Neue Bilder der Acheron-Fossae-Gräben auf dem Mars



- Die hochauflösenden Stereokamera (HRSC) liefert neue Bilddaten über die Region Acheron Fossae auf dem Mars.
- Vor über 3,7 Milliarden Jahren bildete sich in der Region Acheron Fossae eine charakteristische „Horst-und-Graben“-Struktur.
- Während der geologisch aktiven Zeit des Mars kam es durch Dehnungskräfte in der Kruste zu Verwerfungen und zur Abwärtsbewegung von Gesteinsblöcken .
- Schwerpunkte: Raumfahrt, Mars
Den geologischen Begriff „Horst“ kennt man vielleicht aus dem Bergbau. Dort bezeichnet er Verwerfungen in der von Gestein umschlossenen Kohleschicht. Solche Strukturen findet man jedoch nicht nur tief unter der Erde, sondern auch fernab unseres Planeten – auf dem Mars. Bilddaten, die von der hochauflösenden Stereokamera HRSC an Bord der ESA-Mission Mars Express aufgenommen wurden, zeigen den östlichen Rand der Acheron Fossae, einem tektonischen Grabensystem. HRSC ist ein Kameraexperiment, das vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) entwickelt wurde und betrieben wird.
Das Grabensystem Acheron Fossae ist etwa 800 Kilometer lang und befindet sich etwa 1.200 Kilometer nördlich des riesigen Schildvulkans Olympus Mons. Die Landschaft schließt sich in Form einer kopfstehenden Mondsichel nördlich der sogenannten Olympus-Mons-Aureole an. Bei einer Aureole handelt es sich um eine ausgedehnte, fächerförmige Struktur aus abgerutschten Gesteinsmassen, die sich wie ein Mantel vom Vulkan hangabwärts ausgebreitet hat. Das HRSC-Bild zeigt den östlichen Teil der Region. Hier geht der Rand des Grabensystems in tiefer gelegene Ebenen über. Benannt ist das Gebiet nach dem Fluss Acheron – dem sogenannten Schmerzensfluss, der in der griechischen Mythologie ins „Reich der Toten“ fließt.

Dehnungskräfte in der Kruste des Mars
Acheron Fossae weist eine typische „Horst und Graben“-Oberflächenstruktur auf, die durch Verformung der Kruste in der Noachischen Periode des Mars, also vor mehr als 3,7 Milliarden Jahren, entstanden ist. Mehrere parallele tektonische Störungen haben für eine Abwärtsbewegung von Krustenblöcken auf beiden Seiten der Verwerfungen gesorgt. Diese gegensätzlichen Bewegungen deuten auf Dehnungskräfte in der Kruste während der geologisch aktiven Zeit des Mars hin. Sie könnten auch im Zusammenhang mit der Hebung der nahegelegenen Tharsis-Region stehen, die extreme Spannungen in der Marskruste verursachte. Im Laufe der geologischen Entwicklung füllten sich die Gräben mit unterschiedlichem Material, zum Beispiel Ablagerungen von Gletschern und Vulkanen.
Mars ist im Gegensatz zur Erde ein „Ein-Platten-Planet“. Tektonische Prozesse werden hier nur durch Spannungen im Untergrund, zum Beispiel durch Vulkanismus, ausgelöst. Die Untersuchung der Topographie und der geologischen Formationen von tektonischen Strukturen liefern wichtige Hinweise auf die Eigenschaften der Kruste und des oberen Gesteinsmantels des Planeten.
Während die tiefer gelegenen Ebenen eine glatte Oberfläche aufweisen, ist das Grabensystem zerklüftet und von Kratern bedeckt. Bei genauerem Hinsehen erkennt man, dass von den Kopfenden der zwei von Nordost nach Südwest verlaufenden Tälern eine Schicht aus etwas dunklerem Material in die Ebenen „floss“ („lobate flows“ in beschriftetem Bild). Die daruf befindlichen Fließstrukturen zeigen an, dass es sich um Überreste von Blockgletschern oder schuttbedeckten Gletschern handelt. Diese sind von den langen Talflanken gerutscht, treffen sich im Talboden und überlappen sich dort. So einsteht ein typisches linienartiges Muster, dass diese Gletscherlandschaften belegt. Die Überlappungen zeigen zudem die Strömungsrichtung an. Die Pfeile im Bild unten zeigen auf die Überreste der ehemaligen Gletscherzungen.

Lavaströme und vulkanische Dome
Das andere Material der Ebene ist etwas heller gefärbt und weist mehr Einschlagskrater auf seiner Oberfläche auf. Hier ist das zähflüssige Fließmuster nicht zu beobachten. Forscherinnen und Forscher interpretieren diese Ablagerung als Lavaströme von Alba Patera, einem der großen Schildvulkane des Mars östlich von Acheron Fossae. Die Lava hat einen knapp 30 Kilometer großen Einschlagskrater in der Mitte des Bildes verfüllt und teils begraben, sodass nur noch die Hälfte des ehemaligem Kraterrandes zu sehen ist.
Ein weiteres interessantes Merkmal der HRSC-Aufnahme ist eine Gruppe von drei kegelförmigen Gipfeln, die mehrere Kilometer hoch sind. Diese Formationen könnten als kleine vulkanische Dome interpretiert werden, die durch riftbedingten Vulkanismus in dieser Region entstanden sind: Die vulkanische Aktivität könnte durch den lokalen Aufstieg kleinerer Magmakammern entlang von Schwächezonen im Untergrund angetrieben worden sein. Teilweise sind die Vulkankuppeln von Verwerfungen durchzogen, was auf tektonische Aktivität nach ihrer Entstehung hinweist.
Bildbearbeitung
Die Bilder wurden von der hochauflösenden Stereokamera HRSC (High Resolution Stereo Camera) am 28. Oktober 2024 während Mars Express Orbits 26287 aufgenommen. Die Bodenauflösung beträgt etwa 17 Meter pro Pixel. Das Bild ist auf etwa 230 Grad Ost und 36 Grad Nord zentriert. Das Farbbild wurde aus den Daten des Nadirkanals, dem senkrecht zur Marsoberfläche ausgerichteten Sichtfeld, und den Farbkanälen der HRSC erstellt. Die schräge perspektivische Ansicht wurde aus dem digitalen Geländemodell, dem Nadirkanal und den Farbkanälen der HRSC erstellt. Das Anaglyphenbild, das bei Betrachtung mit einer Rot/Blau- oder Rot/Grün-Brille einen dreidimensionalen Eindruck von der Landschaft vermittelt, wurde aus dem Nadirkanal und einem Stereokanal abgeleitet. Die farbkodierte topografische Ansicht basiert auf einem digitalen Geländemodell (DGM) der Region, aus dem sich die Topografie der Landschaft ableiten lässt. Der Referenzkörper für das HRSC-DGM ist eine Marsäquipotentialfläche (Areoid).
Weiterführende Links
- DLR-Sonderseite zur Mission Mars Express
- DLR-Nachricht: Acheron Fossae: Die Gräben des „Totenflusses“ auf dem Mars
- DLR-Nachricht: Caralis Chaos - Eindrücke von den Ufern des einstigen Eridania-Sees
- DLR-Nachricht: Nectaris Fossae und Protva Valles - Brüche und Täler auf einem vulkanischen Hochlandplateau
- DLR-Nachricht: Die perfekte Totale aus Orbit 25.000
- DLR-Nachricht: Tantalus Fossae - ein Blick in die vulkanische Vergangenheit des Mars
- Mapserver: Freigegebene Rohbilder und Digitale Geländemodelle (DGM) der Region in GIS-fähigen Formaten
Das HRSC-Experiment auf Mars Express
Die hochauflösende Stereokamera wurde am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) entwickelt und in Zusammenarbeit mit Partnern aus der Industrie gebaut (EADS Astrium, Lewicki Microelectronic GmbH und Jena-Optronik GmbH). Das Wissenschaftsteam unter der Leitung von Dr. Daniela Tirsch, Principal Investigator (PI), besteht aus 50 Co-Investigatoren aus 35 Institutionen und elf Ländern. Die Kamera wird vom DLR-Institut für Planetenforschung in Berlin-Adlershof betrieben.
Kontakt
Michael Müller
Dr. Daniela Tirsch