20. April 2022

Analog-1: Studie in renommiertem Science Robotics Journal

In einer Studie erläutern Wissenschaftler Michael Panzirsch, Aaron Pereira und Harsimran Singh den Beitrag des Instituts für ein Weltraumexperiment im renommierten Science Robotics Journal. Die wissenschaftliche Publikation trägt den Titel "Exploring Planet Geology through Force-Feedback Tele-Manipulation from Orbit" und beschäftigt sich mit einem von der Telerobotikgruppe des Instituts für Robotik und Mechatronik weiterentwickelten Regelungsansatz zur Fernsteuerung eines robotischen Arms. Durch diesen Ansatz konnten alle sechs kartesischen Roboterfreiheitsgrade mit Kraftrückkopplung trotz vergleichsweise hoher Zeitverzögerung gesteuert werden. Dieser Regelungsansatz wurde für die Mission Analog-1 so erweitert, dass er eine noch dynamischere Bewegungssteuerung ermöglicht und zugleich der Roboter sicher mit seiner Umgebung interagieren kann. Eine schnelle, aber trotzdem sichere Ausführung von Aufgaben auf der Erde oder im Weltall wird dadurch zugelassen. Neben Weltraumanwendungen ist dies besonders auch z.B. in der Anwendung der Telerobotik im Pflegeassistenzkontext auf der Erde (DLR-Projekt SMiLE) von höchster Relevanz.

In der veröffentlichten Raumfahrt-Studie wurde die Technologie im Rahmen des ESA-ISS-Telerobotik-Experiments Analog-1 erprobt. Hierbei steuerte Astronaut Luca Parmitano am 15. November 2019 den Interact-Rover der ESA in einem Testgelände in Valkenburg, Niederlande, das ein Explorationsszenario auf dem Mond nachbildete. Dort sammelte er erfolgreich Gesteinsproben mit einem Roboterarm unter Anleitung durch ein Team von Geologen. Erstmalig wurde ein derart komplexer Roboter aus dem All mit Kraftrückkopplung ferngesteuert. Aufgrund der hohen Kommunikationsverzögerung zwischen Orbiter und Planetenoberfläche, die die Wahrnehmung von Kollisionen bzw. Prädiktion drohender Kollisionen durch den Operator beeinträchtigt, musste ein Regelungsansatz entwickelt werden, der unter diesen Bedingungen die Sicherheit der Roboterhardware und -umgebung garantiert.

Bereits eine Woche früher, am 18. November 2019, hat Luca Parmitano während seines "proficiency run" die Fernsteuerung des Rovers und des Roboterarms getestet. In diesem Experiment konnte ein Mensch zum ersten Mal einen Roboter auf der Erde von der ISS aus in allen Richtungen steuern sowie selbst die Kräfte wahrnehmen, die der Roboter spürt.

Mit Hilfe dieser Kraftrückkopplung kann der Astronaut die Interaktionskräfte des Roboters intuitiv steuern und somit auch filigrane Aufgaben ausführen. DLR-Wissenschaftler Harsimran Singh erklärt: „Der Regelungsansatz des DLR stellt sicher, dass der Roboter keine Kräfte auf die Umgebung aufbringt, bevor der Astronaut über die Kraftrückkopplung einen Kontakt wahrgenommen hat. Dies ist besonders bei hoher Zeitverzögerung entscheidend für die Sicherheit der Interaktion des Roboters mit seiner Umgebung.“

Die Technologie der Teleoperation ist auf der Erde ohnehin komplex, aber im All gibt es zusätzliche Herausforderungen, erklärt Michael Panzirsch: „Zum einen wird die Force Feedback-Kopplung durch sehr hohe und variable Zeitverzögerung von durchschnittlich 800ms, Datenpaketverlust oder sogar Kommunikationsunterbrechungen beeinträchtigt. Zum anderen befindet sich der Astronaut in Mikrogravitation, was zu Einbußen in der Sensomotorik führen kann und somit potentiell die Teleoperation erschwert.“

Das Experiment Analog-1 ist das abschließende Glied in einer Kette von Experimenten namens METERON, einer Kooperation des DLR und der ESA, welche von DLR-Projektleiter Dr. Neal Lii am DLR RM koordiniert wird. In METERON wird unter anderem untersucht, wie sich intelligente Roboter auf Planetenoberflächen durch Astronauten im Orbit steuern lassen.

Bereits 2017 und 2018 steuerten Astronauten wie Alexander Gerst den humanoiden Roboter Justin im DLR-Roboterlabor von der ISS aus in einer klar strukturierten Umgebung über ein Tablet-Interface. Sollten Roboter zukünftig den Mond oder Mars erkunden, oder dort eine Infrastruktur aufbauen oder Instand halten, könnten Astronauten von einer Raumstation aus die Fähigkeiten autonomer Roboter über die Teleoperationstechnologie erweitern.

„Auch wenn diese Art von Experimenten einfach aussieht, erfordert die technische Komplexität (Zusammenspiel Mensch-Roboter) unter den Bedingungen auf der Raumstation die Zusammenarbeit von vielen Experten“, sagt Thomas Krüger, Leiter des Human Robot Interaction Labors der ESA. „Wir sind sehr glücklich über die Kooperation mit dem DLR, und hoffen dies auch in Zukunft und weiteren Missionen fortzusetzen“.

Die Ausgabe von Science Robotics mit der Studie der DLR-Wissenschaftler ist ab Mitte April erhältlich.

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