JUICE

Die Raum­son­de

Nach dem Ende der NASA-Jupitermission Galileo (1995 bis 2003) wurde deutlich, wie einzigartig die Welt dieses Gasplaneten, seiner Ringe, der gewaltigen Magnetosphäre und vor allem der vier großen „Galileischen“ Monde sowie der vielen kleinen Monde ist. Aus indirekten Beobachtungen wurde die These abgeleitet, dass unter den Eiskrusten der drei Eismonde Europa, Ganymed und Callisto Ozeane verborgen sein müssten, die möglicherweise sogar Habitate für Leben sein könnten. Dies befeuerte den Wunsch der Wissenschaftsgemeinde, mit einer großen Mission ins Jupitersystem zurückzukehren.

Am 2. Dezember 2012 beschloss die Europäische Weltraumorganisation ESA, eine Mission der L-Klasse – „L“ für Large – zum Jupiter und seinen Monden vorzubereiten. Die Mission JUICE war geboren: ein Jupiter-Orbiter, der am Ende erstmals in die Umlaufbahn eines Mondes an einem anderen Planeten überführt werden soll. JUICE ist eine Mission im Cosmic-Vision-Programm 2015-2025 der ESA. Mit der Mission sollen viele fundamentale wissenschaftliche Fragen beantwortet werden.

JUICE hat zahlreiche Strukturen und Elemente der ESA-Vorläufermissionen Mars Express, Venus Express oder Rosetta übernehmen können. Allerdings ist jede Mission im Detail eine dem jeweiligen Ziel angepasstes „Unikat“ mit neuen Entwicklungen. JUICE wird die erste Mission der ESA ins äußere Sonnensystem sein, sieht man von der Mitreise der ESA-Landesonde Huygens auf dem NASA-Saturnorbiter Cassini zu dessen Mond Titan ab, sowie der ballistischen, unbetreuten, zweieinhalb Jahre währenden Flugphase der Kometensonde Rosetta auf Höhe und hinter der Jupiterbahn.

Bei JUICE liegen die besonderen Anforderungen in der achtjährigen Reise zum Missionsziel, der damit verbundenen schwierigeren Kommunikation mit der Sonde in Entfernungen von bis zu knapp einer Milliarde Kilometer. Auch die Stromgewinnung bei nur einem Fünfundzwanzigstel Sonnenenergie im Verhältnis zur Erde und der Schutz vor der enormen Strahlungsbelastung für Sonde und Instrumente sowie extreme Temperaturunterschiede müssen bewältigt werden.

Raumsonde und Energieversorgung

Der Hauptkörper des Orbiters, der „Bus“, hat ohne die Solarpaneele eine quaderförmige Form mit Außenmaßen von 4,09 mal 2,86 mal 4,35 Metern. Während der Mission ist die Sonde dreiachsenstabilisiert. Das bedeutet, dass in der Schwerelosigkeit des Alls eine Reihe von sich drehenden Schwungräder verwendet wird, um die Ausrichtung der Sonde in drei Achsen und in Bezug auf andere Himmelskörper ändern zu können. Dadurch kann JUICE nach „unten“ auf die Mond-Oberflächen oder die Wolkendecke Jupiters blicken, um während der Vorbeiflüge die geplanten wissenschaftliche Beobachtungen durchzuführen. Außerdem kann die Sonde ihre großen Solarmodule nach Bedarf effektiv ideal orientieren oder die Antenne genau zur Erde auszurichten.

Die Stromerzeugung erfolgt mit zehn seitlich angebrachten, kreuzförmig angeordneten Solarpaneelen von jeweils 2,5 mal 3,5 Meter Fläche, was eine Gesamtfläche von 85 Quadratmetern ergibt. Damit können am Jupiter mit 23.560 Galiumarsenid-Solarzellen photovoltaisch zwischen 700 und 900 Watt elektrische Leistung erzeugt werden. Die Sonnenstrahlung ist wegen der fünfmal größeren Entfernung am Jupiter 25 mal schwächer als an der Erde. JUICE ist damit das größte „Solarkraftwerk“ im Sonnensystem: Mit entfalteten Solarpaneelen hat JUICE Ausmaße von 16,8 mal 21,7 mal 13,7 Metern.

Der technische Fortschritt bei der Stromerzeugung durch Solartechnik machte es erstmals bei der NASA-Raumsonde Juno (seit Juli 2016 im Jupiterorbit) möglich, so weit von der Sonne entfernte Raumsonden mit Solarstrom zu versorgen. Die Akkus an Bord lassen die Raumsonde Verfinsterungen durch Monde und Planeten bis zu fünf Stunden Dauer zu überstehen.

Antrieb

Die Raumsonde hat mit Treibstoff für Kurskorrekturen und Bahnänderungen eine Masse von 5.963 Kilogramm, ohne Betankung sind es 2.420 Kilogramm. Darin ist der Nutzlastadapter enthalten, der JUICE bis zum Aussetzen mit der Ariane-5-Trägerrakete verbindet. Davon sind 280 Kilogramm für die „Nutzlast“ reserviert, die aus zehn wissenschaftlichen Instrumenten besteht. Die mitgeführten etwa dreieinhalb Tonnen Flüssigtreibstoff bestehen aus Monomethylhydrazin als Brennstoff und gemischten Stickstoffoxiden als Oxidator.

Das Antriebssystem entwickelt im Vakuum 425 Newton Schubkraft, um das Raumfahrzeug auf seinem achtjährigen Flug zum Jupiter von Zeit zu Zeit exakt auf Kurs zu seinem Ziel und dort in der gewünschten Position zu halten. Auch können seine Lage und Orbitalparameter bei Jupiter und Ganymed angepasst werden. Das Verhältnis von Raumsondenmasse zu Treibstoff ist bei JUICE vergleichsweise hoch, weil während der eigentlichen Missionsphase 2031-2035 mehr Bahnmanöver als bei anderen Missionen erforderlich sind. Dies gilt insbesondere für die Phase des Wechsels von einem Jupiterorbit mit verschiedenen Bahnneigungen zu einem ersten hohen und dann auf 500 Kilometer reduzierten Orbit um Ganymed.

Kommunikation mit der Erde

Die Planetenbahn Jupiters um die Sonne ist im Schnitt etwa 630 Millionen Kilometer von der Erdbahn entfernt, hat aber eine Exzentrizität von 0,05. Die Jupiterbahn ist also etwas mehr zu einer Ellipse gestreckt, als die rund 150 Millionen Kilometer von der Sonne entfernte, fast kreisförmige Bahn der Erde (Exzentrizität 0,017). Die Dauer der Übertragung von Funksignalen von der Raumsonde zur Erde bzw. von dort zu JUICE kann deshalb zwischen 33 und 53 Minuten für eine Strecke betragen. Die unterschiedlichen Signallaufzeiten ergeben sich aus der jeweiligen Position Jupiters – je nachdem, ob er an seinem sonnennächsten Punkt, dem Perihelion, in 740 Millionen Kilometern zur Sonne steht, oder in seinem sonnenfernsten, dem Aphelion, in 817 Millionen Kilometern. Hinzu kommt: Steht die Erde in Opposition zu Jupiter (Sonne, Erde und Jupiter bilden eine Linie) oder in Konjunktion zu Jupiter (Erde, Sonne und Jupiter stehen auf einer Linie). Die maximale Signalumlaufzeit Sonde-Erde-Sonde beträgt deshalb eine Stunde und 46 Minuten.

Dies erfordert eine sehr sorgfältige Planung von Operationen und Bahnmanövern der JUICE-Sonde am weit entfernten Jupiter. Die Mission ist so gestaltet, dass JUICE seine Kommandos lange vor der Ausführung erhält und die Befehle dann von der Raumsonde mit großer Autonomie ausgeführt werden. Für die Kommunikation ist JUICE mit einer statischen Hochleistungs-Parabolantenne mit einem Durchmesser von zweieinhalb Metern ausgestattet. Zusätzlich ist noch eine bewegliche Antenne mittlerer Leistungsfähigkeit an Bord, die vor allem bei den Vorbeiflügen im inneren Sonnensystem verwendet wird, wenn die Hauptantenne zum Schutz der Sonde vor Sonnenstrahlung beim Venus-Vorbeiflug in Richtung der Sonne gedreht wird.

JUICE sendet in den Wellenlängen Ka (26,4-40 Gigahertz) und X (8,2-12,4 GHz). Damit sollen täglich mindestens 1,4 Gigabyte von der Sonde zur Erde übertragen werden können. Für den Empfang der Daten stehen dabei die drei 35-Meter-Antennen der ESA in Spanien (Cebreros), Argentinien (Malargüe) und Australien (New Norcia) mit jeweils etwa 120 Längengraden Abstand zur Verfügung. Damit ist eine kontinuierliche 24-Stunden-Kommunikation von der rotierenden Erde zu Raumsonden in den Tiefen des Sonnensystems möglich. Von den Deep-Space-Antennen gelangen die Funksignale in Sekundenschnelle in das ESA-Kontrollzentrum ESOC (European Space Operations Centre) in Darmstadt. Bei Engpässen und Problemen können auch die drei großen Deep-Space-Network-Antennen der NASA in Kalifornien, Australien und Spanien Unterstützung leisten. Der Datenspeicher auf JUICE hat ein Volumen von 1,6 Terabyte. Sämtliche Raumsondendaten sowie Messungen, Bilder und experimentelle Daten werden seitens der ESA im Planetary Science Archive gespeichert und im Planetary Data System der NASA gespiegelt.

Neben der Antenne gibt es mehrere an JUICE angebrachte Ausleger, die Sensoren für die Messungen des Magnetfeldes von Jupiter und Ganymed sowie der Plasmaumgebung des Planeten durchführen sollen. Sie müssen für ihre Messungen eine räumliche Distanz zum Sondenkörper mit seinen elektrischen Feldern haben, um Interferenzen und Störungen zu vermeiden. Darunter ist auch ein auf 10,6 Metern Länge ausfaltbarer Antennenstab für die Experimente J-MAG (JUICE Magnetometer) und RPWI (Radio and Plasma Wave Investigation) sowie ein auf 16 Meter entfaltbarer Antennenstab für das Radar-Experiment RIME (Radar for Icy Moon Exploration). Für RPWI werden zwei zusätzliche Antennen von 2,5 Metern Länge ausgefahren.

Thermalkontrolle

JUICE erfährt einerseits hohe Temperaturen von 250 Grad Celsius im inneren Sonnensystem und beim Vorbeiflug der Sonde an der Venus. Andererseits ist er fern der Sonne Temperaturen von bis zu minus 230 Grad Celsius ausgesetzt. Diese Temperaturen sind extrem für die meisten Komponenten der Sonde, vor allem die empfindlichen Elektronikbauteile und Sensoren der Experimente. Deshalb wurde JUICE in 500 schützende, dünne Wärmedämmfolien (eine sogenannte „Multi-Layer Insulation“ mit einer Gesamtmasse von 100 Kilogramm) „eingewickelt“, um seine Temperatur zu regulieren und sein Inneres angesichts der veränderlichen Bedingungen stabil zu halten.

Schutz der Sonde vor Strahlung

JUICE muss für die Missionszeit im Jupitersystem die dem All ausgesetzten Elemente, aber auch nahezu alle elektronischen Komponenten im Inneren auch vor Strahlung schützen. Die Strahlungsumgebung am Jupiter ist – neben der Sonne – die extremste im gesamten Sonnensystem.

Der Planet hat ein Magnetfeld, das bis zu 20 mal so stark ist wie das irdische – 400 Mikrotesla am Äquator und 1.000 bis 1.400 Mikrotesla an den Polen. Auf der Erde betragen diese Werte circa 30 Mikrotesla am Äquator beziehungsweise 60 Mikrotesla an Nord- und Südpol. Wie bei der Erde ist die Achse des Dipolmagnetfeldes am Jupiter gegenüber seiner Drehachse um zehn Grad geneigt. Das Magnetfeld Jupiters entsteht vermutlich in den tiefgelegenen Schichten des Planeten, in denen der Wasserstoff unter hohem Druck metallische Eigenschaften hat, sowie durch die schnelle Rotation des Planeten.

In Richtung der Sonne ragt das Magnetfeld 5 bis 7 Millionen Kilometer weit ins All. Auf der von der Sonne abgewandten Seite erstreckt sich das Magnetfeld sogar 100 mal weiter, und dehnt sich damit beinahe bis zur Bahn des Saturn aus. Die Wechselwirkung mit dem Sonnenwind führt zu starken Fluktuationen im Magnetfeld, deshalb ist es „vor“ dem Planeten gestaucht und „dahinter“ gedehnt.

In der Magnetosphäre dominiert der Fluss von gebundenen Elektronen über den Anteil von Protonen und Ionen um mehrere Größenordnungen. Diese Elektronen stammen zum einen aus dem Sonnenwind und zu einem größeren Anteil von den Monden – hauptsächlich wohl von den Stoffen, die bei Vulkanausbrüchen auf dem Mond Io freigesetzt werden. Neben der Magnetosphäre der Sonne ist das Magnetfeld Jupiters die größte Struktur im Sonnensystem.

Die Elektronen werden vom Magnetfeld Jupiters stark beschleunigt und erlangen dadurch hohe Energien, so dass sie bei Kollisionen mit der Raumsonde wie Geschosse wirken. Das Energiespektrum reicht von niedrigen, leicht beherrschbaren Energien bis zu deutlich höheren Energien, denen Satelliten auf geostationären Bahnen 36.000 Kilometer über der Erde ausgesetzt sind. Bei JUICE werden die Elektronen überwiegend an der Oberfläche absorbiert. Dort können Materialien verwendet werden, bei denen von geostationären Satelliten bekannt ist, dass sie solchen Dosen standhalten, dabei handelt es sich um leitfähige Schichten, die den Elektronenfluss ableiten.

Schwieriger ist der Schutz vor dem Beschuss durch hochenergetische Elektronen. Ihnen sind die Instrumente während ihrer Anwendung unmittelbar ausgesetzt. Das macht den Schutz der Experimente und ihrer vielen elektronischen, mechanischen und optischen Bestandteile schwieriger. Die hohen Strahlungsdosen können zunächst die Oberflächen schädigen oder optische Komponenten trüben. Die dem All exponierten Oberflächen wie beispielsweise Optiken können nicht geschützt werden und bestehen deshalb aus strahlungsresistenten Materialien.

Im Gegensatz zu Protonen und Ionen würden die stark beschleunigten Elektronen auch tiefer in die Sonde und damit auch in die Instrumente eindringen. Das erfordert mehr Abschirmungsmaterial für die empfindlichen Teile im Inneren der Geräte. Bei Weltraummissionen zu fernen Zielen ist dies besonders schwierig, da die Instrumente wegen der Nutzlastbegrenzung – bei JUICE 280 Kilogramm – möglichst leicht gebaut sein sollen. Da aber während der geringsten Distanz von JUICE zu Jupiter der Strahlungsfluss mehr als eine halbe Million Mal höher sein wird als der durchschnittliche Wert auf der Erde, musste ein tauglicher Kompromiss zwischen „Strahlungshärte“ und wenig Masse gefunden werden. Anschaulich und ausführlich ist dies am Beispiel des Strahlungsschutzes für das Ganymed Laser Altimeter GALA in diesem DLR-Blogeintrag geschildert.

Hauptauftragnehmer für die Entwicklung und den Bau von JUICE ist die Firma Airbus Defense and Space, die einen Großteil der Arbeiten in Friedrichshafen und in Toulouse/Frankreich durchführte.

ESA-Mission mit starker deutscher Beteiligung

JUICE ist die größte und umfangreichste ESA-Mission zur Erforschung der Planeten des Sonnensystems. Neben der ESA haben auch die NASA und die japanische Weltraumorganisation JAXA zur Mission beigetragen. Die ESA übernimmt die Finanzierung für die Satellitenplattform, den Start mit der Ariane-5-ECA-Rakete sowie den Betrieb der Sonde. Die Finanzierung für die wissenschaftlichen Nutzlasten für JUICE werden zum größten Teil von den nationalen Raumfahrtagenturen und den beteiligten Instituten selbst getragen. Neben den Experimenten JANUS, SWI und GALA fördert die Deutsche Raumfahrtagentur im DLR mit dem Teilchenspektrometer Particle Environment Package (PEP), dem Jupiter-Magnetometer (J-MAG), dem Radar-Instrument Radar for Icy Moons Exploration (RIME) und einem Instrument zur Radiosondierung der Jupiteratmosphäre (3GM) weitere deutsche wissenschaftliche Beiträge aus dem Nationalen Raumfahrtprogramm.

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