17. Oktober 2016

Zu­kunft Ra­dar: Nut­zen und Po­ten­zia­le von Ter­ra­SAR-X und Tan­DEM-X in der Wis­sen­schaft

Mount Erebus, Antarktis
Mount Ere­bus, Ant­ark­tis
Bild 1/4, Credit: DLR

Mount Erebus, Antarktis

Im Rah­men der deut­schen Ra­dar­sa­tel­li­ten­mis­si­on Tan­DEM-X wur­den erst­mals die Pol­re­gio­nen voll­stän­dig und hoch­genau ver­mes­sen - für Kli­ma­for­schung und Ge­wis­sen­schaf­ten von un­schätz­ba­rer Be­deu­tung. Das Ge­län­de­mo­dell hier zeigt das Ant­ark­tis­ge­biet rund um den 3.794 Me­ter ho­hen Mount Ere­bus (links oben), ein von Glet­sche­reis be­deck­ter ak­ti­ve Vul­kan.
Gleschernetzwerk Grönland
Gle­scher­netz­werk Grön­land
Bild 2/4, Credit: DLR.

Gleschernetzwerk Grönland

Die Ver­mes­sung der Po­lar­re­gio­nen durch Tan­DEM-X ist so ge­nau, dass Glet­scher­be­we­gun­gen mit Zen­ti­me­ter­ge­nau­ig­keit und Hö­hen­ver­än­de­run­gen auf­grund der Eis­schmel­ze mit Me­ter­ge­nau­ig­keit be­stimmt wer­den kann. Ers­te Aus­wer­tun­gen ha­ben ge­zeigt, dass in ei­ni­gen Re­gio­nen, Glet­scher bis zu 30 Me­ter pro Jahr an Di­cke im Be­reich der Glet­scher­zun­gen ver­lie­ren. Das farb­ko­dier­te Ge­län­de­mo­dell zeigt hier ei­ne Re­gi­on im Nord­ost-Grön­land-Na­tio­nal­park, dem größ­ten Na­tio­nal­park der Welt. Mar­kant ist der rund fünf Ki­lo­me­ter brei­te Ele­phant Foot Glet­scher in der Bild­mit­te, der sich vom Ge­bir­ge in ei­ne fla­che Ebe­ne, den Ro­mer La­ke, aus­brei­tet.
Regenwald Rodung, Bolivien
Re­gen­wald Ro­dung, Bo­li­vi­en
Bild 3/4, Credit: DLR

Regenwald Rodung, Bolivien

Ro­dung in San­ta Cruz, Bo­li­vi­en: Auf den ers­ten Blick scheint die Na­tur un­be­rührt - Wald­flä­chen, durch­zo­gen von Flüs­sen und klei­ne­ren Berg­ket­ten. Auf den zwei­ten Blick sind strei­fen­ar­ti­ge Struk­tu­ren sicht­bar - Feucht­wald­flä­chen, die für Plan­ta­gen ge­ro­det wur­den.
Vulkaninsel Jeju, Südkorea
Vul­kan­in­sel Je­ju, Süd­ko­rea
Bild 4/4, Credit: DLR.

Vulkaninsel Jeju, Südkorea

Die süd­lich der ko­rea­ni­schen Halb­in­sel ge­le­ge­ne In­sel Je­ju ist vul­ka­ni­schen Ur­sprungs und weist da­durch ei­ne be­son­de­re To­po­gra­phie auf. Drei Or­te auf der klei­ne In­sel wur­den von der UN­ES­CO zu na­tür­li­chen Welter­be­stät­ten er­nannt, dar­un­ter den Hal­lasan Na­tio­nal­park. Das Tan­DEM-X Ge­län­de­mo­dell zeigt links un­ten Hal­lasan, ein er­lo­sche­nen Vul­kan und mit 1.950 Me­tern der höchs­te Berg Süd­ko­re­as. Rings­um sind durch ihn über 365 klei­ne vul­ka­ni­sche Ber­gen, La­va- und Mee­res­höh­le ent­stan­den, die die Land­schaft und Ve­ge­ta­ti­on der In­sel prä­gen.

Die deutschen Satellitenmissionen TerraSAR-X und TanDEM-X prägen seit 2007 und 2010 die internationale Forschungslandschaft mit einzigartigen Erdbeobachtungsdaten. Wissenschaftliche Nutzer aus der ganzen Welt sind am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Oberpfaffenhofen zusammengekommen, um im Rahmen des "TerraSAR-X und TanDEM-X Science Meetings" die aus den Daten gewonnenen Ergebnisse auszutauschen und Anforderungen an künftige Fernerkundungstechnologien zu formulieren. In rund 200 Präsentationen offenbart sich vom 17. bis 20. Oktober 2016 der neueste Stand der Forschung – aus den Bereichen Glaziologie, Hydrologie, Permafrost, Meereis, Hangrutschung, Landwirtschaft, Wald, Vulkanologie, Küsten und Ozeane, Georisiken und Methoden zur Erstellung digitaler Geländemodelle. Begleitend dazu stellt der Space­blog: Auf dem Weg zum ul­ti­ma­ti­ven Voll­mond­bild des DLR Vorträge aus dem „Science Meeting“ vor und skizziert, in welcher Weise die Daten der zwei Radarmissionen Forscher weltweit unterstützen.

Anwendungen in der Forschung

Radarsensoren haben für die Erdbeobachtung besondere Bedeutung, da sie unabhängig vom Wetter und zu jeder Tages- oder Nachtzeit Aufnahmen liefern. Vom Weltall aus können sie große Gebiete, mehr als hundert Kilometer lang, erfassen. Die zivilen Radarsatelliten Ter­ra­SAR-X und TanDEM-X haben im Rahmen ihrer gleichnamigen Missionen die Erde zudem hochgenau vermessen – entscheidend für die wissenschaftliche Verwertbarkeit der Daten. Die Satelliten befinden sich aktuell noch im Betrieb und könnten noch mehrere Jahre für die Forschung genutzt werden.

"Internationale Forschungseinrichungen und Organisationen verwenden die bisherigen Daten, um beispielsweise Naturgefahren wie Erdbeben, Vulkanausbrüche und Tsunamis zu analysieren. Je genauer Einflussfaktoren und Zusammenhänge bekannt sind, umso gezielter können im Anschluss auch Strategien und Maßnahmen entwickelt werden, Krisenfällen vorzubeugen oder besser zu bewältigen", erklärt Achim Roth vom Deutschen Fernerkundungsdatenzentrum des DLR.

Im Bereich des Umweltschutzes zeigen Anwender unter anderem, dass mit Hilfe der Radarsatelliten systematische Waldrodungen oder der illegale Abbau von Waldflächen beobachtet werden können. Dies gilt nicht zuletzt für Regenwälder, die aufgrund ihrer Größe und Wetterverhältnisse erst durch Radarsensoren optimal erfasst werden. Waldgebiete stehen auch im Fokus der Wissenschaft, da sie mit ihrer gewaltigen Biomasse unnmittelbaren Einfluss auf den Treibhauseffekt haben: Beim Verfall oder Abbau von Vegetation wird dem Wald eine große Menge Kohlenstoff entzogen. Brandrodungen in großem Umfang sind kritisch, da die Kohlenstoffanteile des Waldes unmittelbar freigesetzt werden. In entsprechend hohen Konzentrationen entsteht in der Atmosphäre dann das Treibhausgas CO2. Beim Abbau, etwa zur Holznutzung, wird der natürliche Kohlenstoffspeicher der Waldfläche hingegen über einen längeren Zeitraum deutlich verzögert freigesetzt.

Einfluss auf die weitere Forschung

Der Blick aus dem All kann auch sehr genaue Auskünfte über die Veränderungen von Gletschern und Eisschilden geben. Die teils drastischen Entwicklungen müssen regelmäßig beobachtet werden und sind im Zusammenhang der globalen Erderwärmung zu sehen. Einen wahren Datenschatz liefert hier das neue TanDEM-X-Höhenmodell – noch nie zuvor wurden Grönland und die Antarktis umfassend und mit so hoher Genauigkeit vermessen. Die Eismassen waren aus wissenschaftlicher Sicht bisher "weiße Flecken" auf der Weltkarte:

Die Polarregionen sind für Radaraufnahmen mit Höchstschwierigkeiten verbunden. Glatte Schneeoberflächen weisen keine markanten Referenzpunkte auf zur Überlagerung mehrerer Aufnahmen. Eine ungenaue Zuordnung der Bildpunkte führt jedoch zu Bildrauschen. "Durch eine ausgeklügelte Datenverarbeitung am Boden und die präzise Kalibrierung des Radarinstruments können wir die Bewegung von Gletscher mit Zentimetergenauigkeit beziehungsweise die Höhenveränderungen aufgrund der Eisschmelze mit Metergenauigkeit bestimmen", so Prof. Irena Hajnsek vom DLR-Institut für Hochfrequenztechnik und Radarsysteme. Das globale TanDEM-X-Höhenmodell eröffnet Klimaforschern und Geowissenschaftlern jetzt völlig neue Ansichten und Forschungsmöglichkeiten. Welche Erkenntnisse sie daraus gewinnen und welchen Einfluss das auf die internationale Forschungslandschaft übt wird in diesem wie auch dem nächsten „Science Meeting“ ein hochaktuelles Thema sein.

Bio­mas­se: To­mo­gra­phi­sche Ab­bil­dung von Wald mit Da­ten vom DLR Flug­zeug-SAR (mitt­le­re Auf­lö­sung)
De­mons­tra­ti­on der to­mo­gra­phi­schen Ab­bil­dung von Wald mit Da­ten vom DLR Flug­zeug-SAR.
Credit: DLR

Blick in die Zukunft: HRWS und Tandem-L

TerraSAR-X und TanDEM-X haben mit dem erfolgreichen Betrieb der Satelliten im Formationsflug sowie der herausragenden Qualität der Daten einen Meilenstein in der Erdbeobachtung gesetzt. In Erweiterung des deutschen Radarsatellitenprogramms strebt das DLR ein Nachfolgesystem HRWS (High Resolution Wide Swath) an, um die Kontinuität der Erdbeobachtung im bewährten X-Band Frequenzbereich sicherzustellen. Der Start von HRWS ist für 2022 geplant. Ein neuatiges Erdbeobachtungssystem erarbeitet das DLR außerdem intensiv im Rahmen des Missionsvorschlags Tandem-L.

Ziel der hochinnovativen Radarmission Tandem-L ist es, wichtige Umwelt- und Klimaparamter global und in hoher zeitlicher Auflösung zu erfassen: Alle acht Tage sollen zwei Radarsatelliten die Landmasse der Erde dreidimensional abbilden. Dadurch können dynamische Prozesse der Erde zeitgerecht und systematisch erfasst werden. Erdbebenforscher und Risikoanalysten wären in der Lage Deformationen der Erdoberfläche milimetergenau zu verfolgen. Gletscherbewegungen und Schmelzprozesse in den Polarregionen könnten regelmäßig und dadurch noch genauer ermittelt werden. Die Erdbeobachtungsdaten der drei Radarsysteme sollen sich komplementär ergänzen.

Im Vergleich zu den beiden aktuellen Missionen wird Tandem-L mit einer längeren Wellenlänge betrieben. Mit der Wellenlänge von rund 24 Zentimeter kann die Vegetation durchdrungen werden, so dass die Flächenstrukturen des Untergrunds sichtbar werden. Dank neuer Technologien und Aufnahmeverfahren, wie der polarimetrischen SAR-Interferometrie, kann auch ein Wald dreidimensional kartiert werden. Hieraus werden dann die Waldhöhen berechnet und die Biomasse indirekt abgeschätzt – auf globaler Ebene ist dies bisher nicht möglich.

Wissenschaftler unterschiedlicher Helmholtz-Zentren, die an den Vorstudien der Mission beteiligt sind, stellen nun ihre Ergebnisse in Oberpfaffenhofen vor und erörtern, welche tragende Rolle Tandem-L zur Beantwortung von umweltrelevanten Herausforderungen spielen kann. Mit dem "Science Meeting" steht den insgesamt rund 300 internationalen Teilnehmer eine Plattform zur Verfügung, den gemeinsamen Forschungsbedarf zu identifizieren und die Zukunft der Erdbeobachtung einzuleiten.

Tan­dem-L: Krei­de­ani­ma­ti­on (mitt­le­re Auf­lö­sung)
Credit: DLR

Nutzungsregelung der TanDEM-X Daten

TanDEM-X wurde im Auftrag des DLR mit Mitteln des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie als Projekt in öffentlich-privater Partnerschaft mit Airbus Defence and Space umgesetzt. Das DLR ist verantwortlich für die wissenschaftliche Nutzung der TanDEM-X-Daten, die Planung und Durchführung der Mission, die Steuerung der beiden Satelliten und die Erzeugung des digitalen Höhenmodells. An der Entwicklung und dem Betrieb des Bodensegments der Satelliten TerraSAR-X und TanDEM-X sind das DLR-Institut für Hochfrequenztechnik und Radarsysteme, das DLR-In­sti­tut für Me­tho­dik der Fer­ner­kun­dung (IMF), das Deutsche Fernerkundungsdatenzentrum sowie der Raumflugbetrieb des DLRin Oberpfaffenhofen beteiligt. Die wissenschaftliche Leitung obliegt dem DLR-Institut für Hochfrequenztechnik und Radarsysteme. Airbus Defence and Space hat den Satelliten gebaut und ist an den Kosten für Entwicklung und Nutzung beteiligt. Das Unternehmen ist auch für die kommerzielle Vermarktung der TanDEM-X-Daten zuständig.

Der Zugang zum TanDEM-X Höhenmodell ist folgendermaßen geregelt: Das DLR gibt die Daten kostenlos an wissenschaftliche Projekte heraus. Dazu müssen Interessenten jedoch den wissenschaftlichen Charakter ihres Projektes mit einem Proposal nachweisen und beim DLR einreichen. Alle Informationen dazu finden sich auf der Tan­DEM-X Science Ser­vice Sys­tem: In­for­ma­ti­on on availa­bi­li­ty pro­ducts. Kommerzielle Nutzer der Daten müssen sich an den Projekt-Partner Airbus Defence and Space wenden und können dort Höhendaten kostenpflichtig erwerben.

Die Daten der TanDEM-X-Mission sind in einer sogenannten Public-Private-Partnership entstanden. Auf Grund dieser Kooperation stellt das DLR die Daten der Wissenschaft zur Verfügung, der Industriepartner Airbus hingegen zeichnet für die kommerzielle Vermarktung verantwortlich. Es ist vorgesehen, das Geländemodell in einer geringeren Auflösung für Jedermann zur Verfügung zu stellen, so dass eine Verarbeitung der Daten auch mit handelsüblicher Computertechnik möglich ist.

Kontakt
  • Bernadette Jung
    Pres­se­re­dak­ti­on
    Deut­sches Zen­trum für Luft- und Raum­fahrt (DLR)

    Kom­mu­ni­ka­ti­on
    Telefon: +49 8153 28-2251
    Münchener Straße 20
    82234 Weßling
    Kontaktieren
  • Prof. Irena Hajnsek
    Wis­sen­schaft­li­che Ko­or­di­na­to­rin
    Deut­sches Zen­trum für Luft- und Raum­fahrt (DLR)
    In­sti­tut für Hoch­fre­quenz­tech­nik und Ra­dar­sys­te­me
    Telefon: +49 8153 28-2362
    Münchner Straße 20
    82234 Oberpfaffenhofen-Weßling
    Kontaktieren
  • Achim Roth

    Deut­sches Fer­ner­kun­dungs­da­ten­zen­trum
    Telefon: +49 8153 28-2706
    Kontaktieren
Bilder zum Thema
Neueste Nachrichten

Hauptmenü