5. April 2022 | Auf dem Weg zum autonomen Fahren

Teleoperation hilft, wenn das autonome Fahrzeug nicht weiterweiß

  • Teleoperation kann ein weitgehend autonom fahrendes Auto in Situationen unterstützen, bei denen es nicht allein klarkommt.
  • DLR erforscht, wie sich das Konzept der Teleoperation umsetzen lässt.
  • Dazu gehört beispielsweise die Frage, wie ein Arbeitsplatz für Teleoperation aussehen kann und welche Anforderungen diese Arbeit an den Menschen stellt.
  • Schwerpunkte: Verkehr, intelligente Mobilität der Zukunft

Autonome und vernetzte Fahrzeuge können in der Mobilität der Zukunft die meisten Aufgaben bereits selbstständig bewältigen. Noch schaffen sie es allerdings nicht, alle Verkehrssituationen zu meistern. Treffen sie auf ein Problem, bei dem sie nicht weiterwissen, geht Sicherheit vor. Meistens bedeutet das: an den Straßenrand fahren und anhalten. Um solche Situationen in Zukunft sicher und schnell zu lösen, forscht das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) an der Teleoperation dieser Fahrzeuge. In unklaren Situationen kann das autonome Fahrzeug dann Unterstützung durch Teleoperation bei einer Technischen Aufsicht anfordern.

Teleoperation: technologische Brücke und gesetzlich vorgeschrieben

„Die Teleoperation von autonomen Fahrzeugen ist eine Brücke, um bereits vorhandene Technologien im Bereich der Automation zügig in die Anwendung und auf die Straßen zu bringen“, beschreibt Dr. Michael Oehl vom DLR-Institut für Verkehrssystemtechnik in Braunschweig. Im Fokus der Arbeiten steht das autonome Fahren auf SAE-Level 4. Dabei übernimmt die Automation alle Fahraufgaben. Insassen müssen nicht eingreifen, auch wenn es über Steuerungselemente wie Lenkräder noch möglich wäre.

Noch sind autonome Fahrzeuge nicht marktreif. Die rechtlichen Rahmenbedingungen für ihren Einsatz sind aber bereits vorhanden – auch in Deutschland. Das „Gesetz zum Autonomen Fahren“ trat im Juli 2021 in Kraft und wurde mit der „Verordnung zum Autonomen Fahren“ genauer geregelt. Es erlaubt das autonome Fahren nach SAE-Level 4 auf speziellen Strecken oder innerhalb festgelegter Betriebsbereiche, zum Beispiel auf öffentlichen Straßen in der Stadt, auf Autobahnen oder in speziellen Bereichen wie Flughäfen und Logistikhöfen. Möglich ist damit zum Beispiel der Transport von Personen oder Gütern mit fahrerlosen Shuttles. Neue automatisierte Mobilitätsdienste können so perspektivisch eine wichtige Rolle bei der Gestaltung eines klimaneutralen Verkehrssystems übernehmen. Für Betrieb und Haftung spielt dabei die Teleoperation beziehungsweise die Technische Aufsicht – so die Formulierung im Gesetz – eine entscheidende Rolle.

Remote Assistance als eine Art der Technischen Aufsicht: Der Schlüssel zum autonomen Fahren
Autonome Fahrzeuge (SAE 4) werden immer ausgereifter. Aufgrund der Vielzahl möglicher Situationen, mit denen sie im Straßenverkehr konfrontiert werden können, ist ihre Automatisierung jedoch noch nicht immer in der Lage, alle diese Situationen reibungslos zu bewältigen. Die Technische Aufsicht als Remote Assistance, eine Art Fernüberwachung oder Remote-Operation, ist eine Möglichkeit, mit menschlicher Unterstützung herausfordernde Situationen zu bewältigen, die die Fähigkeiten der Fahrzeugautomatisierung übersteigen. Die Überwachung und Unterstützung der autonomen Fahrzeuge aus der Ferne trägt dazu bei, den autonomen Fahrbetrieb sicherer und zuverlässiger zu gestalten. Das Video stellt das DLR-Interaktionskonzept zur Remote Assistance vor und zeigt den Arbeitsplatz der Technischen Aufsicht.

Im Fokus: Zusammenarbeit von Mensch und Automation

„Wir stehen am Anfang der Entwicklung mit vielen Ideen und Konzepten, um die Teleoperation von Fahrzeugen effizient und sicher zu machen“, schildert DLR-Wissenschaftler Oehl. „Wir konzentrieren uns aktuell vor allem auf das Zusammenspiel von Mensch und Automation sowie auf die Gestaltung der notwendigen Schnittstelle, also das Human-Machine-Interface, kurz HMI. Dabei schauen wir uns zum Beispiel an, wie ein Arbeitsplatz für die Teleoperation aussehen könnte, welche Anforderungen der Job an den Menschen stellt und wie er aus arbeits- und ingenieurpsychologischer Sicht gestaltet sein muss.“

Der menschliche Faktor: Anforderungen und Arbeitsplatzdesign für Teleoperation

Ausgerüstet mit Monitoren, Bedienoberflächen und Headsets könnten in Zukunft mehrere Teleoperateurinnen und Teleoperateure in einer Zentrale zusammensitzen und autonome Fahrzeuge durch schwierige Situationen lotsen. Parkt zum Beispiel ein Lieferfahrzeug in zweiter Reihe, fährt ein solches Auto nicht aus eigener Entscheidung über eine durchgezogene Linie, sondern bleibt stehen. Ähnliche Situationen können im Kontext von Baustellen entstehen, die im System noch nicht hinterlegt und der Automation deshalb nicht bekannt sind.

Bevor es allerdings an die unzähligen konkreten Verkehrsszenarien geht, müssen die DLR-Forschenden noch jede Menge grundsätzlicher Fragen lösen: Wie und mit welchen Informationen bildet man die zu betreuenden Fahrzeuge am besten ab? Wie viele Fahrzeuge kann eine einzelne Person parallel auf dem Schirm haben und betreuen? Welche Live-Bilder können die Kameras in den hochautomatisierten Fahrzeugen liefern, um die Technische Aufsicht bei der Entscheidung zu unterstützen? Wie lange dauert die durchschnittliche Bearbeitung einer Assistenzanfrage? Und wie lange benötigt man, um sich in die jeweilige Situation des Fahrzeugs hineinzuversetzen und eine Entscheidung zu treffen?

„Besonders wichtig bei solchen Überwachungsaufgaben ist beispielsweise die Vigilanz. Damit bezeichnen wir in der Forschung einen Zustand der andauernden Aufmerksamkeit. Auch wenn über längere Zeit nichts passiert, muss man zügig reagieren können. Um Ablenkung, Abschalten und Müdigkeit vorzubeugen, muss der Arbeitsplatz in der Teleoperation deshalb speziell gestaltet sein. „Man darf – ähnlich wie bei Zugführenden oder in der Flugüberwachung – nicht permanent überfordert, aber auch nicht unterfordert sein,“ beschreibt Michael Oehl. Um diesen Fragen im Kontext der Teleoperation von autonomen Fahrzeugen genauer auf die Spur zu gehen, hat das Team auch einen solchen Arbeitsplatz als Prototyp aufgebaut. Damit untersuchen die Forschenden sehr anwendungsnah, welche Informationen Teleoperateurinnen und Teleoperateure in Zukunft ganz konkret an ihrem Arbeitsplatz benötigen, um autonome Fahrzeuge in für die Automation unklaren Situationen zügig und sicher unterstützen zu können.

Kontakt

Denise Nüssle

Presseredaktion
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Tel: +49 711 6862-8086

Dr. Michael Oehl

Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)
Institut für Verkehrssystemtechnik
Kooperative Systeme
Lilienthalplatz 7, 38108 Braunschweig