, das einem keine Überraschungen beschert. Es ist natürlich ein relativ altes Flugzeug - das sieht man vor allem am Cockpit. Wenn man die Cockpits von HALO und der Falcon vergleicht, ist das schon eine andere Welt. HALO besitzt State-of-the-Art Cockpittechnik - viele Displays, wenig Knöpfe. Dagegen ist die Falcon ein regelrechter Uhrenladen. Schaut man als unbedarfter Pilot in das Cockpit der Falcon ist man zuerst erschlagen von den vielen Anzeigen und Schaltern, aber nach der intensiven Ausbildung in Theorie und im Simulator verliert sich der Schrecken sehr schnell.

Als der isländische Vulkan Eyjafjallajökull 2010 den Luftverkehr in Europa lahmgelegt hat, ist die Falcon als "Volcano Ash Hunter" international berühmt geworden. Sie waren damals einer der DLR-Piloten, die mit ihren Messflügen die Grundlagen für die Freigabe des Luftraums erwirkt haben. Wie war es, so alleine am Himmel zu sein?

Wir waren wirklich fast die einzigen im Europäischen Luftraum - bei dem normalen Linienverkehr schon eine verrückte Sache. Die Lotsen am Boden sind normalerweise extrem konzentriert, müssen mehrere Verkehrsflugzeuge gleichzeitig koordinieren und durch ihren Sektor, also dem ihnen zugeteilten Luftraum, lotsen. Bei den Ascheflügen waren die aber sehr entspannt. Aus dem Funk kam "Ah, ja, die D-CMET [Kennzeichen der DLR-Falcon, Anm. der Red.]. Ist schon okay, ihr könnt weiter fliegen". Das war schon kurios.

Waren Sie damals in der Wolke und haben nichts mehr gesehen?

Nicht direkt. Während ich bei einem späteren Flug nur bis England und zu den Kanalinseln geflogen bin, flogen meine Kollegen in den ersten Flügen direkt bis zum Vulkan nach Island. Eine einzige, zusammenhängende Wolke hat man, im Gegensatz zu Island, über England nicht mehr erkennen können. Die Luft war eher sehr dreckig. Am Horizont gab es einen dicken, bräunlichen Streifen. Es war also keine wirklich dichte, dunkle Aschewolke, durch die man geflogen ist, sondern eher ein dreckiger Dunst, der sich durch die gesamte Luft gezogen hat. Wir sind dann über der Ascheschicht geflogen, kontrolliert eingetaucht, haben die Zusammensetzung der Luft gemessen und sind dann wieder herausgeflogen. Durch die Wissenschaftler mit ihren Messgeräten an Bord, wussten wir jederzeit in was für einer Luftmasse wir uns gerade bewegen. Rein optisch war das nicht erkennbar.

Wie sind Sie DLR-Testpilot geworden?

Mein Weg war sehr exotisch. Ich habe nie darauf hin gearbeitet, Berufspilot zu werden. Nach Abitur und Zivildienst habe ich zunächst keinen Studienplatz gekriegt. Über zehn Ecken habe ich dann erfahren, dass das DLR Lehrstellen als Funkelektroniker anbietet. So kam ich zum ersten Mal ins DLR nach Oberpfaffenhofen.

In der Kantine habe ich dann einen Aushang gesehen, dass es am DLR eine 'Flugsportgruppe' gebe. Als ich das zu Hause erzählt habe, war mein Vater sofort begeistert. Also haben wir zusammen beim DLR mit dem Fliegen angefangen.

Nach Abschluss der Lehre habe ich dann einen Studienplatz bekommen können und Informatik studiert. Nebenbei bin ich immer ein bisschen geflogen. Durch meine Kontakte zum DLR war ich während des Studiums oft als Werksstudent in verschiedenen Instituten tätig. 1997 wurde ich vom Flugbetrieb angesprochen, ob ich nicht eine Webseite für sie programmieren könne - als Informatikstudent keine große Herausforderung. Beim Flugbetrieb habe ich dann auch meine Diplomarbeit geschrieben - ich habe einen automatischen Druckkalibrierstand für die Fünf-Loch-Sonde am Nasenmast der Falcon entwickelt - ohne zu ahnen, dass ich die Falcon nur ein paar Jahre später selber fliegen sollte.

Wie ging es dann weiter?

Ich hatte damals nur einen privaten Pilotenschein für Motorsegler. Den Motorflugschein habe ich neben dem Diplom gemacht. Nun hatte ich mein Diplom in Informatik und nach einigen eher frustrierenden Bewerbungsrunden bei diversen IT-Konzernen habe ich mal scherzhaft beim DLR gefragt, ob sie nicht noch einen Piloten suchen. Damals gab es einige Wechsel beim DLR-Flugbetrieb, so dass tatsächlich neues Personal gesucht wurde.

Also habe ich erst als IT-Manager beim Flugbetrieb angefangen und nebenbei für meinen Verkehrspilotenschein gelernt. Anderthalb Jahre später war ich dann Pilot. Das war vor 16 Jahren. Mitte 2009 besuchte ich dann für mehrere Monate die National Test Pilot School (NTPS) in Mojave, Kalifornien und besitze seitdem auch eine Testpiloten-Berechtigung.

War der Ritt durch die Vulkanasche der spannendste Flug bisher?

Auf jeden Fall einer der spannenderen Flüge, ja. Aber ich bin auch schon einige andere interessante Kampagnen geflogen. Neben drei mehrmonatigen Flugkampagnen mit zwei Do228 des Alfred Wegener Institutes in der Antarktis, waren wir 2014 in Palmdale [Kalifornien, Anm. d. Red.], um gemeinsam mit der NASA und der Kanadischen Forschungsorganisation NRC, Flugversuche zum Thema alternative Treibstoffe durchzuführen. Das war schon sehr außergewöhnlich. Wir sind dabei sehr nah hinter der NASA DC8, einem vierstrahligen Düsenpassagierflugzeug, hergeflogen, um die Abgase der Triebwerke zu analysieren. Das war wirklich etwas Besonderes. Bei den ersten ein, zwei Flügen wusste ich noch nicht so recht, was mich da genau erwartet - da klopft das Herz schon ein wenig schneller.

Aber auch die Kampagne in Neuseeland war sehr beeindruckend. Allein der Weg dahin… Das Gefühl, dass man in Oberpfaffenhofen in die Falcon steigt und ans andere Ende der Welt fliegt - einfach so. Das war schon eine tolle Erfahrung. Auch wenn die Hinreise natürlich eigentlich eine geschlagene Woche gedauert hat und etwa 10 Tankstopps brauchte… (lacht).

Vielen Dank für das Gespräch und weiterhin guten Flug!

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Fabian Locher

Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)
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Kommunikation, Redaktion Luftfahrt