31. Januar 2020 | Flugexperimente für die Luftfahrt der Zukunft

Neues DLR-Forschungsflugzeug ISTAR nach Braunschweig überführt

  • Erste Umbauphase bei Dassault ist abgeschlossen.
  • Inbetriebnahme beginnt in Braunschweig mit der Integration einer Basismessanlage.
  • ISTAR reiht sich in die größte zivile Forschungsflotte Europas mit insgesamt zwölf Flugzeugen und Hubschraubern ein.
  • Schwerpunkte: Luftfahrt, Digitalisierung

Am 31. Januar 2020 fliegt das neue DLR-Forschungsflugzeug Falcon 2000LX ISTAR (In-flight Systems & Technology Airborne Research) vom Dassault Werk in Bordeaux-Mérignac in seine neue Heimat beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Braunschweig. Die Ankunft des ISTAR in Braunschweig schließt die erste Umbauphase bei Dassault ab, bei der das ursprüngliche Flugzeug gemäß DLR-Spezifikation auf den Einbau umfangreicher Instrumentierungen vorbereitet wurde. Beim DLR in Braunschweig beginnt nun die Inbetriebnahme mit der Integration einer Basismessanlage und ersten Flügen. Bis Mitte der 2020er Jahre wird ISTAR mit zahlreichen weiteren Modifikationen seine volle Einsatzbereitschaft als Inflight Simulator erlangen, die zur Evaluierung des zunehmend automatisierten Fliegens, weiterentwickelter Pilotenassistenzsysteme und des unbemannten Fliegens genutzt werden. Zwei weitere Umbauphasen sind in enger Zusammenarbeit mit Dassault geplant.

"Mit dem ISTAR schlagen wir ein neues Kapitel in der Luftfahrtforschung des DLR auf", sagt Prof. Rolf Henke, DLR-Vorstandsmitglied für Luftfahrtforschung und Technologie. "Unser jüngstes Forschungsflugzeug entwickelt sich zu einem Allrounder für eine optimierte Aerodynamik, Flugführung und Flugregelung. Auch ermöglicht ISTAR einen neuen großen Schritt in die Digitalisierung der Luftfahrt. Wir werden für den ISTAR einen digitalen Zwilling erschaffen, der ihn sein ganzes Flugzeugleben begleiten wird."

Aufbaubegleitendes Forschungsprojekt HighFly

Nach der Unterzeichnung des Kaufvertrages für den ISTAR auf der ILA im April 2018 in Anwesenheit der Bundeskanzlerin, war der Twinjet zunächst bei Dassault in Bordeaux verblieben, um in zahlreichen Vorarbeiten mit zahlreichen Sensoren, Halterungen und Kabelwegen für den schrittweisen Einbau der umfangreichen Messanlage vorbereitet zu werden. Bis zum Sommer 2020 integriert das DLR nun in Eigenregie in die ISTAR-Kabine die Basismessanlage, die neben der Erfassung der aerodynamischen Eckdaten des Basisflugzeugs gleichzeitig weitere Signale der Experimentalsensoren und -antennen aufzeichnet. Zu der Messanlage gehört eine Arbeitsstation mit zwei Plätzen für Flugversuchsingenieure, die zur Überwachung und Aufbereitung der Daten und zur Steuerung der Flugexperimente genutzt werden. Damit wird ISTAR zuerst als Flugversuchsträger in den Bereichen Aerodynamik, Aeroelastik, Strukturen und Antrieb Forschungsarbeit leisten. Begleitend zum Aufbau der Flugzeuginstrumentierung wird in den kommenden drei Jahren das DLR-Forschungsprojekt HighFly (High speed inflight validation) in vier Abschnitten durchgeführt, das mit aufwendigen Vorbereitungen und der Einarbeitung der DLR-Wissenschaftler auf dem neuen Flugversuchsträger verbunden ist:

  • Ab Mitte 2020 sind erste Messflüge zur Parameter-Indentifizierung (PID) des ISTAR vorgesehen. Hierbei werden unter anderem flugmechanische und flugdynamische Eigenschaften des ISTAR bei spezifischen Flugmanövern über die Basismessanlage erfasst.
  • Im vierten Quartal 2020 folgen ein Taxi Vibration Test (TVT) sowie ein Ground Vibration Test (GVT), bei denen die Schwingungseigenschaften – also die Strukturdynamik des neuen Forschungsflugzeugs – exakt erfasst werden. Beim GVT steht das Flugzeug, während es beim TVT rollt. Für die Schwingungsmessungen werden vom Göttinger DLR-Institut für Aeroelastik zusätzlich zu den fest installierten Beschleunigungssensoren zahlreiche weitere Beschleunigungsaufnehmer außen am Flugzeug angebracht.
  • 2021 folgen optisch hochpräzise Triebwerksstrahlmessungen, bei denen die turbulenten Strömungen und deren Akustik hinter dem laufenden Triebwerk detailliert mittels Lasermesstechnik, Spezialkameras und Mikrofonen erfasst werden. Dabei kommt die im DLR in Göttingen entwickelte Methode Particle Image Velocimetry (PIV) zum Einsatz, mit der kleinste lichtstreuende Partikel die Strömungsmuster im gepulsten Laserlicht sichtbar machen.
  • 2022 sind schließlich umfangreiche Flugversuche zur exakten Vermessung des ISTAR beim Manövrieren an der Grenze der Envelope (MaGE) geplant. Hierbei wird das neue Forschungsflugzeug an die Grenze seiner fliegerischen Leistungsfähigkeit gebracht. Die Aerodynamik wird mit neusten Messtechniken des DLR in Braunschweig erfasst. Damit lassen sich die Modelle zur Strömungssimulation im Computer verbessern und neue Flugzeuge exakter, leichter und energieeffizienter auslegen.

Experimentelle Flugsteuerung und Inflight-Simulation

Mit Abschluss des DLR-Forschungsprojekts HighFly ist für 2023 ein weiterer Aufenthalt des ISTAR bei Dassault geplant. Dann wird das Forschungsflugzeug mit einem experimentellen Fly-By-Wire-System und einem experimentellen Autopiloten ausgerüstet. Hiermit können zunehmend automatisierte Pilotenassistenzsysteme erprobt werden, einschließlich automatischem Rollen und Starten. Das System wird auch für Tests zur Integration unbemannter Luftfahrzeuge in den kontrollierten Luftraum zum Einsatz kommen. In einem dritten Ausbauschritt bei Dassault Mitte der 2020er Jahre erhält ISTAR mit zusätzlichen Modifikationen, wie unter anderem symmetrischen Querrudern, einem direct Lift Control System und dem experimentellen Zugriff auf das Bugfahrwerk sowie einem uneingeschränkten experimentellen Zugriff auf die Flugsteuerung seine volle Funktionalität als fliegender Simulator. Weitere Hardware mit der das neue DLR-Forschungsflugzeug bereits standardmäßig ausgestattet ist, sind unter anderem ein intuitives EASy II-Cockpit mit EFVS, ein Rockwell Collins Head-Up-Display sowie eine Dassault Falcon Sphere II Electronic Flight Bag Suite.

Voll ausgebaut wird ISTAR in der Lage sein, die Flugeigenschaften neuer Flugzeugentwürfe real oder virtuell, bemannt oder unbemannt, unter realen Betriebsbedingungen zu testen. Der zudem geplante digitale Zwilling des ISTAR dient der digitalen Beschreibung des Flugversuchsträgers, anhand derer Umbauten, Wartung und Instandhaltung sowie operationelle Aspekte nachvollzogen und geplant werden. Das neue Forschungsflugzeug ist bei den DLR-Flugexperimenten am Standort Braunschweig stationiert und reiht sich dort in die größte zivile Forschungsflotte Europas mit dann insgesamt elf Flugzeugen und Hubschraubern ein. ISTAR steht anderen nationalen und europäischen Forschungseinrichtungen sowie Flugzeugherstellern und Zulieferern zur Verfügung.

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