Artikel aus dem DLRmagazin 177: Der DLR Projektträger moderiert den Wettlauf um die passende Ladetechnik für den elektrischen Lkw

Wie der Strom in den Lkw kommt

Elektro-Lkw für die Langstrecke
Dieser eTGX ist das erste Fahrzeug von MAN, das mit dem Megawatt-Ladesystem ausgestattet ist.
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MAN

Vor wenigen Sekunden hat Hubert Aiwanger, bayerischer Staatsminister für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie, einen Lkw ans Stromnetz angeschlossen. Vor 200 Gästen aus Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Medien demonstriert das Forschungsprojekt NEFTON an diesem Tag erstmals das Megawatt-Ladesystem. Ein Display neben dem Fahrzeug zeigt die aktuelle Ladeleistung an. Das Kabel, das den Lkw mit der Ladestation verbindet, ist so dick wie ein Arm und muss ständig gekühlt werden, denn in knapp drei Stunden fließt etwa so viel Strom hindurch, wie ein Dreipersonenhaushalt im Jahr verbraucht. Die große Batterie einer elektrischen Sattelzugmaschine lässt sich damit in weniger als 30 Minuten laden. Ein wichtiger Meilenstein auf dem Weg hin zu klimaneutralem Güterverkehr auf der Straße.

Die Klimawende im Verkehr stockt

Während die Treibhausgasemissionen in den Sektoren Energie und Wirtschaft stetig sinken, bleibt der Verkehr ein Problem. Er ist für etwa ein Fünftel der deutschen Emissionen verantwortlich. Elektrische Pkw gehören zwar langsam zum Alltag auf der Straße, eLkw jedoch bleiben eine Rarität. Doch gerade bei den Nutzfahrzeugen lohnt sich der Umstieg. Eine einzelne Sattelzugmaschine stößt im Jahr durchschnittlich so viele Treibhausgase aus wie 50 Pkw. Insgesamt erzeugen schwere Nutzfahrzeuge mehr als fünf Prozent der deutschen Treibhausgase. Wenn große Lkw auf deutschen Straßen schnell klimaverträglicher werden, könnte die Hälfte der Emissionen des Güterverkehrs eingespart werden.

In Deutschland fahren die meisten Personen- und Güterzüge heute schon mit erneuerbarem Strom. Eine umfassende, kurzfristige Verlagerung des Güterverkehrs von der Straße auf die Schiene ist aber aufgrund mangelnder Kapazitäten im Schienennetz nur begrenzt möglich. Um den Güterverkehr schnell klimaverträglicher zu machen und die nationalen Klimaziele 2030 und 2040 zu erreichen, müssen deshalb Ansätze im Vordergrund stehen, die den Straßengüterverkehr direkt betreffen.

eLkw stehen in den Startlöchern

Die gute Nachricht: eLkw sind schon Realität. Bei der wichtigsten Messe für Nutzfahrzeuge, der IAA Transportation, haben 2024 alle großen Fahrzeughersteller elektrische Sattelzugmaschinen vorgestellt, die etwa 500 Kilometer weit fahren können. Tonnenschwere Akkus in den Fahrzeugen speichern ausreichend Strom, um auch die ganz großen Lkw mit Anhängern über lange Strecken quer durch Europa zu bringen. Nur ein Problem ist noch nicht gelöst: Die Ladezeiten der Riesen-Akkus sind noch zu lang. Damit eLkw tatsächlich in großem Stil zum Einsatz kommen, müssen die Batterien auch in den 45-Minuten-Lenkpausen der Fahrenden so weit geladen sein, dass die Reise weitergehen kann. Herkömmliche Ladesäulen geben das nicht her. Deswegen arbeiten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in Projekten wie NEFTON an neuen schnellen Ladesystemen. Ihre Forschungsergebnisse sind vielversprechend.

Das Megawatt-Ladesystem

Das Megawatt-Charging-System (MCS) ist ein neuer, speziell für die Anforderungen von Lkw und anderen schweren Nutzfahrzeugen ausgelegter Gleichstrom-Ladestandard. Das MCS wird seit 2018 entwickelt. Es soll eine bis zu zehnfach höhere Ladeleistung (3,75 Megawatt) als der übliche Schnellladestecker für Elektrofahrzeuge liefern. Die Abwärme, die durch den Strom von bis zu 3.000 Ampere entsteht, wird über große und aktiv gekühlte Gleichstrom-Kontakte und gekühlte Kabel abgeführt. Erste Serienfahrzeuge und Ladesäulen sollen noch in diesem Jahr mit dem MCS-Standard ausgestattet werden.

Der Wettlauf der Ladetechnologien

Mit dem Programm „Elektro-Mobil“ fördert das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz die vielversprechendsten Ansätze für Ladetechnologien. Der DLR Projektträger koordiniert das Programm, moderiert den Wettlauf um die Technologien, die zum Markt passen, und begleitet die Forschenden in den geförderten Verbundforschungsprojekten. Diese beschäftigen sich unter anderem mit kabellosen, induktiven Ladesystemen, mit Oberleitungen und mit bidirektionalen Ladesystemen. Bei Letzteren könnten Pkw und Lkw Strom laden und bei Bedarf wieder abgeben. So werden sie zu einem Schwarm mobiler Stromspeicher. Mit dieser Technologie könnten Flottenbetreiber und Spediteure auch mit geparkten Fahrzeugen Geld verdienen. Die größten Hoffnungen ruhen allerdings auf zwei weiteren Ladetechniken: dem Megawatt-Ladesystem und den Wechselakkus.

Im Verbundforschungsprojekt NEFTON erforschen MAN, die TU München und fünf weitere Beteiligte das Megawatt-Ladesystem, das im vergangenen Sommer der Öffentlichkeit präsentiert wurde. Fahrzeughersteller favorisieren solche kabelgebundenen Ladesysteme. Ein aktuelles Ziel des Förderprogramms „Elektro-Mobil“ ist, Technologien zu identifizieren, die das kabelgebundene Schnellladen ergänzen und Synergien ermöglichen. Denn das Megawatt-Ladesystem bringt ein Problem mit sich: Für Stromnetze sind Ladeparks mit dutzenden Lkw, die jeweils rund 1.000 Kilowatt Leistung aus dem Netz ziehen, ein Problem. Bis entsprechend leistungsstarke Netzanschlüsse bereitgestellt sind, kann es fünf Jahre oder länger dauern. Schon heute fehlen zudem tausende Lkw-Stellplätze in Deutschland und durch die zukünftige Ladeinfrastruktur wird der Platzbedarf für stehende Sattelzugmaschinen weiter steigen.

Wenn Flottenbetreiber selbst erzeugten Solarstrom vom eigenen Hallendach zwischenspeichern und verkaufen oder Energie an der Strombörse handeln, kann das die Gesamtkosten von eLkw senken und das Stromnetz resilienter gegen Störungen machen.

Dr. Michael Schier, Abteilungsleiter im DLR-Institut für Fahrzeugkonzepte

Im Projekt eHaul arbeiten Forschende an einer Alternative, die die Netzengpässe umgehen könnte. Auch dieser Forschungsverbund aus TU Berlin, Bosch und fünf weiteren Beteiligten nutzt Fördergelder aus dem Programm „Elektro-Mobil“, und auch er wird vom DLR Projektträger begleitet. Statt Fahrzeuge im Stand zu laden, entwickelt eHaul ein automatisiertes Batteriewechselsystem, das entladene Batterien durch geladene ersetzt. Dieses Konzept feiert in China seit 2020 große Erfolge, wo mittlerweile etwa jeder zweite eLkw mit wechselbaren Batterien ausgestattet ist und immer mehr davon zugelassen werden. Prof. Stefanie Marker leitet bei der TU Berlin das eHaul-Forschungsprojekt. Sie sagt: „Schnellladen und Batteriewechsel sollten keine konkurrierenden Methoden sein. Sie können nebeneinander existieren und einen zuverlässigen E-Verkehr auf der Langstrecke ermöglichen. Idealerweise fungieren Batteriewechselstationen als Übergangslösung, bis der Energienetzausbau flächendeckend abgeschlossen ist, und darüber hinaus an Strecken, wo ein Mangel an Ladesäulen besteht.“ Allerdings müssen für ein Wechselsystem zusätzliche Batterien bereitgehalten werden, und zurzeit gibt es noch keinen einheitlichen Technikstandard.

Eines aber ist schon sicher: Das Wettrennen um die zukünftige Infrastruktur für eLkw ist in voller Fahrt. Sobald die richtige Technologie gefunden ist, kann es ganz schnell gehen mit dem Umschwung im Güterverkehr.

Wann eLkw den Markt erobern können

Anders als Pkw verkaufen sich Sattelzugmaschinen nicht über Emotionen, sondern über Zahlen. Logistikunternehmen stehen im harten Wettbewerb um geringe Margen und handeln streng nach betriebswirtschaftlicher Logik. Sobald die Gesamtkosten für Anschaffung, Betrieb und Wiederverkauf eines eLkw und Beschaffung von Ladeinfrastruktur für das eigene Depot geringer sind als die Kosten für herkömmliche Diesel-Lkw, steigen sie um – wenn die Ladesysteme reibungslos zum Betriebsablauf passen. Für deutsche Spediteure könnte es sich schon ab diesem Jahr finanziell lohnen, auf eLkw zu setzen. Eine Sattelzugmaschine legt am Tag etwa 600 bis 800 Kilometer zurück. In acht Jahren kommt sie so auf etwa eine Million Kilometer – und ans Ende ihrer Lebenszeit. In diesem Turnus erneuern Spediteure ihre Flotte. Sobald die eLkw einen Preisvorteil haben, könnte also ein Jahrzehnt später die deutsche Lkw-Flotte elektrifiziert sein.

Vergleich Betriebskosten von eLKW und Diesel-Lkw - Modellrechnung des DLR-Instituts für Fahrzeugkonzepte
Die Gesamtkosten für Anschaffung und Betrieb von eLkw könnten ab 2025 die Gesamtkosten von Dieselfahrzeugen unterschreiten. Neben dem technischen Fortschritt spielen hierbei die Mautbefreiung für eLkw und der steigende CO₂-Preis eine wichtige Rolle. Das zeigt eine Szenariobetrachtung des DLR-Instituts für Fahrzeugkonzepte.

Ein Beitrag von Dr. Jens Erler und Lovis Krüger aus dem DLRmagazin 177

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