Spaniens erster Wasserstoffzug darf auf die Strecke
- Spaniens erster Wasserstoffzug ist technologisch ausgereift und bereit für den realen Einsatz – mit an Bord: DLR-Know-how.
- Der Triebzug besitzt einen neuartigen Bi-Mode-Hybridantrieb. Damit kann der Zug entweder mit Strom aus der Oberleitung oder aus dem bordeignen Brennstoffzellen-Batterie-System fahren.
- Aktuell erproben die Beteiligten des Forschungsprojekts FCH2Rail den klimafreundlichen Antrieb unter verschiedenen Einsatzbedingungen in Nordspanien.
- Schwerpunkte: Verkehr, Energie, Energiespeicher, nachhaltiger Bahnverkehr, Wasserstoff
Spaniens erster Wasserstoffzug ist reif für den Probebetrieb, der Prototyp darf auf die Strecke. Den Strom zum Fahren bezieht der dreiteilige Triebzug entweder aus der Oberleitung oder aus seinem bordeigenen Brennstoffzellen-Batterie-System. Damit kann der Zug auch auf Bahnstrecken ohne Fahrdraht elektrisch fahren – mit Wasserstoff und Batteriestrom.
Koordiniert vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) haben Beteiligte aus Industrie und Forschung im Verbundprojekt FCH2Rail (Fuel Cell Hybrid Power Pack für Schienenanwendungen) gemeinsam einen neuartigen Hybridantrieb für den Zug entwickelt und aufgebaut. Die Technologie ermöglicht einen klimafreundlichen durchgehenden Bahnverkehr zwischen Stadt und Umland, den bisher Dieselfahrzeuge bedienen.
Strom statt Diesel – auch ohne Oberleitung
Wenig frequentierte Überland- und Nebenbahnen sind oft gar nicht oder nur teilweise mit Oberleitungen ausgebaut. Lokomotiven und Triebzüge fahren mit Diesel. Anders der FCH2Rail-Triebzug – mit seinem neuartigen Bi-Mode-Hybridantrieb ist er auch auf solchen Strecken durchgehend elektrisch unterwegs. Dazu wechselt der Zug von der Stromversorgung aus der Oberleitung auf das bordeigene Brennstoffzellen-Batterie-System – damit ist der Wasserstoffzug auch unabhängiger von der Infrastruktur der jeweiligen Bahnstrecken.
„Der FCH2Rail-Zug ist ein Demonstrator des innovativen Antriebskonzepts. Wir wollen zeigen, dass der Bi-Mode-Hybridantrieb eine wettbewerbsfähige und effiziente Lösung für einen nachhaltigen Bahnverkehr ist“, erklärt Holger Dittus vom DLR-Institut für Fahrzeugkonzepte, der das FCH2Rail-Projekt leitet.
Auf Probefahrt durch Nordspanien
Im November 2023 hat der spanische Betreiber für Bahninfrastrukturen Adif die Probefahrten auf der Strecke Torralba-Soria genehmigt – damit hat der Wasserstoffzug den Technologiereifegrad Stufe sieben erreicht. Das FCH2Rail-Projekt geht jetzt in eine entscheidende Phase. Die Ingenieurinnen und Ingenieure können auf den anstehenden Fahrten wertvolle Erfahrungen im realen Einsatz sammeln. Hier zeigt sich, wie zuverlässig die neue Technologie ist.
Das FCH2Rail-Team erprobt den neuen Hybridantrieb unter verschiedenen Bedingungen. Dazu simulieren die Ingenieurinnen und Ingenieure unterschiedliche kommerzielle Fahrdienste im Nah- und Fernverkehr. „Die Testfahrten helfen uns die Antriebsleistung zu bewerten und zu verbessern sowie die Energieversorgung des Zugs ganzheitlich zu charakterisieren“, betont Holger Dittus. „Hier können wir unsere jahrzehntelange Erfahrung im Bereich nachhaltiger Mobilität einbringen.“
Im Mittelpunkt der Tests steht das Energiemanagement des Brennstoffzellen-Batterie-Systems. Unterschiedliche Einsätze des Wasserstoffzugs bedeuten jeweils andere Betriebszustände. Beim Betrieb als S-Bahn muss der Zug ständig anfahren und bremsen, auf flachen Überlandstrecken ist der Energiebedarf geringer als im Bergland. Auf Gefällstrecken helfen die Fahrmotoren wie ein Dynamo mit, die Batterien wieder aufzuladen. „Je nach Leistungsbedarf können wir mit der Kombination aus Brennstoffzellen und Batterien die elektrischen Ströme so aufteilen, dass die Brennstoffzellen immer in ihrem idealen Betriebsbereich arbeiten“, erklärt Holger Dittus.
Die Batterien dienen als Pufferspeicher für hohe Antriebsleistungen zum Beispiel beim Beschleunigen oder bei Steigungsfahrten. Für die Brennstoffzellen kommt im Projekt regenerativ erzeugter grüner Wasserstoff zum Einsatz.
Unterwegs auf Spaniens öffentlichem Schienennetz
„Es ist etwas ganz besonderes, den Wasserstoffzug auf Spaniens öffentlichem Schienennetz zu erproben. Bereits auf der ersten Überlandfahrt von Zaragossa nach Canfranc waren wir mit gemischter Stromversorgung unterwegs. Beim Wechsel von Streckenabschnitten mit und ohne Oberleitung konnten wir das Umschalten der Stromversorgung zwischen Fahrdraht und Batterie-Brennstoffzellensystem optimieren“, erläutert Holger Dittus. „Wasserstofftechnologie und Oberleitungsbetrieb müssen hier jederzeit sicher zusammenspielen“.
Auf dieser Fahrt musste der FCH2Rail-Zug gut 1.000 Höhenmeter überwinden. Der letzte Abschnitt ist eine steile Gebirgsstrecke mit engen Kurven und bis zu 20 Promille Steigung – ohne Oberleitung. „Das ist fast wie auf der Nordrampe der Gotthardbahn in der Schweiz. Auf diesem Streckenabschnitt lief das Batterie-Brennstoffzellensystem auf Hochleistung. Wir konnten Traktionsleistungen von über 1.000 Kilowatt am Rad erreichen“, betont Holger Dittus.
Sicher ist sicher – Testphase bevor es auf Strecke geht
Bevor der FCH2Rail-Zug auf Strecke ging, hatte das Projektteam den Hybridantrieb zunächst beim spanischen Projektbeteiligten CNH2 im Labor getestet. Hier passten die Ingenieurinnen und Ingenieure das elektrische und thermische Energiemanagement sowie die Betriebsarten des neuen Antriebssystems für den Einbau in den Zug an. Dabei hat der Hybridantrieb alle Risikoanalysen und Sicherheitsvalidierungen durchlaufen.
Gleichzeitig wurden die Triebfahrzeugführerinnen und -führer des Eisenbahnunternehmens Renfe für Fahrten mit dem bimodalen Wasserstoffzug ausgebildet. Mitte 2022 begannen die Tests des Demonstrationszuges auf abgesperrten Strecken.
Europaweiter Bahnverkehr mit Wasserstoff
Der Hybridantrieb des FCH2Rail-Zugs eignet sich besonders für Bahnen in Regionen, in denen Wasserstoff aus erneuerbaren Energien leicht verfügbar ist. Für die europaweite Zulassung von Wasserstoffzügen erarbeiten das DLR-Institut für Verkehrssystemtechnik und das FCH2Rail-Projektteam Vorschläge und ergänzende Hinweise für Regelwerke, Normen und Standards für den Einsatz von Wasserstoff im Bahnverkehr.
Über das Projekt FCH2Rail: Erster Wasserstoffzug auf dem spanischen Schienennetz
An dem internationalen Forschungsprojekt FCH2Rail (Fuel Cell Hybrid Power Pack für Schienenanwendungen) sind mit dem DLR als Projektkoordinator sieben weitere Industrieunternehmen und Forschungseinrichtungen beteiligt: aus Spanien das Eisenbahnunternehmen Renfe, der Schienenfahrzeughersteller CAF, der Infrastrukturbetreiber Adif und das Forschungszentrum für Wasserstoff CNH2. Aus Portugal der Infrastrukturbetreiber Infraestruturas de Portugal sowie aus Belgien und Deutschland Toyota Motor Europe als Lieferant der Brennstoffzellen und Stemmann-Technik.
Die Agentur Clean Hydrogen Partnership der Europäischen Kommission zur Förderung der Entwicklung von Wasserstoff und Brennstoffzellen unterstützt das über vier Jahre laufende Projekt mit zehn Millionen Euro. Die beteiligten Industriepartner haben weitere vier Millionen Euro investiert.
Download FCH2Rail-Handout (engl.)