Abteilung

Satelliten- und Orbitalantriebe

Chemische Satellitentriebwerke werden nach wie vor überwiegend mit den flüssigen Treibstoffen Distickstofftetroxid zusammen mit Hydrazin, Monomethylhydrazin (MMH) oder unsymmetrischem Dimethylhydrazin (UDMH) betrieben, die zwar sehr giftig, aber über sehr lange Zeiträume lagerfähig sind und gleichbleibende Leistungseigenschaften liefern. Im Zuge der europäischen Registrierung, Evaluierung und Autorisierung von Chemikalien, kurz die REACH-Verordnung, ist Hydrazin auf die Kandidatenliste der Stoffe gesetzt worden, deren Nutzung möglicherweise europaweit verboten werden soll. Dies beruht im Wesentlichen auf seinen negativen Eigenschaften für Mensch und Umwelt. Darüber hinaus ist Hydrazin auch im Bereich  „New Space“ mit seinen Start-Ups und Micro-Launchern aufgrund der hohen Hürden und Anforderungen für seine Verwendung unerwünscht.

Um Hydrazin ersetzen können, bedarf es alternativer beziehungsweise fortschrittlicher neuer Treibstoffe, sogenannten: „Green Propellants“, die gleiche oder bessere Leistungseigenschaften der Triebwerke über vergleichbare Einsatzzeiträume ermöglichen. Daher werden in Lampoldshausen ionische Flüssigkeiten als Brennstoff, die mit Wasserstoffperoxid H2O2/ High Test Peroxide (HTP) als flüssiger Oxidator hypergol reagieren, vorgemischte und nicht vorgemischte N2O-Kohlenwasserstoff-basierte Systeme (HyNOx, NOFBx), sowie energetische ionische Flüssigkeiten (EILs) und Nitromethan-basierte Mongergol-Systeme gleichermaßen untersucht. Bei fortschrittlichen Treibstoffen wird im Allgemeinen eine deutlich verringerte Gefährdung von Personen und Umwelt angestrebt. Daraus resultiert nicht nur ein geringerer Aufwand im Umgang mit den Stoffen, auch die Kosten sinken aufgrund der geringeren Sicherheitsanforderungen.

Die Abteilung Satelliten- und Orbitalantriebe des DLR-Instituts für Raumfahrtantriebe untersucht die Einsatzmöglichkeiten neuer, fortschrittlicher Treibstoffe und Antriebstypen für Luft- und Raumfahrtanwendungen und die Erweiterung des Einsatzprofils bekannter Treibstoffe. Neuartige Treibstoffe wie ionische Liquide, umweltfreundliche und hypergol zündende Mischungen, gelförmige und hybride Treibstoffsysteme, sowie verbesserte kohlenwasserstoff-basierte Brennstoffe und die hierauf abgestimmte Antriebssysteme ermöglichen vielversprechende neue Einsatzgebiete und können die Luft- und Raumfahrt einfacher, günstiger und sicherer machen. Zur Untersuchung der verschiedenen Treibstoffe und Treibstoffkombinationen betreibt die Abteilung den Forschungsprüfstand M11, an dem Triebwerkstests an unterschiedlichen Testpositionen durchgeführt werden.

Zu den Arbeitsgebieten gehören insbesondere:

  • Die Forschungs- und Entwicklungsarbeiten an fortschrittlichen  „grünen Raketentreibstoffen“ (engl. Green Propellants) für Satelliten- und Orbitalantriebe: Schwerpunkt ist die Suche und Erforschung von lagerfähigen Treibstoffen als Alternative zu dem bisher in der Raumfahrt üblichen Hydrazinen, die giftig, krebserregend und schwierig in der Handhabung sind. Hierzu werden unter anderem energetische ionische Liquide (EIL), N2O-basierte Mischungen (HyNOx, NOFBx) und Wasserstoffperoxid H2O2/ High Test Peroxide (HTP) untersucht. Mischungen aus EILs und HTP können, gegebenenfalls unterstützt durch die Zugabe eines Katalysators, bei Kontakt selbsttätig reagieren, was ein Zündsystem überflüssig macht.
  • Die Arbeiten an gelförmigen Treibstoffen: Gele sind nicht-newtonsche Fluide und eröffnen die Möglichkeit, die Vorteile von Flüssig- und Festtreibstoffen zu kombinieren. Triebwerke mit gelförmigen Treibstoffen sollen sowohl wie Flüssigraketenantriebe geregelt werden können, als auch einfach wie Feststoffraketenantriebe zu handhaben und zu lagern sein. Forschungsschwerpunkte sind neuartige Treibstoffmischungen, die Verbrennungseigenschaften, sowie das Fließverhalten (Rheologie) und die Versprühung.
  • Entwicklungsarbeiten an Hybridraketenantrieben: Liegt der Oxidator in flüssiger oder gasförmiger Form und der Brennstoff als Feststoff vor, so wird der Antrieb als Hybridantrieb bezeichnet. Hybride Antriebe sind regelbar und haben aufgrund der räumlichen Trennung von Brennstoff und Oxidator sicherheitstechnische Vorteile. Forschungsthemen sind Brennstoffe mit hohen Regressionsraten zum Beispiel auf Basis von Paraffin, Additive – den Abbrand steigernde Zusatzstoffe – und der Einfluss verschiedener Oxidatoren wie gasförmiger und flüssiger Sauerstoff, Lachgas und Wasserstoffperoxid.
  • Forschungsarbeiten an luftatmenden Hochgeschwindigkeitsantrieben wie Staustrahlantrieben (Ramjets und SCRamjets): Staustrahlantriebe sind für zivile und wehrtechnische Anwendungen interessant, da mit ihnen größere Distanzen bei einer höheren Effizienz als mit konventionellen Raketenantrieben zurückgelegt werden können. Im atmosphärennahen Bereich können mithilfe von Staustrahlantrieben große Geschwindigkeiten und Höhen erreicht werden, was den Zugang zum Weltraum erleichtern kann.

Kontakt

Dr. Christoph Kirchberger

Abteilungsleitung
Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)
Institut für Raumfahrtantriebe
Satelliten- und Orbitalantriebe
Im Langen Grund, 74239 Hardthausen