24. Januar 2017

Weniger Wartezeit dank intelligenter Ampeln

Zukünftig soll der Verkehr an Ampelkreuzungen besser fließen und Verkehrsteilnehmer dürfen mit weniger Wartezeit rechnen. Möglich machen dies zwei neuartige Steuerungsverfahren für Ampeln, die Forscher des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) entwickelt und erstmalig in Braunschweig getestet haben.

Niemand soll viel Zeit an roten Ampeln verbringen, der Verkehr soll besser fließen und möglichst wenig Schadstoffe erzeugen. Das sind die Ziele, die sich das DLR-Institut für Verkehrssystemtechnik gesetzt hat. In dem von der Helmholtz-Gemeinschaft geförderten Projekt VITAL haben die Wissenschaftler dafür zwei intelligente Steuerungsverfahren für Lichtsignalanlagen (LSA), also Ampeln, entwickelt, mit denen der Verkehrsfluss an Kreuzungen positiv beeinflusst werden kann. Am Tostmannplatz in Braunschweig haben die Forscher nun erstmalig ein sogenanntes verlustzeitbasiertes und ein kooperatives Steuerungsverfahren getestet und mit der bisherigen Ampelsteuerung verglichen - mit erstaunlichen Ergebnissen: Bei einer Ampelregelung von insgesamt 16 Stunden pro Tag und 800 Fahrzeugen, die die Kreuzung in dieser Zeit pro Stunde passieren, haben sich während des Testlaufs im besten Fall eingesparte Wartezeiten von insgesamt bis zu fünf beziehungsweise bis zu 15 Stunden ergeben, je nach Verkehrslage und Steuerungsart. Die Einsparungen der einzelnen Verkehrsteilnehmer addieren sich dabei schnell zu diesen beachtlichen Tageswerten. "Anhand dieser ersten Zahlen wird deutlich, dass es sich lohnt, an neuen Ampelsteuerungsverfahren zu forschen und diese an noch weiteren Kreuzungen zu testen, um hier langfristige Effekte beobachten zu können", erklärt Prof. Karsten Lemmer, Leiter des DLR-Instituts für Verkehrssystemtechnik.

Die zwei neuen Verfahren im Detail

Das verlustzeitbasierte Steuerungsverfahren verlängert eine laufende Grünphase unter Beachtung einer minimal und maximal zulässigen Phasendauer so lange, bis dort alle Fahrzeuge, die bereits Verlustzeit angesammelt haben, weitergefahren sind. Mit diesem Verfahren konnten die Wissenschaftler die Wartezeit in ihrem Testlauf je nach Verkehrssituation um zeitweilig bis zu 15 Prozent verringern, was bis zu 15 Stunden pro Tag entspricht.

Beim kooperativen Verfahren wird eine verkehrsabhängige Steuerung mit einer sogenannten GLOSA-Funktionalität (Green Light Optimized Speed Advisory) - einem Ampelassistenten - verknüpft. Die Fahrzeuge werden mittels Fahrzeug-Infrastruktur-Kommunikation (Car2X) frühzeitig in den Zufahrten erfasst und deren weitere Fahrtverläufe prognostiziert. Damit lassen sich die Fahrzeugankünfte an den einzelnen Haltelinien vorhersagen und die Freigabezeiten entsprechend optimieren. Die so errechneten Schaltzeitpunkte werden dann zurück an die Fahrzeuge übermittelt für Hinweise zur Geschwindigkeitsanpassung. "Mit diesem Verfahren konnten wir die Wartezeit in unseren Versuchen je nach Verkehrslage zeitweise um bis zu fünf Prozent reduzieren, das entspricht bis zu fünf Stunden pro Tag", weiß Robert Oertel, VITAL-Projektleiter. Eigens für den Testdurchlauf am Tostmannplatz wurden sogenannte Magnetfeldsensoren in der Straße verbaut. Überfährt ein Fahrzeug diese Sensoren, übermitteln diese eine Information an die Ampel. "Die Magnetfeldsensoren sind quasi unsere Ersatztechnologie, bis ausreichend viele Fahrzeuge mit der Car2X-Technologie ausgestattet sind", erklärt Oertel. "Wenn zukünftig eine große Anzahl an Fahrzeugen mit Car2X fährt, dann erwarten wir weiteres Verbesserungspotential."

VITAL-Verfahren vielfältig einsetzbar

Das Neue an den VITAL-Verfahren ist die Nutzung der Verlustzeiten und Ankunftszeitpunkte als Kenngrößen für die Verkehrssteuerung. Bisherige Verfahren werden meist über feste Zeiten oder beim Überfahren von Detektionspunkten gesteuert. Um die Verlustzeiten und Ankunftszeitpunkte der Verkehrsteilnehmer zu ermitteln, erfassen die Fahrzeuge bei VITAL die Verkehrslage per Car2X selbst und liefern der Ampel beispielsweise Informationen über Position, Richtung und Geschwindigkeit. Eine weitere Besonderheit ist zudem, dass mit den VITAL-Steuerungsverfahren auch ein Beitrag zur Lösung aktueller verkehrs- und klimapolitischer Probleme geleistet werden kann: "Unser Ziel ist es, nicht nur die Warte- und Reisezeiten der Verkehrsteilnehmer zu reduzieren", so Oertel. "Mit VITAL sollen, ganz im Sinne des Klimaschutzes, auch unnötige Schadstoffemissionen vermieden werden und die bereits vorhandene Infrastruktur kann in Kombination mit Car2X weiter verwendet werden. Das spart den Kommunen zusätzliche Infrastrukturkosten und erleichtert den Einsatz." Die VITAL-Verfahren können in Form von vorgefertigten Modulen in eine Vielzahl von bestehenden LSA-Steuerungen integriert werden, die von Aufbau und Ablauf grundsätzlich unangetastet bleiben. Einzig die Kriterien für die Anpassung der Freigabezeiten werden entsprechend des verlustzeitbasierten oder kooperativen Verfahrens modifiziert.

Die Kreuzung am Tostmannplatz ist eine von insgesamt 36 Ampelkreuzungen in Braunschweig, die im Rahmen der Anwendungsplattform Intelligente Mobilität (AIM)mit Car2-X-Kommunikationstechnik ausgestattet wurden. AIM ist mit Unterstützung des Bundes, des Landes Niedersachsen und der Stadt Braunschweig eine deutschlandweit einzigartige Großforschungsanlage, die das komplette Spektrum der Verkehrsforschung abbilden kann.

Kontakt

Jasmin Begli

Kommunikation Braunschweig, Cochstedt, Stade, Trauen
Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)
Kommunikation
Lilienthalplatz 7, 38108 Braunschweig
Tel: +49 531 295-2108

Prof. Dr.-Ing. Karsten Lemmer

Mitglied des Vorstands
Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)
Linder Höhe, 51147 Köln

Vera Koopmann

Institutskommunikation
Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)
Institut für Aerodynamik und Strömungstechnik
Lilienthalplatz 7, 38108 Braunschweig