7. Oktober 2019 | Aus dem DLRmagazin 163

Am geteilten Himmel

Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) forscht für Sicherheit in einem sich rasant verändernden Luftraum.

Eine Paketdrohne liefert eine Warensendung im Vorgarten eines Einfamilienhauses ab. Weiter oben bringen autonome Lufttaxis Pendler zu ihren Arbeitsplätzen in der Stadt. Über den Straßenkreuzungen der Innenstadt schweben kleine unbemannte Fluggeräte. Sie erkennen das Verkehrsaufkommen oder Störungen und speisen die Informationen interaktiv in eine zentrale Verkehrsregelung ein. Dieses Szenario scheint einem Science-Fiction-Film entnommen, dabei ist dieses Zukunftsbild teilweise schon real. In Singapur werden im Projekt „Skyways“ per Drohne Arbeitsmaterialien zu Schiffen transportiert, in Städten wie Dubai, Wien und Ingolstadt werden derzeit Vorbereitungen zum Transport von Menschen per Lufttaxi getroffen. Doch ganz gleich, was technisch realisierbar und wirtschaftlich zu vertreten ist, zuerst muss eine zentrale Frage geklärt werden: Wie kann in einem Luftraum, in dem unbemannte und bemannte Luftfahrzeuge gemeinsam operieren, die Sicherheit der Verkehrsteilnehmer in der Luft und am Boden gewährleistet werden?  

Die Integration von unbemannten Luftfahrzeugen (Unmanned Aircraft Systems, kurz: UAS) in den Flugverkehr ist ein Thema von zunehmender Bedeutung. Immer wieder berichten Medien von Gefahrensituationen zwischen UAS und bemannten Flugzeugen oder Hubschraubern. Auch an Flughäfen wurden bereits mehrere solcher Vorkommnisse registriert. Deshalb gab es schon 2017 erste nationale Initiativen zur Regulierung, wie die Drohnen-Verordnung der Bundesregierung (§ 21a/§ 21b LuftVO). Diese verbietet, dass UAS in sensible Zonen fliegen – in die Nähe von Flughäfen oder Einsatzorten von Polizei und Feuerwehr. Doch diese Maßnahmen sind begrenzt und decken nicht den Regelbedarf eines wachsenden Luftverkehrs. Vor allem für Betreiber von kleinen bis mittleren unbemannten Luftfahrzeugen ist das Interesse an einer Aufstiegserlaubnis groß. Die Einsatzszenarien reichen von Hobbyflügen über verschiedene kommerzielle Bereiche (Infrastrukturüberwachung, Paketzustellung, landwirtschaftliche Unterstützung) bis hin zu behördlichen Einsätzen (Zivilschutz, Rettungsaktionen). Derzeit gibt es jedoch weder einen vollends definierten, (luft-)rechtlichen Rahmen noch eine etablierte Infrastruktur, um UAS im allgemeinen Luftraum zu nutzen und sicher zu verwalten.

Im Hinblick auf verschiedene Missionsanforderungen und Einsatzzwecke variieren heutige UAS-Systeme hinsichtlich ihrer Größe (von Quadcoptern über mittlere unbemannte Hubschrauber bis hin zu größeren Starrflüglern), ihrer Leistung (Manövrier- und Ausweichfähigkeit) und ihrer technischen Ausstattung (Sensorik und Grad der Autonomie). Die Herausforderung besteht darin, die Flugbewegungen von UAS mit unterschiedlichen Charakteristiken zusammen mit anderen Luftverkehrsteilnehmern, wie Hubschraubern, Segelflugzeugen und Fallschirmspringern, in einem Luftraum sicher zu planen und zu überwachen.

Blicken wir in die ferne Zukunft, so wird die Dringlichkeit intelligenter Regeln noch klarer. Eine Studie von SESAR Joint Undertaking (SESAR: Single European Sky ATM Research Programme) vom November 2016 prognostiziert für das Jahr 2050 mehr als sieben Millionen unbemannte Fluggeräte allein im privaten Bereich. Weitere 400.000 UAS werden für den kommerziellen und behördlichen Bereich erwartet. Einen wesentlichen Anteil daran werden die Drohnenflotten für Paketdienstleistungen und Infrastrukturüberwachung haben. Aber auch das Interesse an Lufttaxis steigt. Das alles erfordert besondere Sicherheitsmaßnahmen. Eine umfassende Lösung zur Integration von UAS in den Luftraum ist also notwendig. Sie muss langfristig einen sicheren und effizienten Betrieb auch bei den verschiedensten Luftverkehrsteilnehmern und hohem Verkehrsaufkommen gewährleisten. Der jeweils zu betrachtende Luftraum definiert, je nach Luftraumkategorie und Flugbereich, zusätzliche Anforderungen an die Luftraumakteure: Flugregeln und Mindestabstände sind einzuhalten und die Luftfahrzeuge müssen je nach Luftraumkategorie zusätzlich mit Transpondern ausgestattet sein. Bei Flügen in urbanen Bereichen sind viele weitere Aspekte zu betrachten. So stellen zum einen komplexe Hinderniskulissen hohe Anforderungen an Detektionssysteme und an die Fliegbarkeit der UAS. Zum anderen gibt es zusätzliche Risikofaktoren wie Menschenansammlungen, kritische Infrastrukturen, Bereiche hoher Signalabschottung oder Fallwinde, bei denen eine Einflugbeschränkung oder sogar ein Einflugverbot erhoben werden muss.

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist der Datenschutz. UAS sind mit Kameras ausgestattet, deren Daten missbraucht werden könnten: eine potenzielle Gefährdung, die ein Akzeptanzproblem bei der Bevölkerung birgt. Auch Lärm, Emissionen und Umweltschutz spielen eine wesentliche Rolle. All diese Aspekte müssen berücksichtigt und zu einem tragfähigen Konzept gebündelt werden, das neben Sicherheit, Wirtschaftlichkeit und technischer Realisierbarkeit auch gesellschaftliche Belange nicht vergisst.

DLR-Expertise für ein künftiges Luftverkehrsmanagement

Das DLR-Institut für Flugführung forscht seit vielen Jahren an Konzepten und Technologien für eine Integration von UAS in den Luftraum. Anfang 2018 stellte es ein Konzept für ein flexibles, europaweites Luftraummanagementsystem (U-space) vor. Dieses öffnet den Luftraum sowohl für UAS auf niedrigem als auch für solche auf hohem technischen Ausstattungsniveau. Gleichzeitig bietet es Anreize für UAS-Hersteller und -Betreiber, in die neue Technologie zu investieren, schließt jedoch nicht aus, dass minimal ausgerüstete und weniger leistungsfähige Luftraumnutzer in den U-space-Luftraum einfliegen. Das Konzept beruht auf effizienter Luftraumsegmentierung und auf Modellen für die UAS-Performance. Anhand von Luftraummerkmalen (Bevölkerungsdichte, Bodennutzung, Geofences, Verfügbarkeit von U-space-Diensten oder Auftreten von Sichtflugverkehr) wird der Luftraum in Zellen mit ähnlichen Anforderungen an die Luftraumnutzung aufgeteilt.

Je geringer die Gesamtleistungsfähigkeit des Luftraumteilnehmers ist, desto mehr Sicherheitsabstand und damit größeren Luftraumbereich zur alleinigen Nutzung würde er nach dem DLR-Konzept benötigen. Das bedeutet, dass ein Luftraumbereich gleichzeitig entweder von wenigen Luftfahrzeugen mit geringer Gesamtleistung oder aber von mehreren mit hoher Gesamtleistung genutzt werden kann. Das sich daraus ergebende Luftraummanagement würde viel Freiheit bei geringem Verkehrsaufkommen, aber wenig bei einem hohen Aufkommen bieten. So könnte der U-space-Luftraum sicher und effizient organisiert werden. Auch in dichten Verkehrsszenarien ließen sich so konfliktfreie Routen und Missionen strategisch planen und überwachen.

In dem nationalen Projekt City-ATM (Demonstration of Traffic Management in Urban Airspace) arbeitet das DLR an einem Konzept für ein Management im urbanen Luftraum. Es soll eine sichere und effiziente Integration von neuen Verkehrsteilnehmern, wie unbemannte Luftfahrzeugsysteme und Lufttaxis, ermöglichen. Dazu gehören die Definition und das Überprüfen von operationellen und technischen Konzepten für ein Luftraummanagement und das Bereitstellen von Informationen. Ebenso zu berücksichtigen sind das Steuern des Verkehrsflusses und das Überwachen des Verkehrs bezüglich möglicher Konflikte sowie grundlegende Konzepte für eine Kommunikations-, Navigations- und Überwachungsinfrastruktur. Darauf aufbauend wird eine Simulations- und Demonstrationsplattform für ein urbanes ATM ausgearbeitet. Diese hilft, ein unbemanntes Luftfahrzeug zu betrachten und zu realisieren, das unter diesen Umgebungsbedingungen und nach den neuen geltenden Regularien sicher operieren kann. Ziel des Projekts ist es, zahlreiche Stakeholder wie UAS-Hersteller, UTM-Systemprovider, Luftverkehrsbehörden und Anwender zusammenzubringen, um eine Gesamtlösung für die Integration von (teil-)automatisierten Luftfahrzeugen in den Luftraum zu erarbeiten. Das Projekt City-ATM begann am 1. Januar 2018 und hat eine Laufzeit von drei Jahren. Es orientiert sich am europäischen SESAR-U-space-Programm. Letztendlich soll mit City-ATM ein umfassender Lösungsansatz für einen zukünftigen U-space demonstriert werden.

Luftverkehr mit unbemannten Fluggeräten – Was ist nötig?

Die Aufgaben eines klassischen Flugverkehrsmanagements (Air Traffic Management, ATM) finden sich auch in einem UTM (Unmanned Traffic Management) wieder. Es umfasst die optimale Ausnutzung des verfügbaren Luftraums (Air Space Management, ASM), eine Verkehrsflussregelung (Air Traffic Flow Management, ATFM) und Dienste für die operative Durchführung des Luftverkehrs (Air Traffic Services, ATS). Damit soll das UTM sichere und effiziente UAS-Operationen – mittelfristig im unteren Luftraum (unter 500 Fuß) und langfristig ebenfalls im kontrollierten Luftraum – ermöglichen. Dazu müssen Dienstleistungen bereitgestellt werden wie

  • Luftraumorganisation und -management inklusive Geo-awareness (Bekanntgabe verbotener oder mit Auflage versehener Luftraumbereiche),
  • Planung und Freigabe von UAS-Flügen,
  • dynamische Kapazitätssteuerung,
  • Routenplanung und Routenänderungen,
  • Contingency-Management,
  • Separationsmanagement sowie Konflikt- und Notfallmanagement,
  • Wetter- und Windrestriktionen sowie
  • Gelände- und Hinderniskarten.

Zur Autorin: Dr. Dagi Geister leitet die Forschungsgruppe für unbemannte Luftfahrzeugsysteme am Institut für Flugführung in Braunschweig. Sie beschäftigt sich mit Forschungsfragen zur Integration von UAS und Lufttaxis in den Luftraum und ist in zahlreichen europäischen Gremien und Initiativen zur Ausgestaltung von U-space und Urban Air Mobility vertreten.

Dieser Beitrag erschien im DLRmagazin 163. Sie erhalten das DLRmagazin im Abo auch kostenfrei nach Hause geliefert.

Regularien für den U-Space

Am 11. Juni 2019 veröffentlichte die Europäische Agentur für Flugsicherheit (EASA; European Aviation Safety Agency) neue Verordnungen (DELEGIERTE VERORDNUNG (EU) 2019/945), mit denen die Regularien für Drohnenflüge europaweit vereinheitlicht werden sollen. Diese sollen bis Juni 2020 in nationales Recht überführt werden. Insbesondere die in der derzeitigen Form geltenden Regeln für den Betrieb von unbemannten Fluggeräten unter § 21a/§ 21b LuftVO werden dann abgelöst. Wesentliche Änderungen betreffen speziell die Untergliederung von UAS-Missionen nach den Kategorien OPEN, SPECIFIC und CERTIFIED. Während in der sogenannten OPEN-Kategorie UAS dann europaweit genehmigungsfrei mit strengen betrieblichen Beschränkungen in den vorgesehenen Luftraumbereichen fliegen dürfen, gelten für SPECIFIC und CERTIFIED ihrem Missionsrisiko entsprechende operationelle und technische Anforderungen an einen Betrieb, der grundsätzlich genehmigungsbedürftig ist. Zudem müssen nach einer Übergangszeit von zwei Jahren alle UAS ein CE-Zeichen aufweisen. Weitere Regularien beziehen sich auf die künftige Nutzung des U-space, also des für unbemanntes Fliegen erlaubten Luftraums (bis 500 Fuß über Grund). Enthalten ist die Ausgestaltung des Luftraums, der verschiedenen Luftraumkategorien und der unter verschiedenen Randbedingungen erlaubten UAS-Flüge. Dabei sollen auch grundlegende Services Informationen und Fähigkeiten) bereitgestellt werden, um große Mengen von UAS in einem Luftraum sicher und effizient managen zu können.

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