Fernbedienung für den Weltraum - Deutscher Roboterarm auf der ISS nimmt Routinebetrieb auf

International Space Station (ISS)
Credit:

NASA

DownloadDownload

Oberpfaffenhofen - Das vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Oberpfaffenhofen entwickelte Technologie-Experiment ROKVISS (Robotik-Komponenten-Verifikation auf der ISS) kann nun auch vom Boden aus direkt angesteuert und im freien Weltraum in Bewegung gesetzt werden. Von der DLR-Bodenstation im oberbayerischen Weilheim aus sind die entscheidenden Tests im so genannten Telepräsenz-Modus mit Kraftrückkoppelung während eines rund sechsminütigen Überfluges der Internationalen Raumstation ISS durchgeführt worden. Erstmals wurde dabei ein Roboter im All ohne größere Zeitverzögerung von der Erde aus gesteuert - ein Novum in der Weltraumrobotik.

Bereits im März 2005 hatte der deutsche Roboterarm ROKVISS alle Tests im so genannten automatischen Modus erfolgreich absolviert. In diesem Modus wurden vorher programmierte und zur Internationalen Raumstation ISS übermittelte Bewegungssequenzen zu einem vorbestimmten Zeitpunkt vom Roboterarm eigenständig abgearbeitet. Nun sind auch die Tests im so genannten Telepräsenz-Modus positiv verlaufen. Damit wurde nachgewiesen, dass auch die direkte Fernsteuerung des Roboterarms vom Boden aus und die Kraftrückkoppelung perfekt funktionieren. Somit kann der Roboterarm, der an einer Außenplattform der Internationalen Raumstation ISS montiert ist, seinen für ein Jahr geplanten Experimentbetrieb im freien Weltraum nun in allen Bereichen aufnehmen.

Direkte Fernsteuerung des Roboterarms im Telepräsenz-Modus

Künstlerische Darstellung von ROKVISS im Weltraum

Im Telepräsenz-Modus wird der Roboterarm beim Überflug über die Sende- und Empfangsantenne in Weilheim (Süddeutschland) direkt vom Boden aus fern gesteuert und mit nur minimaler Zeitverzögerung im Weltraum bewegt. Der den Roboterarm bedienende Wissenschaftler auf der Erde, bekommt im Gegenzug ebenfalls mit nur minimaler Zeitverzögerung eine optische und sensorische Rückmeldung von den Aktionen des Roboterarms. Konkret wird dies durch die Übertragung von Stereobildern in Echtzeit erreicht. Hinzu kommt die ebenfalls mit extrem kurzer Zeitverzögerung von etwa 20 Millisekunden übermittelte Kraftrückkoppelung, durch die der Wissenschaftler am Boden eine direkte sensorische - für ihn am Bedienpult über Joystick spürbare - Rückmeldung über die im Weltraum entstehenden Kräfte erhält. Diese treten beispielsweise dann auf, wenn der Roboterarm die auf der gleichen Außenplattform montierte metallische Kontur im Weltraum feinfühlig abtastet.

Nachdem nun alle geplanten Tests mit dem Roboterarm erfolgreich absolviert wurden, erklärte Professor Gerhard Hirzinger, Direktor des DLR-Instituts für Robotik und Mechatronik in Oberpfaffenhofen: "In der Entwicklung von neuartigen Leichtbaurobotern für den kostengünstigen Einsatz im Weltraum und deren komfortabler Fernsteuerung von der Erde sind wir jetzt einen großen Schritt weitergekommen". Er betonte: "Das DLR hat mit dem erfolgreichen Abschluss sämtlicher Tests des Roboterarms seine internationale Spitzenstellung auf dem Gebiet der Raumfahrt-Robotik eindrucksvoll untermauert."

Der auf der Internationalen Raumstation ISS montierte 50 Zentimeter große und sieben Kilogramm schwere Roboterarm mit zwei Gelenken, einem Metallfinger und zwei integrierten Kameras basiert auf der neuesten Leichtbauroboter-Technologie des DLR. Er könnte in Zukunft bei Reparatur- oder Montagearbeiten im freien Weltraum eine wichtige Rolle spielen. Ziel des in Deutschland geplanten und entwickelten Experimentes ROKVISS ist es, die neue Roboterhardware und leistungsfähige Steuerungskonzepte im realistischen Missionsbetrieb und im freien Weltraum zu testen und zu verifizieren. Zukünftig soll diese innovative Robotertechnologie Astronauten bei komplizierten Arbeiten unterstützen und entlasten. Zudem könnte es die vom Boden gesteuerte Reparatur von Satelliten ermöglichen.

Am 24. Dezember 2004 war der deutsche Roboterarm vom russischen Weltraumbahnhof Baikonur mit einer russischen Sojus U-Rakete zur ISS gebracht worden. Die Außenmontage übernahmen am 26. Januar 2005 zwei Astronauten während eines etwa sechsstündigen "Weltraumspaziergangs".

Wichtiges Projekt für deutsche Raumfahrt-Industrie und -Forschung

Finanziert wird das Projekt vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) mit Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF). EADS Space Transportation in Bremen war als Hauptauftragnehmer für die Systemintegration sowie für wesentliche Komponenten der On-board Software verantwortlich. Das DLR-Institut für Robotik und Mechatronik in Oberpfaffenhofen entwickelte und baute die Robotik-Komponenten und ist für die Experimentdurchführung sowie für die wissenschaftliche Auswertung der Ergebnisse verantwortlich. Die Firma Kayser-Threde aus München ist für Entwicklung und Bau des Experimentcomputers, die Stromversorgung und die technische Unterstützung des DLR-Instituts zuständig. Das Unternehmen Hoerner & Sulger lieferte die Kameraausrüstung mit Elektronikzubehör. Das Management des Projektes erfolgt durch die Raumfahrt-Agentur des DLR. Die Durchführung der Mission basiert auf einer Vereinbarung zwischen der Raumfahrt-Agentur des DLR, den russischen Partnern Roskosmos und RKK Energija sowie dem Münchner Unternehmen Kayser-Threde als Hauptauftragnehmer für die S-Band-Kommunikationsinfrastruktur.

Die Kosten für das Experiment ROKVISS belaufen sich auf 11,5 Millionen Euro einschließlich 3,5 Millionen Euro für Start, Montage und Betrieb auf der ISS, die Deutschland an die russischen Vertragspartner zahlt.