Artikel aus dem DLRmagazin 177: Die Erde vor Asteroideneinschlägen schützen

Aus der Bahn!

Raumsonde Hera
Die Raumsonde Hera (links) und einer der von ihr auszusetzenden Kleinsatelliten (Juventas)
Credit:

ESA/Science Office

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Ein gewaltiger, aber lautloser Crash im kosmischen Vakuum des Sonnensystems: Vor bald drei Jahren, im September 2022, schlug die NASA-Raumsonde DART mit einer Geschwindigkeit von rund 22.000 Kilometern in der Stunde auf dem knapp 150 Meter großen Asteroiden Dimorphos ein. Das war genau so beabsichtigt. Die Wissenschaft spricht trocken von einem „gezielten kinetischen Impuls“. Nächstes Jahr wird mit der ESA-Mission Hera nachgeschaut, was der Impuls der DART-Sonde tatsächlich angerichtet hat.

DART (Double Asteroid Redirection Test) hat getestet, ob mit einem Impakt die Bahn von Dimorphos, der um den fünfmal größeren Asteroiden Didymos kreist, verändert werden kann. Das Ergebnis war verblüffend: Von der Erde aus gemessen verkürzte sich der Orbit um Dimorphos um über eine halbe Stunde. Die Fachwelt hatte zuvor mit maximal zehn Minuten gerechnet. Mission accomplished? Gewiss, aber das reicht längst nicht für eine zukünftige, auf soliden Beinen stehende Asteroidenablenkung.

Also wird jetzt noch einmal ganz genau geprüft, was diese Kollision einer modernen irdischen Hightech-Blechkiste mit viereinhalb Milliarden Jahre alter steiniger Urmaterie aus dem Asteroidengürtel in elf Millionen Kilometer Entfernung bewirkte. Dazu startete am 7. Oktober 2024 die europäische Sonde Hera. Sie wird Didymos und Dimorphos Ende 2026 erreichen und dort die Veränderungen, die DART verursacht hat, beobachten und messen. Es geht dabei um nichts weniger als unsere Sicherheit. „Planetary Defense“ ist das Schlagwort: die Abwehr einer der Gefahren, die uns aus dem Weltall drohen.

Was passiert, wenn ein Asteroid die Erde trifft?

Es muss nun nicht gleich der Weltuntergang sein. Aber es könnte trotzdem eine der größten Naturkatastrophen der Menschheitsgeschichte werden – vielleicht die größte: der Einschlag eines mehrere hundert Meter großen Asteroiden auf der Erde. Die gute Nachricht ist, dass die Astronomie unter den erdbahnkreuzenden Kleinkörpern in unserem Sonnensystem keinen Kandidaten hat, der über einhundert Meter misst und noch in diesem Jahrhundert mit der Erde kollidieren würde. Das ist in Anbetracht der über 36.000 erdbahnkreuzenden Asteroiden von einhundert Metern Durchmesser und mehr, den „Near-Earth Objects“ (NEOs), zunächst beruhigend. In fast allen Fällen sind die meist stark elliptischen Bahnen dieser um die Sonne kreisenden Objekte sehr genau bestimmt. In der Fachwelt wird niemand nervös, wenn die Zahlen sagen, dass selbst größere Asteroiden unterhalb des Orbits geostationärer Satelliten, die sich in einer Entfernung von 36.000 Kilometern befinden, an der Erde vorbeischießen werden. Ein Kandidat ist der 340 Meter große Apophis im Jahr 2029. Oder der Ende 2024 entdeckte, zwischen 50 und 90 Meter große NEO 2024-YR4, von dem man eine Weile dachte, er könne mit der Erde kollidieren. Aktuell sieht es jedoch so aus, als träfe er den Mond.

Eine Frage der Zeit

Aber die Zahl von über 36.000 NEOs bedeutet auch, dass es irgendwann passieren wird, dass es mal wieder zu einem Zusammenstoß zwischen der vergleichsweise riesigen Erde mit einem dieser steinigen, oft kohlenstoffreichen, manchmal sogar metallischen Winzlinge kommen wird. Es sind die Geschwindigkeiten, sowohl die der Erde als auch die der Asteroiden, die für das gewaltige Zerstörungspotenzial sorgen. Insbesondere bei Frontalzusammenstößen. Schließlich bewegt sich schon die Erde, für uns unmerklich, mit 30 Kilometern pro Sekunde um die Sonne. Kommt ihr dann ein Asteroid mit derselben Geschwindigkeit entgegen, addiert sich die Kollisionsgeschwindigkeit auf 60 Kilometer pro Sekunde: Leipzig–Dresden in zwei Sekunden, umgerechnet rund 220.000 Kilometer pro Stunde. Da passieren dann gewaltige Dinge beim Eindringen in die Atmosphäre und beim Aufschlag auf der Erdoberfläche.

Kleine Körper mit Durchmessern von unter zehn Metern zerbersten in der immer stärker zusammengepressten Luft des Eindringkanals mit einer heftigen Explosion in der Stratosphäre. Ein noch nicht einmal hundert Meter großer Eindringling zerstörte 1908 nach seiner Detonation in 20 Kilometer Höhe ein unbesiedeltes Waldgebiet in Sibirien, die Steinige Tunguska. Auf einer Fläche der Größe des Saarlands wurden Millionen von Bäumen wie Streichhölzer umgeknickt. Hätte der Asteroid die Erde eine Stunde später auf derselben Bahn erreicht, wäre diese so weit nach Osten rotiert, dass es im heutigen Sankt Petersburg zu einer Katastrophe unermesslichen Ausmaßes gekommen wäre.

Pech für die Dinosaurier, Glück für uns

Und dann waren da noch die Dinosaurier, die vor 66 Millionen Jahren von der Erde verschwanden, weil auf der Halbinsel Yucatán das Chicxulub-Ereignis stattfand, der Einschlag eines bis zu 15 Kilometer großen Asteroiden. Die Auswirkungen waren auf der ganzen Erde zu spüren: Die Temperaturen durch Staub und Aerosole in der Atmosphäre fielen global so stark, dass dies die wechselwarmen Großreptilien nicht überlebten. Zu unserem Glück! Denn am Übergang von Kreide zu Tertiär, zwischen Erdmittelalter und Erdneuzeit, begannen die Säugetiere die Kontinente der Erde zu dominieren.

Deren Gattung Homo entwickelte sich bekanntlich zum Homo sapiens und ist seit bald 70 Jahren imstande, mit eigens entwickeltem Gerät ins Weltall vorzustoßen und seine unmittelbare kosmische Nachbarschaft zu erforschen. Es ist der schiere Zufall, dass seit dem Beginn des Raumfahrtzeitalters 1957 und zudem in dem winzigen Zeitraum seit 1801, als der erste Asteroid, die tausend Kilometer große Ceres, von Giuseppe Piazzi in Palermo entdeckt wurde, bis heute kein NEO auftauchte, der mit der Erde kollidierte. Gleichzeitig könnte die Menschheit, womöglich noch in diesem Jahrhundert, in der Lage sein, mit den Mitteln der Raumfahrt die Katastrophe eines kosmischen Zusammenstoßes zwischen Erde und Asteroiden zu verhindern.

Die Asteroidenmission Hera

Hera ist der europäische Beitrag zum Projekt AIDA (Asteroid Impact & Deflection Assessment) der amerikanischen Luft- und Raumfahrtbehörde NASA und der Europäischen Weltraumorganisation ESA. Die Mission startete am 7. Oktober 2024, um das Doppelasteroidensystem Didymos/Dimorphos zu untersuchen. Die ESA vergab den Auftrag zum Bau der Sonde an die Firma OHB in Bremen. Mit Kosten von 130 Millionen Euro ist Hera eine vergleichsweise günstige Tiefraummission. Deutschland als größter Finanzier leistet einen Beitrag von 37,5 Prozent, 14 weitere ESA-Mitgliedsstaaten tragen zu Hera bei. Deutschland ist mit zahlreichen technischen und wissenschaftlichen Beiträgen an der Mission beteiligt. Die Deutsche Raumfahrtagentur im DLR koordiniert all diese deutschen Beiträge mit Mitteln des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz.

Funk-Tests in der Maxwell-Kammer
In der sogenannten Maxwell-Kammer wird die Funkverbindung von Hera (links) zu den Kleinsatelliten Milani (im Vordergrund rechts) und Juventas (weiter hinten) getestet.
Credit:

ESA/F. Perez Lissi

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Hera wird Wissenslücken schließen

Zurück also zu den Missionen DART und Hera, mit denen erstmals eine praktische Umsetzung von über mehrere Jahrzehnte entwickelten Überlegungen und Konzepten zur Abwehr von Asteroiden getestet werden. Zunächst: Wir wissen nicht genug über die potenziellen Katastrophenmacher. Hera soll deshalb nicht nur die Folgen der DART-Kollision untersuchen, sondern generell neue Erkenntnisse zu kleinen, wirklich gefährlichen Asteroiden liefern. So ist diese europäische Mission die erste, die ein Asteroidentandem, ein sogenanntes Binärsystem, aus der Nähe untersuchen wird, das zudem auf einem die Erdbahn kreuzenden Orbit die Sonne umkreist.

Die Asteroidenmissionen der letzten Zeit haben nämlich eine verblüffende Beobachtung gemein: Kleine Asteroiden von nur wenigen hundert Metern oder einigen Kilometern Durchmesser scheinen gar keine festen Körper zu sein, sondern nur ein Konglomerat aus locker angehäuften Bestandteilen mit losem Zusammenhalt und einem hohen Anteil an Hohlräumen. Die Fachwelt spricht von „rubble piles“, Schutthaufen aus Gesteinsfragmenten. Wäre das die Regel und nicht die Ausnahme, könnte das Konsequenzen für das Explosionsszenario beim Eindringen in die Erdatmosphäre und möglicherweise einem „Beschuss“ der Oberfläche der Erde wie mit einer Schrotflinte haben.

Bedrohung durch Binärsysteme

Ein weiteres interessantes Phänomen ist die sich abzeichnende Tatsache, dass ein großer Teil der Körper im Asteroiden-Hauptgürtel zwischen den Planeten Mars und Jupiter Binärsysteme zu sein scheinen, also zwei (oder mehr) kleine Körper, die sich gegenseitig umkreisen. Modellrechnungen sagen, dass diese Konstellationen bei bis zu einem Fünftel der Asteroiden unter einem Kilometer Größe bestehen könnten. Dieses Phänomen ist nur in Ansätzen verstanden.

Größenvergleich
Darstellung der Raumsonde Hera zwischen dem etwa 800 Meter großen Didymos und seinem kleineren Begleiter Dimorphos. Auf Zweiterem schlug im September 2022 die Raumsonde DART ein, um seine Bahn zu verändern.
Credit:

ESA

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Eine Ursache dafür könnte sein, dass die Geschwindigkeit der Eigenrotation bei solchen Körpern durch die Bestrahlung mit Sonnenlicht und der verzögerten Abstrahlung der Wärme während der Asteroidennacht ganz langsam zunimmt. Wird ein Grenzwert überschritten, der die Stabilität von solchen Körpern mit losem Zusammenhalt gewährleistet, spaltet sich ein Tochterkörper ab. Hat dies zur Konsequenz, dass bei der Planung der Asteroidenabwehr mit zwei die Erde bedrohenden Körpern anders kalkuliert werden muss? Im Binärsystem Didymos/Dimorphos rotiert der größere, Didymos, mit fast genau diesem angenommenen Stabilitäts-Grenzwert um seine eigene Achse. Was passiert, wenn Didymos und ähnliche Körper schneller rotieren und den Grenzwert überschreiten? Hera soll hier wichtige Erkenntnisse liefern.

Gleich kracht’s!
Mosaik der letzten Bilder der DART-Sonde vor dem Einschlag auf Dimorphos. Gut sichtbar die „Schutthaufen“-Morphologie des Asteroiden.
Credit:

NASA/Johns Hopkins APL

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Benannt ist die ESA-Mission übrigens nach der Göttin Hera aus der griechischen Mythologie, einer der (nicht wenigen) Partnerinnen des Zeus. Ihr werden viele unterschiedliche Schutzfunktionen zugeschrieben. Der Schutz der Erde vor Asteroideneinschlägen ist mit den Mitteln der Raumfahrt heute tatsächlich in greifbare Nähe gerückt, und man mag mit den Galliern aus den Asterix-Comics an die Götter appellieren, dass sie dafür sorgen mögen, dass uns „der Himmel nicht auf den Kopf falle“, ehe die Menschheit verlässliche Methoden ersonnen, getestet und verfügbar hat, sollten neue Bahnberechnungen eine Kollision mit einem erdbahnkreuzenden Asteroiden anzeigen. Die Fachwelt geht davon aus, dass ein Körper der Größe von Dimorphos alle paar tausend Jahre auf der Erde einschlägt. Das erscheint viel Zeit, aber wie sagt der scheingebildete Lateiner gerne: Tempus fugit.

Ein Beitrag von Ulrich Köhler aus dem DLRmagazin 177

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