Die Mission „Blue Dot – Shaping the future“

28. Mai bis 10. November 2014

Am 28. Mai 2014 um 21:57 Uhr mitteleuropäischer Zeit startete der deutsche ESA-Astronaut Alexander Gerst vom Weltraumbahnhof Baikonur (Kasachstan) an Bord einer Sojus-Trägerrakete zur Internationalen Raumstation ISS. Bereits nach sechs Stunden Flug erreichte er die Raumstation, die die Erde in einer Höhe von 400 Kilometern mit einer Geschwindigkeit von 28.800 Kilometern pro Stunde umkreist. Er ist dann der dritte Deutsche, der an Bord der ISS leben und arbeiten wird – vor ihm flogen Thomas Reiter und Hans Schlegel zur Raumstation.

Der Name der Mission

Der Name der Mission „Blue Dot“ geht auf den weltberühmten US-Astronomen Carl Sagan (1934-1996) zurück, der unsere Erde als „pale blue dot“ (blassblauen Punkt) bezeichnet hat. Er bezog sich dabei auf eine Aufnahme, die die Raumsonde Voyager 1 aus etwa 6,4 Milliarden Kilometern Entfernung zur Erde gemacht hatte – die größte Distanz, aus der jemals ein Bild unseres Heimatplaneten aufgenommen wurde. Auf diesem Bild ist die Erde nur noch als winziger, blassblauer Punkt zu sehen, der sich vor dem tiefen Schwarz des Alls als Oase des Lebens abhebt und gleichermaßen fragil und schützenswert erscheint.

Unter dem Motto „Shaping the Future – Zukunft gestalten“ standen die Experimente, die Alexander Gerst auf der ISS durchführte. Sie dienten dazu, das Leben auf der Erde zu verbessern, neue Technologien zu erproben sowie die weitere Erforschung des Sonnensystems und Alls vorzubereiten.

100 Experimente in 166 Tagen

Während seiner für 166 Tage angesetzten Mission war Alexander Gerst in 100 verschiedene Experimente aller ISS-Partner involviert. Von den rund 40 ESA-Experimenten (ELIPS-Programm) fanden 25 unter Führung deutscher Projektwissenschaftler oder mit deutscher Industriebeteiligung statt. Sie kamen aus den Bereichen Materialphysik, Humanphysiologie, Strahlenbiologie, Sonnenforschung, Biologie und Biotechnologie, Fluidphysik, Astrophysik und Technologiedemonstrationen.

Darüber hinaus waren zahlreiche Experimente und Vorhaben zur Bildung und Nachwuchsförderung geplant, darunter zum Beispiel das Schulprojekt „Columbus Eye“, ein Erdbeobachtungsexperiment mit ferngesteuerten Kameras an Bord der ISS, das das DLR-Raumfahrtmanagement und die Universität Bonn in Zusammenarbeit mit der NASA durchführte. Beim Wettbewerb „Aktion 42“, der gemeinsam von ESA und DLR mit „Jugend forscht“ ausgeschrieben wurde, entwickeln Jugendliche Experimente mit ISS-Bordmitteln.

Missionshighlights

Ein Highlight der Mission war die Installation und Inbetriebnahme des Elektromagnetischen Levitators (EML), die Alexander Gerst durchführte. EML ist ein Schmelzofen, in dem metallische Legierungsproben mittels elektromagnetischer Felder berührungslos geschmolzen und erstarrt werden können. Die Anlage wird mit dem europäischen Raumtransporter ATV-5 „Georges Lemaitre“ (Automated Transfer Vehicle) voraussichtlich im Juli 2014 zur ISS gebracht.

Alexander Gerst führte während seiner Mission auch einen Außenbordeinsatz, eine sogenannte Extravehicular Activity (EVA), durch. Bei der er für sechs Stunden die ISS verließ, um Außenanlagen der Station zu warten und wissenschaftliche Experimente zu installieren. Im Weltraum wird der Anzug durch Wasser gekühlt, trinken kann man durch ein Strohhalmsystem, das mit einem Wasserreservoir verbunden ist, Helmlampen spenden Licht, wenn sich die ISS im Schatten der Erde befindet. Ein EVA ist so anstrengend, dass sich die Astronauten erst eine Woche später wieder vollständig davon erholt haben.

Er bediente auch den Greifarm der Station, um mehrere Versorgungsschiffe an- und abzudocken: Abdocken von SpaceX-4 (Dragon), An- und Abdocken von Spacex-5, An- und Abdocken von Cygnus-2 (OSC).

Direkt nach seiner Landung flog Alexander Gerst nach Köln und wurde dort als erster europäischer Astronaut im ESA-Astronautenzentrum sowie beim DLR medizinisch betreut. Das war eine Premiere, denn bisher wurden die Gesundheitschecks aller westlichen Astronauten in Houston, USA, durchgeführt.

Fünf Jahre Zeit, um den Beruf Astronaut zu lernen

Ganz zu Beginn seiner Ausbildung musste Alexander Gerst zunächst einmal einen 18-monatigen Grundkurs mit hunderten von Ausbildungsstunden durchlaufen, um sich überhaupt Astronaut nennen zu dürfen. In den Ausbildungszentren in den USA, Russland, Deutschland, Japan und Kanada eignete er sich Kenntnisse über Raumfahrttechnik, Weltraumforschung und Medizin an. Die Funktionsweise der ISS und ihrer Transporter hat er dort ebenfalls studiert. Russisch musste er innerhalb von drei Monaten lernen – dafür lebte er sogar einige Wochen mit einer russischen Familie im Sternenstädtchen bei Moskau zusammen. Er erhielt Tauchunterricht, da das Unterwassertraining auf der Erde die beste Möglichkeit ist, Außenbordeinsätze an der ISS zu trainieren.

Nachdem er im September 2011 für die Blue Dot-Mission nominiert wurde, erhöhte sich die Gangart: Von da an trainierte der er ohne Pause bis zu 60 Stunden pro Woche für seinen ersten Einsatz im All.

Bodenkontrolle – Unterstützung rund um die Uhr

Die Gesamtverantwortung für die Station hatten die Missionskontrollzentren der NASA in Houston und von Roskosmos in Moskau. Waren Experimente betroffen, so hatte das Nutzlastzentrum in Huntsville (USA) die übergeordnete Verantwortung für alle westlichen ISS-Versuchsanlagen. Mit ihnen standen die anderen Kontrollzentren, die sich um die Nutzlast kümmerten, in engem Kontakt. Für das europäische Columbus-Labor ist das Columbus-Kontrollzentrum (Col-CC) im Nationalen Raumfahrtkontrollzentrum (German Space Operation Center GSOC) beim DLR in Oberpfaffenhofen zuständig. Das GSOC steht in ständigem Kontakt zu den anderen Kontrollzentren und zu den Astronauten. Lange vor einer Mission beginnt hier die Planung und Einbindung neuer Experimente.

Das GSOC bildet die Nahtstelle zwischen den Columbus-Experimentanlagen, den Fachingenieuren und den Wissenschaftlern in den europäischen Nutzerkontrollzentren, wie beispielsweise dem MUSC (Microgravity User Support Center) des DLR in Köln. Vom GSOC aus kann bei Problemen im Labor, aber auch für Pressekonferenzen oder für den Unterricht aus dem All auch direkt mit der ISS kommuniziert werden.

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