26. November 2025 | A4CLIMATE für eine klimaverträgliche und wettbewerbsfähige Luftfahrt

Klimastrategie im Praxistest: Kondensstreifen reduzieren

  • Im EU-Projekt A4Climate erforscht das DLR gemeinsam mit 17 Partnern aus Forschung und Industrie, wie Kondensstreifen vermieden, reduziert und klimaverträglicher gestaltet werden können.
  • Ziel ist es, praktische Lösungen für eine klimaverträgliche Luftfahrt zu entwickeln.
  • Erste Messflüge des DLR-Forschungsflugzeugs Falcon 20 von TUIfly-Passagierflugzeugen zur Kondensstreifenbildung und -vermeidung gestartet.
  • Schwerpunkte: Luftfahrt, klimaverträgliches Fliegen

In Europa geht es einen wichtigen Schritt Richtung klimaverträgliche Luftfahrt: Mit dem Projekt A4CLIMATE wollen Forschende und Industriepartner herausfinden, wie sich Kondensstreifen wirksam vermeiden lassen – und wie sehr sich dabei ihre Klimawirkung tatsächlich verringern lässt. Unter Leitung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) arbeiten bei A4Climate 17 Projektpartner aus neun Ländern daran, die Entstehung und die Klimawirkung von Kondensstreifen zu reduzieren – durch intelligente Flugrouten, innovative Triebwerkstechnik und alternative Kraftstoffe.

Die Forschenden kombinieren dafür Satellitendaten, Flugzeug- und Bodenmessungen, moderne Klimamodelle und ein neues Vorhersagesystem für Kondensstreifen. Insgesamt werden über die Projektlaufzeit 400 Linienflüge untersucht, die möglichst keine Kondensstreifen erzeugen. Aktuell führt das DLR zudem Messflüge mit seinem Forschungsflugzeug Falcon 20E durch, das Linienmaschinen von TUIfly bei Kondensstreifen-Beobachtungsflügen über Deutschland und Österreich gezielt hinterherfliegt.

Überraschende Herausforderungen

Um die Wirksamkeit der Maßnahmen unter realen Bedingungen zu testen, führt das DLR konkret Messflüge gemeinsam mit der deutschen Fluggesellschaft TUIfly und dem österreichischen Luftfahrtunternehmen FLIGHTKEYS durch. Das Prinzip ist einfach: Wenn möglich, wird außerhalb jener Regionen geflogen, in denen Kondensstreifen entstehen.

Die Praxis zeigt jedoch, wie komplex das werden kann. Verspätungen oder Wetterveränderungen machen es schwierig, die ideal geplanten Routen exakt einzuhalten. Und manchmal bedeutet eine Ausweichroute auch etwas mehr Flugkilometer – und damit mehr Ausstoß von Kohlenstoffdioxid (CO2). Hier gilt es, robuste Abläufe und Lösungen unter diesen Randbedingungen zu entwickeln und zu erproben:

Das Projektteam arbeitet an einer vollautomatischen Datenpipeline, die Routenempfehlungen in Echtzeit liefert und sofort Rückmeldung gibt, ob ein Flug klimaverträglicher geplant werden kann. Satelliten sollen später überprüfen, ob die Strategie in der Realität tatsächlich weniger Kondensstreifen erzeugt. Die Netto-Klimabilanz wird zusätzlich mit Modellen berechnet.

Unser Ziel ist es, auf dem Weg zur klimaverträglichen Luftfahrt wissenschaftlich fundiert voranzuschreiten bei gleichzeitigem Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit. Exakte Vorhersagen und automatisierte Prozesse zur Kondensstreifenvermeidung sind dafür wichtige Werkzeuge, die umfangreich erprobt und weiterentwickelt werden müssen. Hier bringen wir als DLR unsere umfangreiche Expertise und Systemkompetenz in der Luftfahrtforschung ein

Dr. Markus Fischer, DLR-Bereichsvorstand Luftfahrt

Moderne Triebwerke und nachhaltige Kraftstoffe

Neben der Flugplanung untersucht man in A4CLIMATE, wie neue Triebwerke und alternative Treibstoffe die Kondensstreifen-Bildung verändern. Besonders spannend: Einige Magerverbrennungs-Triebwerke stoßen extrem wenig Ruß aus – und Rußpartikel sind wichtige Startpunkte für Eiskristalle. Ob weniger Ruß automatisch weniger Kondensstreifen bedeutet, ist allerdings noch ungeklärt.

Um das zu testen, begleitet das DLR-Forschungsflugzeug Falcon 20E aktuell TUIfly-Passagierflugzeuge, die mit den innovativen, rußarmen Magerverbrennungs-Triebwerken ausgestattet sind. Die Flüge führen dabei bewusst durch Kondensstreifen-begünstigende Regionen. So wird direkt in der Atmosphäre und unter realen Bedingungen gemessen, welche Eigenschaften die Kondensstreifen dieser neuen Triebwerke haben: „Wir wollen verstehen, wie stark sich die Klimaerwärmung reduzieren lässt, wenn Flugzeuge moderner und smarter unterwegs sind“, erklärt Projektleiterin Prof. Christiane Voigt vom DLR-Institut für Physik der Atmosphäre.

Für die rund zweiwöchigen Flugversuche werden typische Reiseverbindungen von Deutschland nach Ägypten beflogen. Die Falcon 20E, betrieben von der DLR-Einrichtung Flugexperimente in Oberpfaffenhofen, fliegt mit etwa zehn Kilometer Abstand hinter ausgewählten TUIfly-Flügen. Das Team misst dabei die entstandenen Kondensstreifen mit einer hochgenauen Instrumentierung. Die Forschenden des DLR-Instituts für Physik der Atmosphäre untersuchen insbesondere, wie sich Ruß und volatile Partikel im Abgasstrahl über einen Zeitraum von bis zu 30 Minuten verändern und die Kondensstreifen beeinflussen. Die Messdaten werden genutzt, um Modellsimulationen von Triebwerken und Kondensstreifen weiter zu verbessern und Wettervorhersagen zu präzisieren.

Klimaverträglicher fliegen – aber realistisch

Kondensstreifen entstehen in großer Höhe, wenn heiße Abgase auf sehr kalte, feuchte Luft treffen. Aus unscheinbaren Linien am Himmel werden so Eiswolken, die Wärme in der Atmosphäre festhalten und zur Erderwärmung beitragen. Ihr Klimaeffekt ist dabei ähnlich groß wie der des gesamten CO2 aus dem Luftverkehr. Die EU strebt daher das systematische Monitoring dieser Nicht-CO2-Effekte an.

A4CLIMATE liefert damit erstmals umfassende Daten, wie Kondensstreifen vermieden, reduziert und klimaverträglicher gestaltet werden können. Das Projekt soll wissenschaftliche Grundlagen für neue EU-Regelungen schaffen und Airlines praktische Werkzeuge an die Hand geben.

Denn eines ist klar: die Klimaeffekte des Luftverkehrs verschwinden nicht über Nacht. Doch mit klügeren Routen, moderner Technik und belastbaren Daten ließe sich die Klimawirkung des Fliegens deutlich verringern. Europa könnte hier weltweit eine Vorreiterrolle einnehmen.

Hintergrundinfo: Klimaoptimierte Flugrouten

Die Erprobung klimaoptimierter Flugtrajektorien ist ein wichtiger Schritt, um die wirtschaftliche Machbarkeit dieses Ansatzes zu demonstrieren. Dabei werden Lufträume mit besonders hoher Erwärmung durch Kondensstreifen gezielt umflogen. Solche Anpassungen führen zu Änderungen der optimalen Flughöhe, und damit eventuell zu einer verlängerten Flugzeit, einem höheren Kraftstoffverbrauch und leicht erhöhten CO2-Emissionen. Das DLR-Institut für Physik der Atmosphäre vergleicht die Klimawirkung dieser zusätzlichen Emissionen mit den reduzierten Nicht-CO2-Effekten, um die Gesamtklimawirkung abzuschätzen. Zudem werden die Ergebnisse mit Satellitendaten überprüft. Dabei werden auch bestehende Unsicherheiten berücksichtigt. Mit gezielten Forschungsarbeiten unterstützt das DLR die Umsetzung klimaoptimierter Flugrouten in der Praxis. Am DLR-Institut für Luftverkehr analysieren die Forschenden gleichzeitig auch die betrieblichen Auswirkungen sowie wirtschaftlichen Aspekte für Fluggesellschaften, um auf dieser Grundlage Handlungsempfehlungen wie mögliche finanzielle Anreize zu entwickeln.

Weiterführende Links

Über das Projekt

Das Projekt A4CLIMATE wurde im Februar 2025 mit einer Laufzeit von vier Jahren ins Leben gerufen. Es wird durch das „Horizon Europe“-Programm der Europäischen Union finanziert (Grant Agreement Nummer 101192301), um praktische Lösungen für eine nachhaltige Luftfahrt zu entwickeln. Das Projekt vereint 17 Partner aus neun Ländern, die ein Konsortium aus Forschungseinrichtungen, führenden Industrieunternehmen und Dienstleistern unter der Leitung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) bilden. Gemeinsam erforschen sie Strategien, um die Auswirkungen von Kondensstreifen auf das Klima zu minimieren und wettbewerbsfähige Luftfahrtpraktiken zu fördern:

  • Deutsches Zentrum für Luft - und Raumfahrt (DLR, Deutschland), Koordinator
  • Deutscher Wetterdienst (DWD, Deutschland)
  • Institutul National De Cercetare-Dezvoltare Aerospatiala "Elie Carafoli"- Incas Bucuresti (INCAS, Rumänien)
  • Max-Planck-Institut für Chemie (MPIC, Deutschland)
  • Imperial College London (IMPERIAL, Vereinigtes Königreich)
  • Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU, Deutschland)
  • Goethe-Universität Frankfurt (GU, Deutschland)
  • University of Leeds (ULEEDS, Vereinigtes Königreich)
  • The University of Reading (UREAD, Vereinigtes Königreich)
  • FLIGHTKEYS GmbH (FKY, Österreich)
  • To70 (Niederlande)
  • PNO Innovation Deutschland (PNO, Deutschland)
  • Sopra Steria Gruppe (SSG, Frankreich)
  • TUIfly GmbH (TUIfly, Deutschland)
  • Breakthrough Energy (BE, Vereinigte Staaten)
  • Eurocontrol - Europäische Organisation zur Sicherung der Luftfahrt (EUROCONTROL, Belgien)
  • Eidgenössische Technische Hochschule Zürich (ETH, Schweiz)

Kontakt

Bernadette Jung

Kommunikation, Presseredaktion
Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)
Münchener Straße 20, 82234 Weßling
Tel: +49 8153 28-2251