29. November 2022 | Zehn Jahre maritime Sicherheitsforschung im DLR

Assistenzsysteme für maritime Hubschraubereinsätze

  • Im Rahmen der maritimen Sicherheitsforschung des DLR spielen luftgestützte Einsätze auf See eine wichtige Rolle.
  • Im Projekt MaRPAS 3 geht es um den schiffsgestützten Betrieb von unbemannten Luftfahrzeugen zur Erkennung sicherheitskritischer Situationen und zur Lagebild-Erstellung.
  • Im Projekt HEDELA hat das DLR gemeinsam mit der Bundespolizei Assistenzsysteme zur Unterstützung von Hubschrauber-PilotInnen bei der sicheren Landung auf Schiffen erforscht.
  • Schwerpunkt des neuen Projektes HUMAN (ist die Untersuchung, Entwicklung und Bewertung von Hubschrauberassistenzsystemen zum Einsatz in der maritimen Notfallvorsorge sowie der Seeüberwachung.
  • Ziele: Erhöhung der Sicherheit in maritimen Infrastrukturen durch den Einsatz von Hubschraubern und sicherer Betrieb von Hubschraubern in maritimen Umgebungen.
  • Schwerpunkt: Sicherheit

Im Rahmen der maritimen Sicherheitsforschung, die das DLR seit mittlerweile zehn Jahren betreibt, spielen luftgestützte Einsätze auf See eine wichtige Rolle: Mit Helikoptern inspizieren Einsatzkräfte Offshore-Windkraftanlagen und erstellen aktuelle Lagebilder zum Beispiel nach Schiffsunfällen. Das Navigieren von Luftfahrzeugen ist in maritimen Szenarien hochgradig anspruchsvoll, denn es fehlen fixe Referenzpunkte zur Orientierung. Die Zielfläche für die Landung auf einem Schiffsdeck ist klein und bewegt sich mit dem Schiff bei schwerem Seegang permanent. Zudem bilden sich am Schiffsdeck Nachlaufturbulenzen, die das Aufsetzen zusätzlich erschweren können. All dies betrifft sowohl unbemannte Luftfahrzeuge (unmanned aerial vehicles, UAV) als auch Helikopter mit einem Piloten oder einer Pilotin an Bord. Die DLR-Institute für Flugführung und für Flugsystemtechnik arbeiten daher in enger Zusammenarbeit mit der Bundespolizei an Lösungen zur Unterstützung der Einsatzkräfte auf See.

MaRPAS 3: Sichere Schiffsdecklandungen für unbemannte Luftfahrzeuge

Im 2022 gestarteten Projekt MaRPAS 3 geht es um den schiffsgestützten Betrieb von unbemannten Luftfahrzeugen zur Erkennung sicherheitskritischer Situationen und zur Lagebild-Erstellung. Die Abkürzung MaRPAS steht für die Maritime Anwendung ferngesteuerter Luftfahrzeugsysteme (Remotely Piloted Aircraft Systems, kurz RPAS). Die Vorgänger-Projekte MaRPAS 1 und 2 haben hierfür die Grundlage geschaffen. Inzwischen haben sich die rechtlichen Rahmenbedingungen für den Betrieb unbemannter Luftfahrzeuge auf See in Europa verändert. Das Einsatzkonzept muss daher angepasst werden. Ein neuer Aspekt von MaRPAS 3 ist die Integration von UAVs in den Betriebsalltag der Bundespolizei im Einsatz auf See.

MaRPAS: Unbemannte Erkundungs-Flugsysteme auf See sicher landen
Die globalen Seewege stellen das Rückgrat des Welthandels dar und sind zugleich eine hochsensible Infrastruktur. Ob Extremwetter, Havarie oder als Ziel krimineller Handlungen - Schiffe sind vielen Risiken ausgesetzt. Bei einer potenziellen Gefahrenlage ist es unerlässlich, schnell einen Überblick zu gewinnen.

Zusätzlich zur Hubschrauber-Drohne, welche in MaRPAS 1 und 2 betrachtet wurde, kommt in dem laufenden Projekt eine Starrflügler-Drohne vom Typ Maritime Robotics PX-31 zum Einsatz. Starrflügler können im Vergleich zu Helikoptern aufgrund ihrer aerodynamischen Eigenschaften eine höhere Geschwindigkeit und Reichweite erzielen, sind aber schwieriger über einem Ziel zu positionieren.

Konkret geht es bei MaRPAS 3 darum, die Landung von UAVs auf dem Deck eines Schiffes sicher zu gestalten. Dazu untersucht das DLR die Abläufe der Bundespolizei bei ihren Einsätzen auf See mit dem Ziel, sowohl die Schiffsbesatzung als auch den fernsteuernden Piloten optimal auf UAV-Flüge vorzubereiten. Außerdem müssen die Systeme zur Führung des UAVs weiterentwickelt werden: Die Bodenkontrollstation an Bord des Schiffes verwendet zur Missionsplanung Modelle des Flugverhaltens. Diese sind auf exakte flugmechanische Parameter des verwendeten UAVs angewiesen. Diese Parameter sind jedoch, im Gegensatz zur bemannten Luftfahrt, nicht für jeden Typ verfügbar. Daher soll ein Verfahren entwickelt werden, das aus der Beobachtung des Flugverhaltens eines UAVs lernt, das zukünftige Flugverhalten vorherzusagen.

Ein weiterer Forschungsaspekt ist die Landung des UAVs auf dem Schiffsdeck per Seilwinde. Dieses Verfahren kommt bei ungünstigen Wetterbedingungen zum Einsatz. In den Vorgänger-Projekten wurde die geführte Landung bereits erprobt. Im Rahmen von MaRPAS 3 wird sie hinsichtlich des Technologiereifegrades optimiert. Als Nebeneffekt erlaubt die für diese Art des Landens entwickelte portable Seilwinde das Ablassen von Sensorik im Flug, wodurch eine unverfälschte Messung der Treibhausgas-Emissionen von Schiffen unterhalb und fern von den eigenen Emissionen des UAVs ermöglicht wird – ein Beitrag zum Umwelt-Monitoring auf See.

HEDELA: Visuelle Unterstützung für Hubschrauberpiloten

Im Projekt HEDELA (Helicopter Deck Landing Assistance) hat das DLR gemeinsam mit der Bundespolizei Assistenzsysteme zur Unterstützung von Hubschrauber-PilotInnen bei der sicheren und präzisen Landung auf Schiffen erforscht. Die Assistenzsysteme sollen die Person im Cockpit in allen Flugphasen entlasten, indem sie Informationen zur Flugpfadplanung und zur Einhaltung aller flugmechanischen Grenzen auf das Wesentliche konzentrieren und gebündelt darstellen. Hierzu wurde eine spezielle, intuitiv erfassbare Anzeigen-Symbolik entwickelt.

Der Pilot erhält alle relevanten Informationen über ein Augmented Reality-Display, das in seinen Helm integriert ist. Orientierungspunkte, wie zum Beispiel ein Schiff, auf dem der Helikopter bei dichtem Nebel landen soll, werden durch einen gut sichtbaren grünen Rahmen markiert. Dazu werden Fluggeschwindigkeit, Höhe und Position des Helikopters eingeblendet. Ohne den Kopf vom Landepunkt abzuwenden, hat der Pilot alle Informationen im Blick, die er benötigt, um sicher auf einem beweglichen Ziel landen zu können.

Head Mounted Displays – Helme mit integrierten Anzeigen – finden im militärischen Bereich Anwendung, mit vielfältigen Vorteilen und großem Nutzen für die Piloten. In der Anschaffung sind diese Systeme jedoch sehr kostenintensiv. Für ihre Forschungsarbeit haben die DLR-Wissenschaftlerinnen und -Wissenschaftler deshalb auf kommerzielle Systeme zurückgegriffen und diese den speziellen Anforderungen der maritimen Hubschraubereinsätze entsprechend angepasst. Die Herausforderung hierbei: Kommerzielle Augmented Reality-Brillen sind nicht für die Nutzung in bewegten Systemen ausgelegt. Die Software muss die Bewegungen des Kopfes des Piloten von den Bewegungen des Hubschraubers unterscheiden können. Die Forschenden haben deshalb ein Programm entwickelt, welche die Kopfposition des Piloten in Relation zum sich bewegenden Hubschrauber erkennt und bei der Darstellung der holographischen Symbolik berücksichtigt.

Nach Versuchen im statischen Simulator im Vorgänger-Projekt HELMA hat das DLR im Jahr 2021 den Einsatz einer kommerziellen Augmented-Reality-Brille im Flug getestet. Hierzu wurde der Forschungshubschrauber ACT/FHS genutzt. Bei der Auswertung der gewonnenen Daten wird unter anderem untersucht, wie gut die Brille im Zusammenspiel mit dem entwickelten Head-Tracking-Algorithmus funktioniert und welchen Einfluss die Vibrationen des Hubschraubers auf den gesamten Systemaufbau haben.

HUMAN: Neue Assistenzsysteme für die maritime Notfallvorsorge

Der Schwerpunkt des neuen Projektes HUMAN (Hubschraubereinsätze im Rahmen der maritimen Notfallvorsorge) ist die Untersuchung, Entwicklung und Bewertung von Hubschrauberassistenzsystemen gemeinsam mit der Bundespolizei zum Einsatz in der maritimen Notfallvorsorge sowie der Seeüberwachung. Ziele sind die Erhöhung der Sicherheit in maritimen Infrastrukturen durch den Einsatz von Hubschraubern sowie der sicherere Betrieb von Hubschraubern in maritimen Umgebungen. Dazu soll unter anderem das Situationsbewusstsein von Pilotinnen und Piloten erhöht und deren Arbeitsbelastung durch die Nutzung von Sensor- und Assistenzsystemen verringert werden.

Nach der Identifizierung von Einsatzprozeduren und Gefahren sollen die Anforderungen an Assistenzsysteme abgeleitet werden. Anhand dessen werden das Gated-Viewing Sensorsystem TRAGVIS, ein AFCS-Flugregler (Automatic Flight Control System) sowie ein visuelles Assistenzsystem weiterentwickelt. Abschließend werden die Assistenzsysteme in einer dafür aufgebauten Simulationsumgebung beurteilt und eine Verwertungsperspektive abgeleitet. Der Beitrag der Entwicklung von Hubschrauberassistenzsystemen läuft parallel zu anderen Projekten im Schwerpunktbereich Luftfahrt. Durch den Einsatz von neuen Technologien (Augmented/Virtual Reality) und KI-Algorithmen (Künstliche Intelligenz) spricht das Projekt viele Themen des Schwerpunktes Digitalisierung an.

Die Projekte MaRPAS 3, HEDELA und HUMAN sind Bestandteile des Verbundprojektes "F&E und Echtzeitdienste für die maritime Sicherheit". Sie sind eingebettet in die institutsübergreifende Bündelung und den fach- und programmübergreifenden Ausbau von Forschungsaktivitäten des DLR im Bereich maritimer Sicherheitsforschung.

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Sicherheitsforschung im DLR

Das DLR ist das deutsche Forschungszentrum für Luft- und Raumfahrt, Energie und Verkehr. Die Digitalisierung und Sicherheitsforschung im DLR stellen sowohl einen eigenen Bereich als auch eine Querschnittsaufgabe im DLR dar. Die Verzahnung der Kompetenzen aus den „klassischen“ DLR-Domänen Raumfahrt, Luftfahrt und Sicherheit in der Programmkoordination Sicherheits- und Verteidigungsforschung bildet die Grundlage, das Wissen und die Kompetenzen des DLR auch im Kontext der maritimen Sicherheit zu entwickeln. Der Forschungsbereich Verkehr des DLR wird in der Fortführung des Themenkomplexes umfangeiche Arbeiten im Bereich der maritimen Forschung einbringen. Das stärkt den Forschungsverbund am DLR.

Kontakt

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Redakteur
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Tel: +49 2203 601-3717

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Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)
Programmkoordination Sicherheitsforschung
Linder Höhe, 51147 Köln

Dr.-Ing. Joachim Götz

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Hubschrauber
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