Künstliche Intelligenz und Satellitendaten für verbesserte Klimavorhersagen
- Die Genauigkeit und Geschwindkeit von Vorhersagen soll mithilfe maschineller Lernverfahren maßgeblich verbessert werden.
- Der neue Ansatz der Forschenden verbindet Modelle über verschiedene Skalen und unterschiedlicher Komplexität von Prozessen mit der systematischen Verwendung von Satellitendaten und KI.
- Schwerpunkte: Raumfahrt, Erdbeobachtung, KI
Satellitengestützte Erdbeobachtungsdaten sind grundlegend für die Klima- und Umweltforschung. Neben ihrer essentiellen Rolle das Klima zu monitoren, helfen sie in der Bewertung und Evaluierung von Klima- und Erdsystemmodellen. Diese Modelle sind wichtige Tools, um Klimavorhersagen und Technologiebewertungen für eine nachhaltige Entwicklung einzelner Sektoren wie Energie, Luftfahrt und Verkehr zu liefern. Künstliche Intelligenz (KI) kann helfen, diese Modelle weiter zu verbessern: Ein Forschungsteam unter der Leitung von Prof. Veronika Eyring vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) und der Universität Bremen hat einen Ansatz entwickelt, KI in Erdsystem-Modelle zu integrieren, und hierzu zwei Perspektiven zukünftiger Forschungsschwerpunkte veröffentlicht. Die Genauigkeit und Geschwindkeit von Vorhersagen soll mithilfe maschineller Lernverfahren maßgeblich verbessert werden. Dieser neuartige Ansatz hat das Potenzial, charakteristische Einschränkungen von Klimamodellen zu verringern, und bringt die KI-Revolution in dieses wichtige Forschungsfeld ein. Am 25. September 2024 ist im Fachmagazin Nature Geoscience die Perspektive „AI-empowered next-generation multiscale climate modelling for mitigation and adaptation“ dazu erschienen.
Unterschiede überbrücken, Stärken übernehmen
Erdsystem-Modelle berücksichtigen wichtige Prozesse der Atmosphäre und ihre Wechselwirkungen auch mit anderen Komponenten des Erdsystems (z.B. Ozean und Land), sodass sie Vorhersagen des Gesamtsystems Erde erstellen. Entsprechend verarbeiten sie große Datenmengen und sind mit Blick auf die Rechenzeit begrenzt in der räumlichen Auflösung. Daraus ergeben sich Ungenauigkeiten und systematische Fehler. Diese zu verbessern, gehört zu den größten Herausforderungen in der Klimamodellierung. Der neu vorgeschlagene Ansatz setzt nun maschinelle Lernverfahren ein, um in den Simulationen die Darstellung von Prozessen zu verbessern, die nicht explizit in den Modellen aufgelöst werden können und die für die Klimadynamik von zentraler Bedeutung sind. Simulationen mit hochaufgelösten Klimamodellen im Kilometerbereich haben im Vergleich mit Beobachtungsdaten eine höhere Genauigkeit, können aber aufgrund der enormen Rechenkosten derzeit nicht auf Klimazeitskalen von mehreren Jahrzehnten oder länger durchgeführt werden.
Der neue Ansatz der Forschenden verbindet Modelle über verschiedene Skalen und unterschiedlicher Prozess-Komplexität mit der systematischen Verwendung von Satellitendaten und KI. Die KI arbeitet dabei vollständig integriert: Sie nimmt zum Beispiel ein Klimamodell mit einer sehr hohen räumlichen Auflösung im Kilometerbereich, lernt den Einfluss eines bestimmten atmosphärischen Prozesses, setzt dieses gelernte KI-Modell in das „grobmaschige“ Erdsystem-Modell ein und macht es dadurch genauer. Eine bahnbrechende Lösung, die offenbart welches Potenzial allein in den bekannten Datensätzen steckt.
„Satellitengestützte Erdbeobachtungsdaten sind für die Klima- und Umweltforschung von unschätzbarem Wert. Wir können und müssen diese Ressource noch viel intensiver nutzen, um die globalen Vorhersagemodelle zu kalibrieren, zu bewerten und zu verbessern“, betont Leitautorin Eyring vom DLR-Institut für Physik der Atmosphäre. „Durch die Kombination von KI mit Erdsystem-Modellen und der Erdbeobachtung werden wir in der Lage sein, die Komplexität des künftigen Erdklimas und der Extremereignisse mit einer noch nie dagewesenen Genauigkeit vorherzusagen.“
Neudefinition des Traditionellen
Der vom deutsch-spanisch-amerikanischen Forschungsteam formulierte Ansatz kann auch eine Grundlage für realistischere digitale Zwillinge des Erdsystems bilden, die skalierbar, benutzerinteraktiv und anpassungsfähig sind. Co-Autor Prof. Gustau Camps-Valls von der Universität Valencia ordnet die Rolle der KI bei diesem maßgeblichen Fortschritt ein: „Durch die Integration von Techniken des maschinellen Lernens in die traditionelle Klimamodellierung können wir erhebliche Fortschritte beim Verständnis komplexer Klima-Interaktionen und der Verbesserung der Vorhersagen machen. Die KI unterstützt uns nicht nur. Sie ist ein wesentlicher Bestandteil der Neudefinition dessen, was unsere Modelle leisten können."
Die Veröffentlichung markiert einen Meilenstein für die Entwicklung von Klimamodellen. Die mittels KI verbesserten Modelle werden es ermöglichen, Auswirkungen des Klimawandels präziser vorherzusagen und technologische Bewertungen für einzelne Sektoren zu verbessern. Hochauflösende Erdbeobachtungsdaten auf globaler Skala und verbesserte Modellgenauigkeiten sind unerlässlich, um Strategien zur Verringerung der Treibhausgasemissionen zu entwickeln und die Menschen auf die Auswirkungen des Klimawandels vorzubereiten. Co-Autor Dr. David Lawrence vom NSF National Center for Atmospheric Research ist überzeugt: „Unser vorgeschlagener Ansatz wird es uns ermöglichen, wichtige Erdsystemprozesse mit beispielloser Genauigkeit zu simulieren, und so zu einem entscheidenden Werkzeug für Planer und Entscheidungsträger weltweit werden.“ An der Nature Geoscience Perpektive waren außerdem die Co-Autoren Prof. Pierre Gentine von der Columbia University sowie Prof. Markus Reichstein vom Max-Planck-Institut für Biogeochemie beteiligt. Prof. Veronika Eyring leitet gemeinsam mit ihnen und Prof. Gustau Camps-Valls den ‚Synergy Grant‘ des Europäischen Forschungsrats (European Research Council, ERC) „Understanding and Modelling the Earth System with Machine Learning (USMILE)“.
Zukunft maschinelles Lernen
Maschinelles Lernen ist noch ein relativ junges Werkzeug in der Umwelt- und Klimaforschung. Den Herausforderungen und Chancen ist DLR-Wissenschaftlerin Eyring mit einem weiteren internationalen Forschungsteam nachgegangen. In einem Beitrag vom 23. August 2024 im Fachmagazin Nature Climate Change erörtert die Expertin, wie KI-Verfahren helfen können, die Grenzen der Kimamodellierung und -analyse zu erweitern. Dazu gehören insbesondere Faktoren wie Generalisierung der Ansätze in einem sich ändernden Klima, Quantifizierung von Unsicherheiten, erklärbare künstliche Intelligenz und Kausalität. Dies ist ein ausgeprägt interdisziplinärer Ansatz. Forschung und Industrie aus den Bereichen maschinelles Lernen, Raumfahrt und Erdbeobachtung können hier gemeinsam neue Wege erschließen und die Handlungsfähigkeit der Klimaforschung weiter beschleunigen.