29. Oktober 2020 | Mission Mars Express

Marskrater weichgezeichnet: Spuren ehemaliger Vergletscherung im südlichen Marshochland

  • Diese Aufnahmen der DLR-Marskamera HRSC (High Resolution Stereo Camera) zeigen einen Drillingskrater in der Region Noachis Terra im südlichen Hochland des Mars.
  • Die Südhalbkugel weist eine deutlich höhere Anzahl an Einschlagskratern auf als die Nordhemisphäre, was das höhere Alter dieser Region bezeugt. Einige der Einschlagskrater in Noachis Terra sind anscheinend „zerflossen“ und fast eingeebnet. Wahrscheinlich spielten Fließbewegungen von Eis im Untergrund dabei eine wichtige Rolle.
  • Die Stereokamera HRSC kartiert seit 2004 im Rahmen der ESA-Mission Mars Express den Roten Planeten in nie dagewesener Auflösung, dreidimensional und in Farbe.
  • Schwerpunkte: Raumfahrt, Planetenforschung

Diese Bilder der High Resolution Stereo Camera (HRSC) zeigen einen seltenen Drillingskrater. Er befindet sich in der Region Noachis Terra im südlichen Hochland des Mars. Die Stereokamera HRSC kartiert seit 2004 im Rahmen der ESA-Mission Mars Express den Roten Planeten in nie dagewesener Auflösung, dreidimensional und in Farbe. Sie wurde am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) entwickelt und gemeinsam mit deutschen Industriepartnern gebaut. Das DLR-Institut für Planetenforschung betreibt die Kamera. Neben der globalen Topographie liefert Mars Express neue Daten zur Geologie, Mineralogie und Atmosphäre des Mars, um Aufschluss über die Klimageschichte unseres Nachbarplaneten zu erhalten und die Rolle und den Verbleib von Wasser zu klären.

Alter, Entstehung und Geologie

Die Hochlandgebiete der südlichen Marshalbkugel sind von Einschlagskratern übersät. Ihre Anzahl ist im Vergleich zur Nordhalbkugel deutlich höher, was bezeugt, dass ihre Hochebenen zu den ältesten Gebieten des Planeten gehören. Eine dieser Regionen heißt Noachis Terra und gab dem Zeitalter „Noachium“ seinen Namen. Diese Epoche dauerte von circa 4,1 bis 3,7 Milliarden Jahren vor heute und war von einem starken Bombardement durch Meteoriten und Asteroiden geprägt. In dieser Frühphase des Planeten wurden weite Gebiete landschaftlich geprägt, deshalb die Namensgebung nach Noach (hebräisch: Noah), dem Erbauer der Arche im Alten Testament. Die Bilder zeigen drei sich überlagernde Einschlagskrater. Der größte von ihnen misst 45, der mittlere etwa 34 und der kleinste 28 Kilometer im Durchmesser. Ein Szenario für die Entstehung des Kraters könnte gewesen sein, dass ein Meteoroid in mindestens drei Teile zerbrach, bevor alle drei Körper nacheinander in die Marsoberfläche einschlugen.

Es könnte jedoch auch Zufall gewesen sein, dass drei Projektile unabhängig voneinander an nahezu derselben Stelle und in zeitlichem Abstand auf dem Mars einschlugen. Aufgrund der Tatsache, dass um den kleinsten Krater noch Rückstände seiner Auswurfdecke zu erkennen sind, liegt es nahe, dass zumindest dieser kleinere Krater deutlich nach den beiden größeren entstanden sein muss. Deren Auswurfdecken sind längt erodiert und verwischt. Am nördlichen Rand des Krater-Drillings (rechts oben in den Bildern 1, 3, 4) ist noch eine weitere kleine, kreisförmige Struktur zu erkennen, die möglicherweise einen vierten, nun verfüllten Einschlagskrater darstellt.

Mit Sediment und Eis verfüllte Krater

Wie viele andere Einschlagskrater im südlichen Hochland zeigen auch diese drei Krater typische, von der Erosion schon etwas geglättete Ränder sowie seichte und recht ebene Kraterböden, was auf eine Verfüllung mit Sediment hindeutet. Teile der Kraterwände scheinen „zerschmolzen“ und in die Mitte der Kratervertiefung abgesackt zu sein; zahlreiche breite Rinnen durchschneiden die Hänge. Besonders auffällig sind die linienartigen Strukturen auf dem Boden des nördlichsten Kraters (rechts unten in den Bildern 1, 3, 4). Seine Oberflächenmorphologie ähnelt der von irdischen Block- oder Schuttgletschern, die häufig in alpinen oder polaren Regionen vorkommen.

Diese typische Fließstruktur entstand, als die Mischung aus Schutt und Eis eines Gletschers im Krater an einem Durchbruch im inneren Kraterrand in die Mitte des Drillingskraters hangabwärts floss. Der Gesteinsschutt zeichnet dabei die Bewegungen des plastischen Eisstroms im Untergrund nach. Besonders gut wird das auf dem farbkodierten Höhenmodell sichtbar (Bild 3). Der dunkle Fleck im größten Krater stellt eine kleine Ansammlung dunkler Sande dar, die andernorts auf dem Mars zahlreiche und recht imposante Dünenfelder bilden.

Sanfte Geländeformen

Interessante Landschaftsmerkmale zeigt auch die Ebene um die Einschlagskrater, die ebenfalls eine sehr sanfte, geglättete Oberfläche aufweist. Sie ist nicht von unzähligen kleinen und mittelgroßen Einschlagskratern übersät, wie man es für eine Oberfläche dieses Alters auf dem Mars erwarten würde. Auch Sekundärkrater, die entstehen, wenn ausgeworfenes Material in der Umgebung eines frischen Kraters einschlägt, sind nicht zu sehen. Nur eine Handvoll schüsselförmiger, wenig erodierter und daher junger Krater ist dort zu finden. Es scheint so, als ob Krater, die über ein bestimmtes Alter hinausgehen, einer „Schmelze“ unterworfen waren und dass viele der kleineren und mittelgroßen Einschlagskrater, die noch älter waren, dadurch verschwanden. Wahrscheinlich spielte Eis im Marsboden eine Schlüsselrolle bei diesem Prozess der Einebnung.

Wenn kleinere Oberflächenstrukturen in einem eisreichen Boden gebildet werden, können sie durch die Fließbewegung des Eises auch wieder „schmelzen“ – sie lösen sich gewissermaßen auf, wodurch die Oberfläche wieder geglättet wird, wenn dafür genügend Zeit vorhanden ist. Im Englischen spricht man bei diesem für Gletscheraktivität typischen Prozess auf dem Mars von „terrain softening“, was salopp mit „Landschafts-Einweichen“ übersetzt werden kann. Diese Beobachtung zeigt, dass einst große Mengen Wasser auf dem Mars vorhanden waren. Mächtige Eismassen erzeugten gletscherähnliche Fließstrukturen, vor allem in der Noachischen Epoche. Heute ist das meiste Gletschereis längst verdampft und hat die mitgeführten Geröllmassen als Zeugen seiner Fließprozesse, ähnlich wie Gletschermoränen, zurückgelassen. Bodeneis gibt es heutzutage jedoch noch reichlich auf dem Mars. Es wurde 2008 erstmals vor Ort vom Lander Phoenix der NASA in den hohen Breiten des Nördlichen Tieflandes nachgewiesen.

Alle Bilder in hoher Auflösung und weitere Bilder der HRSC finden Sie in der Mars Express-Bildergalerie auf flickr.

  • Bildverarbeitung
    Die Aufnahmen mit der HRSC (High Resolution Stereo Camera) entstanden am 6. August 2020 während Orbit 20.982 von Mars Express. Die Bildauflösung beträgt etwa 15 Meter pro Bildpunkt (Pixel). Die Bildmitte liegt bei etwa 19 Grad östlicher Länge und 37 Grad südlicher Breite. Die Farbaufsicht wurde aus dem senkrecht auf die Marsoberfläche gerichteten Nadirkanal und den Farbkanälen der HRSC erstellt. Die perspektivische Schrägansicht wurde aus den Geländemodelldaten sowie den Nadir- und Farbkanälen der HRSC berechnet. Das Anaglyphenbild, das bei Betrachtung mit einer Rot-Blau- oder Rot-Grün-Brille einen dreidimensionalen Eindruck der Landschaft vermittelt, wurde aus dem Nadirkanal und den Stereokanälen abgeleitet. Die in Regenbogenfarben kodierte Aufsicht beruht auf einem digitalen Geländemodell (DTM) der Region, von dem sich die Topographie der Landschaft ableiten lässt. Der Referenzkörper für das HRSC-DTM ist eine Äquipotentialfläche des Mars (Areoid).
    Die HRSC-Kamera wird vom DLR betrieben. Die systematische Prozessierung der Kameradaten erfolgt am DLR-Institut für Planetenforschung in Berlin-Adlershof. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Fachrichtung Planetologie und Fernerkundung der Freien Universität Berlin erstellten daraus die hier gezeigten Bildprodukte.
  • Das HRSC-Experiment auf Mars Express
    Die High Resolution Stereo Kamera wurde am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) entwickelt und in Kooperation mit industriellen Partnern gebaut (EADS Astrium, Lewicki Microelectronic GmbH und Jena-Optronik GmbH). Das Wissenschaftsteam unter Leitung des Principal Investigators (PI) Prof. Dr. Ralf Jaumann besteht aus 50 Co-Investigatoren, die aus 35 Institutionen und 11 Nationen stammen. Die Kamera wird vom DLR-Institut für Planetenforschung in Berlin-Adlershof betrieben.

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Dr. Daniela Tirsch

Principal Investigator HRSC
Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)
Institut für Planetenforschung
Rutherfordstraße 2, 12489 Berlin

Ulrich Köhler

Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)
Institut für Planetenforschung
Rutherfordstraße 2, 12489 Berlin

Prof. Dr. Ralf Jaumann

Freie Universität Berlin
Institut für Geologische Wissenschaften
Planetologie und Fernerkundung
Malteserstr. 74-100, 12249 Berlin