11. Juli 2018

Luftverschmutzungen genauestens auf der Spur: Sentinel-5P-Datenservice gestartet

  • Sentinel-5P Datenprodukte sind ab sofort frei verfügbar
  • Täglich globale Messungen von Ozon, Stickstoffdioxid, Kohlenstoffmonoxid, Aerosol- und Wolkeneigenschaften
  • Das DLR Earth Observation Center (EOC) ist für das Nutzlastbodensegment der Sentinel-5P-Mission und gemeinsam mit KNMI für die Auswertung der Satellitendaten verantwortlich
  • Schwerpunkte: Raumfahrt, Erdbeobachtung, Big Data

Luftverschmutzung zählt zu den größten Gesundheitsgefahren weltweit. So sterben jährlich rund sieben Millionen Menschen durch Schadstoffbelastung, wie die Weltgesundheitsorganisation WHO in einer weltweiten Studie aktuell ermittelt hat. Industrieabgase und Schadstoffausstöße von Autos und anderen Verkehrsmitteln tragen zu den Todesfällen erheblich bei, da die Schmutzpartikel tief in Atemwege, Lungen und das Herz-Kreislaufsystem eindringen. Zur genauen Lokalisierung von Schadstoffquellen und zur Analyse der globalen Schadstoffverteilung gibt es nun einen besonderen Dienst aus dem All.

Der europäische Erdbeobachtungssatellit Sentinel-5 Precursor liefert täglich globale Messungen von Ozon, Stickstoffdioxid, Kohlenstoffmonoxid, Aerosol- und Wolkeneigenschaften. Die Daten des Messinstruments TROPOMI sind ab sofort frei zugänglich. Entscheidungsträger, Umweltbehörden und Wissenschaftler sind auf die hochgenauen Produkte angewiesen, um die globalen Herausforderungen Luftverschmutzung und Klimawandel besser verstehen und bekämpfen zu können. Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) ist für das Nutzlastbodensegment der Sentinel-5P-Mission und gemeinsam mit dem Königlichen Niederländischen Meteorologischen Institut (KNMI) für die Auswertung der Satellitendaten verantwortlich.

In den kommenden Monaten wird der Sentinel-5P-Service laufend erweitert werden, mit globalen Analyseprodukten von Schwefeldioxid, Formaldehyd, troposphärischem Ozon, Ozonprofilen, Methan und Aerosolhöhen. Diese Informationen dienen nicht nur der Atmosphären- und Klimaforschung oder Gesundheitsvorsorge, sondern werden unter anderem auch in der Flugverkehrssicherheit zur besseren Vorhersage von Vulkan-Aschewolken genutzt.

So erfasste der Wächtersatellit am 26. Juni 2018, kurz vor Ende seiner Testphase, zeitnah den Ausbruch des Sierra Negra Vulkans auf den Galapagosinseln. Genau zum Zeitpunkt des Ausbruchs, gegen 20:12 Uhr Ortszeit, konnte Sentinel-5P extrem hohe Schwefeldioxid-Konzentrationen über dem Vulkan nachweisen und die Ausbreitung der Gaswolke sehr genau verorten.

Komplexe Verarbeitung, unerreichte Qualität

Das multispektrometrisch arbeitende Messinstrument TROPOMI (Tropospheric Monitoring Instrument) mit seiner räumlichen Auflösung von 3,5 Kilometer mal 7 Kilometer übertrifft vergleichbare Satelliten um das Hundertfache. So können erstmals Luftverschmutzungen von einzelnen Städten und Stadtgebieten aus dem All detektiert werden. Der Satellit umkreist die Erde 14 Mal pro Tag mit sich ergänzenden Orbits. Maximal drei Stunden nach der Messung stehen die einzelnen Datenprodukte bereits zur Verfügung, ob Ozonwerte oder Schwefeldioxid-Konzentration. Der nahe-Echtzeit Service ist technisch anspruchsvoll aber für die Nutzer wichtig, da Veränderungsprozesse in der Atmosphäre oft sehr schnell ablaufen. Insgesamt liefert Sentinel-5P damit täglich einen vollständigen globalen Datensatz zur Zusammensetzung der Atmosphäre.

Die komplexen technischen Prozesse, die notwendig sind, um insgesamt 12 Endprodukte mit einem täglichen Datenvolumen von bis zu zwei Terrabyte bereitzustellen, machen die Sentinel-5P-Mission einzigartig. Die TROPOMI-Messwerte durchlaufen dafür eine hochkomplexe Verarbeitungskette: Die rohen Spektraldaten werden von Bodenstationen in der Arktis empfangen und zum DLR über breitbandige globale Glasfaserverbindungen übertragen. Dort werden sie analysiert, gefiltert, zu einzelnen Datenprodukten aufbereitet und automatisch auf einem Webserver bereitgestellt. Entwickelt wurde das Prozessierungssystem vom DLR-Earth Observation Center (EOC) und dem KNMI. Das DLR betreibt die Prozessoren und sorgt für den reibungslosen Ablauf der komplexen Arbeitsschritte. So werden neben den TROPOMI-Daten auch Satellitendaten von internationalen Partnerorganisationen integriert, die am EOC in Oberpfaffenhofen laufend empfangen werden. Die Fernerkundungsexperten stellen dadurch sicher, dass die Auswertungen global hochgenau und auf dem neuesten Stand sind.

Offener Webservice und sicherer Datenverkehr

Die verschiedenen Sentinel-5P-Produkte werden über den "Sentinels Scientific Data Hub", ein offenes Datenportal der ESA bereitgestellt. Besondere Anwender, etwa das Europäische Zentrum für mittelfristige Wettervorhersage (ECMWF), werden vom EOC zusätzlich über einen eigenen Datenzugang versorgt, um die unmittelbare Datenversorgung zu gewährleisten. Darüber hinaus bietet das DLR über den "EOC Geoservice" eigene, ergänzende Sentinel-5P-Produkte an. Dieser offene Webservice ermöglicht es Nutzern, die Daten für ausgewählte Regionen in verschiedenen Projektionen und Dateiformaten anzusehen, herunterzuladen oder direkt in ihre eigenen Systeme zu integrieren.

Damit die Atmosphärendaten auch in Zukunft jederzeit genutzt werden können, ist das Datenmanagement entscheidend. Für Sentinel-5P - wie auch für weitere Missionen des europäischen Copernicus Programms - übernimmt das EOC als Service die Langzeit-Archivierung der Daten. Im Kontext dieser neuen Herausforderungen erweiterte die DLR-Einrichtung erst kürzlich die Kapazität seiner Datenbibliothek um 60 Petabyte.

Dank seiner besonderen Infrastruktur und langjährigen Erfahrung war und ist das EOC auch mit dem Nutzlastbodensegment für den Sentinel-5 Precursor von Sentinel-5P betraut, vom Aufbau bis zum Betrieb. Damit sind die DLR-Experten nun für den gesamten Datenverkehr zuständig - vom Empfang, über die Verarbeitung und das Datenmanagement, bis hin zur Verteilung und Langzeitspeicherung der wertvollen Erdbeobachtungsprodukte.

Der TROPOMI-Datenempfang wird durch ein Konsortium bestehend aus dem DLR, dem norwegischen Unternehmen KSAT sowie dem schwedischen Unternehmen SSC realisiert. Das Konsortium nutzt dabei die polnahen Bodenstationen Svalbard in Norwegen und Inuvik in Kanada. Auf dem Gelände der Inuvik Satellite Station Facility (ISSF) der kanadischen Erdbeobachtungsbehörde CCMEO betreibt das DLR in diesem Zusammenhang eine eigene Empfangsanlage.

Einen nicht zu unterschätzenden Beitrag zur Erfüllung der Nahe-Echtzeitanforderungen leisten die globalen Kommunikationsnetze für Wissenschaft und Forschung Cybera, CANARIE, Uninett, NORDUnet, GÉANT und DFN, die das Rückrat der Datenübertragung bilden. Ganz wesentlich war auch die Inbetriebnahme des 1.154 Kilometer langen Mackenzie Valley Fibre Links durch die kanadische Arktis im Juni 2017.

Über die Mission

Der Satellit Sentinel-5P ist am 13. Oktober 2017 erfolgreich gestartet. Das TROPOMI-Instrument an Bord des Satelliten wurde im Rahmen des europäischen Erdbeobachtungsprogramms Copernicus von der Europäischen Raumfahrtorganisation ESA und der Niederländischen Raumfahrtorganisation NSO entwickelt. Die Auswertung der Satellitendaten erfolgt durch das Königliche Niederländische Meteorologische Institut (KNMI) sowie durch das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR). Gefördert wird die Mission durch die Mitgliedsstaaten der ESA, der NSO und der Europäische Union.

  • Copernicus - das europäische Erdbeobachtungsprogramm

    Die Sentinel-Satelliten sind Teil des Copernicus-Programms der Europäischen Union. Es dient der Sammlung und Auswertung von Fernerkundungsdaten der Erde. Die Daten werden von Behörden, Unternehmen, der Wissenschaft und interessierten Bürgern genutzt.
    Copernicus besteht aus sechs Satellitenfamilien, den sogenannten Sentinels ("Wächtern"), die die Erde und Atmosphäre erfassen und somit wichtige Daten zu Klimaschutz, nachhaltiger Entwicklung, humanitärer Hilfe, ziviler Sicherheit und zum Zustand der Ozeane, des Landes und der Vegetation liefern. Ergänzt werden die Satelliten-Daten durch Messgeräte am Boden, in der Luft und in Gewässern.
    Den Betrieb der insgesamt 20 Umweltsatelliten übernehmen die europäische Weltraumagentur ESA und die Europäische Organisation für die Nutzung meteorologischer Satelliten, EUMETSAT.
    In Deutschland ist das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) federführend für Copernicus verantwortlich. Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) begleitet das Programm in Deutschland.

  • Deutsche Partner in Industrie und Forschung

    Sentinel-5P ist eine Kooperation zwischen den Niederlanden und der ESA, die 40 Prozent der Kosten trägt. In Deutschland ansässige Firmen wie Airbus Defence & Space in Friedrichshafen haben jedoch entscheidende Teile des Satelliten (Massenspeicher und Strahlungskühler) bzw. des Messinstruments TROPOMI beigesteuert. Wichtige Bauteile des Instruments und der Plattform wurden bei verschiedenen Unternehmen in Deutschland hergestellt - zum Beispiel bei der STI GmbH (Solarzellen) und der ZARM Technik AG. An den Sentinel-Missionen und damit am Copernicus-Programm beteiligt ist auch das Deutsche Erdbeobachtungszentrum des DLR in Oberpfaffenhofen, das das Nutzlast-Bodensegment aufgebaut hat und für ESA betreibt. Ein Konsortium unter Beteiligung des DLR, der Universität Bremen und des Max-Planck-Instituts für Chemie in Mainz hat die wissenschaftliche Datenverarbeitung aufgebaut.

Verwandte Nachrichten

Kontakt

Bernadette Jung

Presseredaktion
Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)
Kommunikation
Münchener Straße 20, 82234 Weßling
Tel: +49 8153 28-2251

Dr.-Ing. Diego Loyola

Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)
Institut für Methodik der Fernerkundung
Atmosphärenprozessoren
Münchener Straße 20, 82234 Weßling