Raumfahrt | 28. November 2014 | von Tom Uhlig

Ты говоришь по-русски? (Sprichst Du Russisch?)

Quelle: DLR (CC-BY 3.0)
Maxims Baklanenko an der Col-Flight-Konsole unterstützt die russischen Kosmonauten bei der Installation des PK-4-Experiments im Columbus-Modul

Haben Sie's parat? Hätten Sie's gewusst? Die drittschlechteste Dichtkunst im Universum ist...?  Eigentlich ja ganz einfach: Vogonisch! (Kann ich bestätigen - ich erinnere mich noch lebhaft an das Textanalyse-Referat eines Klassenkameraden in der K13 über das Gedicht "Oh Du zerfreddelter Grunzwanzling"...!) So steht es zumindest im 'Reiseführer' "Per Anhalter durch die Galaxis", den sich die derzeitige Besatzung der ISS - wohl aus Ermangelung eines entsprechenden Baedekers oder Lonely Planets - zu ihrem programmatischen Standardwerk erkoren hat.

Auf der Raumstation ISS ist die Besatzung glücklicherweise nicht intergalaktisch, sondern nur international, was die Sprachvielfalt an Bord freilich eingrenzt. Trotzdem kommt es auch hier immer wieder zu Sprachbarrieren, die überwunden werden müssen.##markend##

Derzeit ist es wieder einmal soweit: Obwohl wir alle ja Englisch sprechen, kommen sowohl wir als auch die Astronauten hin und wieder mal an unsere Grenzen, wenn es sehr komplex wird. Und komplex ist es gerade: Derzeit installieren die russischen Astronautenkollegen in Columbus gerade das PK-4-Experiment, eine Kollaboration zwischen dem Max-Planck-Institut, der ESA, dem DLR und der russischen Akademie der Wissenschaften. Das Pikante daran: Normalerweise arbeiten die russischen Kosmonauten eher selten in Columbus - und entsprechend hat unser Columbus-Kontrollzentrum eigentlich keine Schnittstellen mit dem TsUP, dem Kontrollzentrum in Moskau. Heute aber sind Jelena Serowa und Alexander Samokutjajew die Hauptakteure im europäischen Weltraumlabor - sie bauen das komplexe Experiment in unserem European Physiology Module (EPM) ein. Und die Installation ist nicht ohne: Für mehrere Stunden schuften die beiden zusammen in Columbus, legen die Innereien des Racks frei, bauen den großen PK-4-Container ein, schließen die zahllosen Kabel, Leitungen und Rohre an. Sogar unsere Außennutzlasten mussten kurz abgeschaltet werden, um die Anschlüsse, an denen die beiden Kosmonauten zu arbeiten hatten, stromfrei zu haben.

Da kommen - trotz der detaillierten Prozeduren - schon auch einmal Fragen auf, sehr technische Fragen. Und damit sind alle schnell an den Grenzen ihres Englisch: Wenn es um Werkzeuge geht, die ich auch im Deutschen kaum richtig benennen kann. Wenn technische Fachbegriffe gebraucht werden, die sehr ins Detail gehen. Wenn es um die Beschreibung von nicht vorhergesehenen Situationen geht.

Die Lösung für diese babylonischen Sprachverwirrungen sitzt bei uns an der Flugdirektorkonsole: Maksims Baklanenko hat bereits die Vorbereitungen für den Betrieb von PK-4 in Columbus geleitet und überwacht jetzt die Installation persönlich. Und: Er spricht Russisch als Muttersprache.

Sowohl Houston als auch die Astronauten schauen überrascht, als sie aus Oberpfaffenhofen russische Anweisungen hören. Aber schnell und dankbar nehmen sie die unerwartete Unterstützung an und arbeiten sich zusammen mit Maksims durch die komplizierte Prozedur.

Am Ende ist PK-4 in EPM verstaut und beinahe bereit für den Wissenschaftsbetrieb. Das CADMOS-Kontrollzentrum in Toulouse wird zusammen mit dem MPI und den DLR-Forschern darin komplexe Plasmen erzeugen und erforschen. Ein Plasma ist ein Gas, bei dem die Elektronen von ihren Atomrümpfen getrennt wurden - uns wohlbekannt aus verschiedenen Leuchtmitteln. Ein "komplexes" Plasma enthält zusätzlich noch kleinste Teilchen (die freilich im Vergleich zu den Elektronen oder Ionen riesig sind), die sich in der "Teilchensuppe" elektrisch aufladen und dadurch miteinander in Wechselwirkung treten können. Wie im Wasser kann diese Wechselwirkung entweder in der "wässrigen Phase" zu klein sein, um irgendeine sichtbare Interaktion zu verursachen. Oder, geht man zu tieferen Temperaturen über, kann die Wechselwirkung zum Tragen kommen und es bilden sich wie beim Wassereis kristallähnliche Strukturen: Die kleinen Partikel ordnen sich in regelmäßigen Gebilden an, die an ein Kristallgitter erinnern - nur eben auf einer Skala, die wesentlich größer ist als die atomaren Abstände in einem richtigen Kristall. Damit kann man forschen und viele Erkenntnisse gewinnen - freilich nur, wenn keine überlagerte Schwerkraft die Mikropartikel "zu Boden zwingt".

Also wieder mal ein Fall für Columbus!

TrackbackURL

Über den Autor

Als Kind wollte Tom Uhlig Astronaut werden. Beim DLR kam er dabei seinem Traum sehr nahe: Er arbeitete als Columbus-Flugdirektor an der Konsole und leitete sowohl das Col-CC-Trainingsteam als auch Gruppe für den Betrieb von geostationären Satelliten bis Dezember 2016. zur Autorenseite